Zeitenwende

Foto: Erkaha - CC BY-SA 4.0

Das war ja klar, dass zum Jahreswechsel nun in meinem Impuls das Wort Zeitenwende kommen musste, das Wort des vergehenden Jahres, das Bundeskanzler Scholz gebraucht hat, um damit die Bedeutung des Überfalls Russlands auf die Ukraine zu kennzeichnen. Zeitenwende vor allem als Ende und Wende in den Beziehungen zu Russland. Und im Gefolge auch Wandel und Änderung vieler anderer Beziehungen zu Staaten und Völkern. Diese völlig anderen Zeiten erleben wir in der Not der Menschen in der Ukraine, in so vielen Kriegstoten, in so vielen weltweiten wirtschaftlichen Folgen, die auch bei uns in Nöte treiben. Und es kommen noch die immer noch wirksame Pandemie und die Bedrohung der Welt durch den Klimawandel hinzu. Ja, Zeitenwende, und zwar ins Beängstigende hinein.

Bei uns abgefedert durch vielerlei Unterstützungen und Geldsummen. Die lasten aber wieder auf der Zukunft. Für mich ist daher das Wort, das die Situation hier bei uns beschreibt, das Wort „Wackeligkeit“. Es kann jederzeit etwas umkippen und zusammenbrechen. Für den Klimawandel gibt es den Begriff „Kipp-Punkt“, gemeint ist der Punkt, wo etwas unumkehrbar kippt. Unumkehrbar. So etwas ist für uns, die wir häufig stark technisch und vom Fortschrittsdenken her geprägt sind, fast nicht vorstellbar, dass etwas nicht mehr korrigierbar, nicht mehr umkehrbar sein soll. Dass etwas endgültig ins Negative kippt. Point of No return. Das erschreckt.

Diese Wackeligkeit kennzeichnet für mich nicht nur die politische, die wirtschaftliche und ökologische Situation. Es kennzeichnet für mich auch die kirchliche Situation. Auch sie ist so, dass es jederzeit zu Zusammenbrüchen und Abbrüchen kommen kann und oft schon kommt. Wie viele Klöster und Kirchen wurden und werden geschlossen! Ja, in vielen Stimmen der Öffentlichkeit ist das Ende der Kirche, der Kirchen schon gekommen. Das erschreckt.

Zeitenwende, es bleibt nicht, wie es war. Das fordert Entscheidungen von uns in allen genannten Bereichen. Gefordert ist eine Wende oder Umkehr. Umkehr oder Umdenken. Da gibt es manche, die es ersehnen, begrüßen und sich darüber freuen. Endlich! Endlich leben wir mehr in der Wahrheit und in der Wirklichkeit. Es gibt aber vermutlich mehr Menschen, die sich davor fürchten. Wehe! Nein, ich will nicht, dass sich etwas oder gar vieles oder schließlich alles ändert, und zwar zum Schlechteren oder Schlimmeren. Nein, das nicht!

Wie wird Zeitenwende im Glauben oder vom Glauben und der Bibel her gesehen? Da ist mit der Ankunft Jesu Christi im Stall von Bethlehem die Zeitenwende eingetreten und das bis heute tatsächlich. Wir rechnen unsere Zeit seit der Geburt Christi (auch wenn erst mehr als 400 Jahre nachher allmählich die Kalender geändert wurden). Mit Christus ist der gekommen, mit dem sich die Zeiten geändert haben und zwar in Richtung Befreiung und Erlösung: „Christ, der Retter ist da!“, singen wir im Weihnachtslied.

Wenn wir genauer in das Erleben der Christen damals hineinschauen, so finden wir schon damals alle die politischen, wirtschaftlichen, ökologischen Katstrophen aufgezählt, die auftreten werden und die es seitdem immer wieder gibt. Ja, und auch die Situation der Christen wird äußerst bedrohlich geschildert, und sie war das auch in vielen Teilen der damaligen Welt. Was sagt die Bibel dazu? Erstens: „Wenn das alles geschieht, dann erhebt euer Haupt, denn eure Erlösung ist nahe…“ (Lk 21,28). Also mit jedem Tag des Unheils kommt das Heil uns näher und das tröstet und lässt uns das Haupt erheben und nicht den Kopf sinken. Zweitens etwas ähnlich Paradoxes: Man wird euch als Gläubige verfolgen und manche töten, und das geschieht bis heute auf der Welt, dennoch wird euch kein Haar gekrümmt. Wie bitte? Man schlägt mir den Kopf ab, aber dennoch wird mir kein Haar gekrümmt? Total paradox. Was auch immer passiert, mir kann nichts passieren! Das soll gehen? Das Neue Testament schreibt es so - siehe den Text unten.

Und das liegt daran, dass das Leben Jesu eben nicht mit der totalen Katastrophe am Kreuz zu Ende ging, sondern dass er auferstanden ist und seinen Jüngern als Lebendiger begegnete. Er ist durch den Tod hindurch in ein neues Leben gegangen. Oder genauer: Gott hat ihn nicht im Tod gelassen, sondern in ein neues Leben hinein auferweckt.

Um das an einem Beispiel nachvollziehbar zu machen: Es gibt Menschen, die ich kenne, die ein positives Nahtoderlebnis hatten, die zurückgekehrt in dieses Leben und die nun keine Angst mehr vor dem Tod haben. Sie leben aus dieser Überzeugung: „Was auch immer passiert, mir kann nichts passieren. Denn ich bin in Gottes Hand.“

So ähnlich ist das Leben und Erleben der Generation, die das Neue Testament geschrieben hat. Ja, es kann uns den Kopf kosten, aber dennoch wird uns kein Haar gekrümmt werden, weil Gott uns hält und schützt über jede Situation in dieser Welt hinaus. Und gerade das macht uns frei zum Einsatz heute.

Zeitenwende. Ja, sie ist da und sie fordert uns und wir müssen keine letzte und äußerste Angst haben, selbst wenn es schlimm werden kann. Gerade weil die Zeitenwende da ist, die Christus eingeläutet hat.

Es grüßt Sie herzlich und wünscht Ihnen Gottes gnädiges Geleit durch das Neue Jahr

Thomas Gertler SJ

28.  Dezember 2022

Auf dem Bild sehen Sie einen Vulkanausbruch am Mount Yasur auf einer Insel im Südpazifik. Für mich ist das ein Bild für die Bedrohung wie ein Erdbeben oder ein Tsunami oder ähnlich jetzt so häufige Naturkatastrophen, die aber auch eine Ursache im von uns verursachten Klimawandel haben und so viele Menschen in äußerste Not bringen.

Foto: Romain Pontida - CC BY-SA 2.0

Lukas 21,10 - 19

21,10 Dann sagte er zu ihnen: Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben. 11 Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen. 12 Aber bevor das alles geschieht, wird man Hand an euch legen und euch verfolgen. Man wird euch den Synagogen und den Gefängnissen ausliefern, vor Könige und Statthalter bringen um meines Namens willen. 13 Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können. 14 Nehmt euch also zu Herzen, nicht schon im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen; 15 denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können. 16 Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten. 17 Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden. 18 Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. 19 Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.