Zuflucht

Foto: Thomas Gertler

Wohin kann ich mich flüchten? Für sehr viele Menschen heute eine sehr reale und bedrängende Frage. Sie suchen äußerlich Zuflucht und Asyl vor Krieg, Verfolgung, Not und Leid. Sie suchen innerlich Zuflucht vor Ängsten, Aussichtslosigkeit, Verzweiflung, Traurigkeit, Einsamkeit, Ratlosigkeit. Jeder kann diese Liste vervollständigen.

Gerade komme ich aus dem schönen alten Bamberg. Dort habe ich Exerzitien gegeben. In der Kirche, wo wir täglich den Gottesdienst gefeiert haben, steht ein Altar mit den „Sieben Zufluchten“. Sie sehen ihn oben. Die Andacht zu den „Sieben Zufluchten“ ist etwas sehr Katholisches, vielleicht sogar einseitig Katholisches. Sie geht auf einen Jesuiten zurück: Tobias Lohner. Er hat 1689 ein Buch mit Andachten zu diesen sieben Zufluchten veröffentlicht.

Für jeden Tag der Woche eine Zuflucht, zu der ich mich flüchten kann. Und wenn wir das Bild von oben nach unten durchgehen, dann entdecken wir diese sieben Zufluchten:

Zuerst und ganz oben die Heilige Dreifaltigkeit, ihr gehört der Sonntag und das Dreifaltigkeitsfest. Zu ihr kann ich mit allem und jedem gehen. Sie trägt die ganze Welt in der Hand. Und der Heilige Geist schwebt über der Welt. Die Dreifaltigkeit ist allen Christen gemeinsam, wenn auch eher selten ausdrücklich zu ihr gebetet und geflüchtet wird.

Dann das Kreuz Jesu, der Zufluchtsort für alle, die schwer leiden. Das Kreuz wird besonders am Freitag verehrt. Am Karfreitag war Jesu Sterbetag. Dahin flüchten Christen aller Konfessionen und suchen Trost.

Dann die Heilige Eucharistie. Die typisch katholische Monstranz strahlt in der Bildmitte. Zeichen der realen Gegenwart Christi unter uns. Ihr gehört der Donnerstag und als Fest das Fronleichnamsfest. In der Anbetung finden gerade heute wieder viele junge Leute Trost und Schutz. Vielleicht kennen Sie „Nightfever“? Da geht es in einer heutigen Weise um die Verehrung des gegenwärtigen Christus.

Jetzt gehen wir weiter zu den Heiligen. Da ist zuerst Maria als Zuflucht zu nennen. Sie wird uns vom Gekreuzigten als Mutter gegeben (vgl. Joh 19,24f) und tritt für uns ein, wie wir immer wieder im „Gegrüßet seist du Maria“ beten. Ihr gehört der Samstag und als Fest das Fest Mariä Empfängnis.

Hinter Maria steht der heilige Josef. Er gilt als Schutzpatron der Kirche. Und unter ihm folgen auf diesem Bild der heilige Ignatius von Loyola, unser Ordensgründer, und darunter die Bistumsheiligen von Bamberg, das Königspaar Heinrich und Kunigunde. Auf verschiedenen Bildern der „Sieben Zufluchten“ sind auch oft verschiedene Heilige abgebildet je nach Ortsüblichkeit. Den Heiligen ist jedenfalls der Mittwoch gewidmet und das Fest Allerheiligen. Und Sie kennen vielleicht selbst solche Heilige des Alltags, die mir Zuflucht waren und sind.

Dann folgen die Engel. Sie sind auf dem ganzen Bild verteilt. Und es ist erstaunlicherweise so, dass anscheinend mehr Menschen an Engel glauben als an Gott und dass viele Menschen helfende Erfahrungen mit den Engeln machen und gemacht haben – auch außerhalb der Kirche. Sie sind auf jeden Fall für ganz viele Menschen ein Zufluchtspunkt. Ihrer wird am Dienstag gedacht und ihr Fest ist das Schutzengelfest.

Und jetzt sind wir ganz unten auf dem Bild angelangt. Da sehen wir, wie jemand flehend die Hände erhebt in Richtung König Heinrich und Königin Kunigunde. Der König weist mit der Hand auf diese Person. Es ist eine arme Seele im Fegefeuer. Das ist für die meisten heute ganz fremd und seltsam, von armen Seelen im Fegefeuer zu hören. Die Sache, um die es geht, ist jedoch sehr einfach. Am besten ein Beispiel. Ein Freund von mir hatte eine Oma, die war fromm, aber sie war auch ein Besen und machte ihren Kindern und Enkeln das Leben schwer. Sicher war sie nicht abgrundtief böse, aber eine Heilige war sie beim besten Willen nicht. Solche Menschen (und das sind sicher die meisten von uns) kommen am Ende zu Gott, aber wie Paulus sagt (1 Kor 3,14f): „wie durch Feuer hindurch.“ Sie müssen aus der Verkrümmung um ihr eigenes Ich herausgebogen werden, um wieder gerade und vor Gott stehen zu können. Und dieser Vorgang wird mit Paulus seit alters das Reinigungs- oder Fegefeuer genannt. Und diese armen Menschen oder armen Seelen können zwar nichts mehr für sich selbst tun, aber wir können ihnen helfen durch unser Gebet und sie können uns helfen durch ihr Gebet für uns. Auch wieder eine sehr katholische Überzeugung. Der armen Seelen gedenken wir am Montag und als Fest feiern wir das Allerseelenfest und das ist gerade heute am 2. November. Und das war der Grund für mich heute dieses Bild und die „Sieben Zufluchten“ als Impuls zu nehmen. Viele sind ja auch herzlich mit ihren Verstorbenen verbunden, sprechen noch immer mit der verstorbenen Mutter oder dem verstorbenen Vater. Das ist ihnen eine rechte Zuflucht. Auch mir sind meine verstorbenen Eltern so eine Zuflucht, und ich denke von ihnen, dass sie schon endgültig bei Gott sind…

Es gibt sicher noch viele Zufluchten über die genannten und abgebildeten hinaus, aber diese sieben gibt es auch.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

2. November 2022, Allerseelentag

Der Psalm 46 betet zu Gott als Zuflucht und Stärke. Wir können zu ihm flüchten wie in eine Schutzhütte oben in den Bergen. Auf dem Bild finden sie eine solche. Sie steht über der Baumgrenze in den Kitzbühler Alpen.

Foto: Nicolas von Kospoth - CC BY-SA 2.0 DE

Psalm 46

1 Ein Lied. 2 Gott ist uns Zuflucht und Stärke, als mächtig erfahren, als Helfer in allen Nöten. 3 Darum fürchten wir uns nicht, wenn die Erde auch wankt, wenn Berge stürzen in die Tiefe des Meeres; 4 mögen seine Wasser tosen und schäumen und vor seinem Ungestüm Berge erzittern. 5 Eines Stromes Arme erfreuen die Gottesstadt, des Höchsten heilige Wohnung. 6 Gott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken. Gott hilft ihr, wenn der Morgen anbricht. 7 Völker tobten, Reiche wankten; seine Stimme erscholl, da muss die Erde schmelzen. 8 Mit uns ist der HERR der Heerscharen, der Gott Jakobs ist unsre Burg. 9 Kommt und schaut die Taten des HERRN, der Schauder erregt auf der Erde. 10 Er setzt den Kriegen ein Ende bis an die Grenzen der Erde. Den Bogen zerbricht er, / die Lanze zerschlägt er; Streitwagen verbrennt er im Feuer. 11 Lasst ab und erkennt, dass ich Gott bin, erhaben über die Völker, erhaben auf Erden! 12 Mit uns ist der HERR der Heerscharen, der Gott Jakobs ist unsre Burg.