Zeitumstellung – Lebensumstellung

 

Dies Jahr wurde die Zeitumstellung in den Medien geradezu stiefmütterlich behandelt. Sie kam so ganz nebenbei vor. Viele haben es gar nicht mitbekommen. Dabei ist gerade diese Umstellung auf die Sommerzeit für mich immer richtig hart. Eine Stunde früher aufstehen. Echt eklig. Ich brauche eine Woche, um mich umzustellen. Eine Stunde früher schlafen gehen, um eine Stunde früher aufzustehen. Dazu muss ich mich erstmal richtig müde machen. Eine Stunde aufs Rad. Das ist ja eher gut und tut mir gut. Aber eben umstellen. Lästig!

Und wieso hat das dies Jahr fast keine Rolle gespielt? In den vergangenen Jahren war das immer eine ganze Weile Thema in den Medien und die Abschaffung auch. Von all dem jetzt fast nichts. Warum? Das ist ja klar. Wegen der Lebensumstellung, die uns zurzeit Corona abverlangt. Diese Lebensumstellung ist ja für viele ganz hart und fast unerträglich. Und es wundert mich gar nicht, dass viele schon wissen wollen, wann es denn endlich zu Ende ist und wann wir wieder in den Alltagsmodus umschalten können. Und das wegen der großen wirtschaftlichen Gefahren und möglichen Zusammenbrüche von Firmen, und auch weil es eben fast unerträglich ist, ganz allein zu Haus bleiben oder gar mit Familie und kleinen Kindern Home Office zu machen. Sehr schwere Lebensumstellungen.

Viele sind es ja gewohnt anzupacken, zu helfen, aktiv zu sein und sie wollen es auch. Und jetzt sitze ich da rum und darf nicht mal den Opa besuchen. Jetzt soll ich Abstand halten. Immer wieder Abstand halten. Zu Hause bleiben. Alles geht nur noch per Internet und Telefon. Ja, das ist schlimm. Freilich gibt es öffentliche Aufrufe und Bitten um Hilfe. Viele MedizinstudentInnen helfen in den Krankenhäusern mit. Andere gehen als UnterstützerInnen in die Landwirtschaft. Das finde ich großartig und bewundernswert und das gibt doch auch Hoffnung.

Aber solche Menschen ab 60 oder so, die selbst zu Risikopersonen gehören wie ich (schon 71), die helfen am besten, wenn sie tatsächlich die Ratschläge einhalten. Denn diese Ratschläge, Bitten, ja Anweisungen sind tatsächlich die Weise, wie ich jetzt dann am besten anderen helfe, weil ich das Risiko für andere und mich selbst verringere. Es ist das also wirklich ein Dienst an der Allgemeinheit, den ich als AnpackerIn und SchafferIn jetzt tue, indem ich mich zurückhalte.

Um dabei selbst nicht trübsinnig zu werden, sind ein paar Dinge hilfreich. Das eine heißt: auch jetzt für mich selbst eine Ordnung, eine Tages- und Lebensordnung einzuhalten. Also in die neue Zeit- und Lebensumstellung hereinfinden und sich nicht gehen zu lassen. Die alten Mönche haben das so gesagt: wenn du die Regel hältst, dann hält die Regel dich. Das hilft dir und das hilft dann auch anderen, die den Halt zu verlieren drohen. Das tun, was gut tut (nicht was bequem ist!): Aufstehen, Ordnung machen, Mahlzeiten, Gebetszeiten, Bewegung, Sport, Gymnastik usw. Alles täglich und in den Regelzeiten!

Und jetzt natürlich, das ist ja klar, die Verbindungen halten, die möglich sind. Telefon und Internet. Und siehe, ich lerne sogar Neues. Es gibt viele Formen der Internettelefonie, wo man reden und sich auch sehen kann. Wie zum Beispiel Skype und anderes. Darüber arbeiten jetzt viele und halten Konferenzen ab. Erstaunlich wie das geht. Wie gut das geht. Aber eben auch mal meine alten Telefonadressen durchgehen. Wen habe denn lange nicht angerufen?

Und dann natürlich den wichtigsten Kontakt halten: den zu Gott im Gebet. Und auch da gibt es jetzt unglaublich viele Hilfen und Angebote im Netz. Ich kann es gar nicht mehr überblicken. Aber am wichtigsten: nicht so sehr andere beten lassen, sondern selber beten. Und da vielleicht auch einmal andere Formen ausprobieren. Ignatius, unser Ordensgründer, sagt: Immer die Form des Betens wählen, durch die ich am leichtesten zu Gott finde (nicht die am bequemsten ist!). Und das kann sich wandeln. Mal ist es nur das Schweigen und Hören, mal ist es der Rosenkranz, mal ist es das ganz langsame Lesen der Heiligen Schrift, verweilen bei einem Wort, so lange ich es schmecke. Probieren Sie! Auch die Psalmen mit ihren Fragen und Klagen. Ganz leicht jetzt: Beten für so viele, die dringend unser Gebet brauchen.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

1. April 2020

Diesmal stelle ich Ihnen den Psalm 13 vor, wie ihn Dr. Christian Schramm entsprechend adaptiert hat. Das Bistum Hildesheim hatte ihn als Gebet in Zeiten von Corona ins Netz gestellt. Dass jeden Tag die Sonne aufgeht wie hier an der Ostsee, ist ein großes Zeichen der Hoffnung.

Foto: Dirk Vorderstraße - CC BY 2.0

KLAGE UND VERTRAUEN in der Not der Pandemie

HERR, ohnmächtig stehen wir vor dir.
Ohnmächtig angesichts einer Bedrohung unbekannten Ausmaßes.
Verunsichert und furchtsam blicken wir
in die Zukunft – und rufen zu dir:
Wie lange noch, Herr, vergisst du uns ganz?
Wie lange noch verbirgst du dein Angesicht vor uns?
Wie lange noch müssen wir Sorgen tragen in unserer Seele,
Kummer in unseren Herzen Tag für Tag?
Blick doch her, gib uns Antwort, Herr, unser Gott,
erleuchte unsere Augen, beruhige unsere Seelen.
In all der Unsicherheit sei du unser Fels,
bei aller Ungewissheit sei du mit uns auf unseren Wegen.
So dass wir sagen können:
Wir aber haben auf deine Güte vertraut,
unser Herz soll über deine Hilfe jubeln.
Singen wollen wir dem Herrn, weil er uns Gutes getan hat.

Amen.

Dr. Christian Schramm, nach Psalm 13