Wie umgehen mit der dunklen Zeit?

Foto: Trougnouf - CC BY-SA 4.0

 

Jetzt ist die dunkle Zeit. Im späten November und im Dezember gibt es Tage, an denen es gar nicht richtig hell wird, weil es bewölkt und neblig dazu ist. Das kann sich auch auf die Seele legen. Dann entsprechen sich Äußeres und Inneres. Das äußere Dunkel kann das innere Dunkel noch erhöhen.

Das wird nun noch einmal verstärkt durch Corona. Weil es so lange dauert. Weil es noch schlimmer ist als im Frühjahr. Weil nur die Aussicht auf die Impfung eine Aussicht auf das Ende dieser Pandemie gibt. Aber auch da ist es noch gar nicht abzusehen, wann die Impfung zu mir kommt. Ob es im Sommer so weit sein kann? Diese nebligen Aussichten können sich mir zusätzlich ganz schön auf die Seele legen und sie tun es auch.

Wie soll ich damit umgehen?

Das erste ist, sich zu sagen: So ist es jetzt. Jetzt ist die Zeit der Dunkelheit und des Nebels. Und es ist auch in mir so: neblig und dunkel. Und das macht auch meinem Glauben und meiner Hoffnung zu schaffen. Es kann auch sein, ich spüre Gottes Gegenwart nicht mehr. Beten fällt schwer. So ist mir auch die Gemeinschaft mit meinen Mitmenschen eher Last und ich kann mit meiner trüben Stimmung eine Last für die anderen sein. Also erst einmal sagen: So ist es jetzt. Und das wird mir jetzt richtig bewusst und ich mache es mir bewusst. Nicht nur außen ist es so auch in meinem Inneren ist es so.

Als zweites frage ich nach der Tönung dieses Dunkels. Hängt es vor allem mit der Jahreszeit und den Themen zusammen, die sie von selbst stellt und die dann auch öffentlich gestellt werden, nämlich Endlichkeit, Vergänglichkeit und Tod? Und wenn ich schon sechzig oder darüber bin auch die eigene Endlichkeit, die eigene Vergänglichkeit und das eigene Sterben. Dann hat dieses Dunkel auch sein Recht. Es darf sein. Und ich darf ich dieses Dunkle und diesen Nebel auch annehmen. Denn es gehört zum Leben und es will auch gelebt und angenommen sein. Das ist schwer und hart und von mir aus will ich es meist nicht so richtig sehen und bedenken und ins Gebet nehmen. Aber jetzt bringen es die Jahreszeit und die mit ihr verbundenen Gedenktage mit sich. Es ist richtig, darauf zu schauen und damit zu beten.

Für mich als glaubendem Menschen ist es leichter, mich dem zu stellen, weil der Tod zwar das Ende meines Lebens ist mit all dem Furchtbaren und Dunklen, aber er ist für den Glauben auch die Tür zum neuen Leben mit Gott. Und dann darf ich darauf schauen mit all den Texten und Zeugnissen, die es vom Glauben her dafür gibt. Und sie werden mir helfen.

Die Tönung dieses Dunkels kann auch eine andere sein. Also ein Dunkel, weil ich Gott gar nicht mehr spüre, und zwar aus eigener Schuld. Das geht also mir einem schlechten Gewissen einher. Ich kann mich selbst nicht leiden, weil ich den alten Fehler wieder gemacht habe, von dem ich schon lange weiß, wie traurig er mich macht. Und jetzt stecke ich wieder darin und bin voller Ekel gegenüber mir selbst und Verzweiflung, weil es immer wieder passiert. Und ich traue mich gar nicht ins Gebet, weil ich mich noch mehr schäme. Bei dieser Tönung meiner Dunkelheit gibt es nur eins: um Himmels willen wieder aufstehen, sich Gott zukehren und mit seinem Erbarmen und mit seiner Kraft neu anfangen. Richte dich auf und lass Dich aufrichten durch Gottes Liebe. Auf keinen Fall tiefer hineingehen in Selbsthass und Verzweiflung. Nein, sofort den ersten Schritt hinaus aus dieser Dunkelheit auf Gott und sein Licht hin tun. Sobald ich ihn gehe, steigen auch wieder Hoffnung und Kraft in mir auf.

Es kann auch eine dritte Tönung dieser Dunkelheit und dieses Nebels geben. Und das ist gewissermaßen eine, die mich herausfordert mit meinem Mut und meiner Kraft. So habe ich als Jugendlicher diese Zeit des Novemberdunkels gern als etwas Heroisches gesehen, das Helden braucht und auch Helden hervorbringt. Und das erleben wir ja gerade in dieser Corona-Zeit. Die Kämpferinnen und Alltagshelden. Also das Dunkel als Herausforderung zu sehen, nun gerade auch kämpferisch das Haupt zu heben. Oder als Aufforderung, es auch wieder hoffnungsvoll und licht werden zu lassen mit unseren Mitteln, durch persönlichen Einsatz. Und das tun wir ja auch. So viele Lichter werden gemacht in dieser Zeit auf unseren Straßen und das hat etwas sehr Schönes und Romantisches.

Foto: Thomas Gertler

Und dieses Mutige, Herausfordernde kann es auch geben, wenn es einmal mit dem Beten nicht so leicht ist. Ich kann es annehmen als eine Herausforderung von Gott her an meinen Mut und meine Durchhaltekraft. Auch wenn es jetzt nicht wie von selbst und leicht geht mit dem Beten, ich halte trotzdem durch und bleibe dabei. Es ist ein Zeichen für das Erwachsenwerden im Glauben und im Leben. Gott traut mir zu, schon das harte Brot des Erwachsenen zu kauen. Ja, ich bleibe dabei, auch wenn es einmal schwer ist, auch wenn es einmal keine neuen Einsichten und Tröstungen gibt. So kann so eine schwere Zeit auch ein Kompliment von Gott her sein: Ja, ich traue dir zu, dass du inzwischen tragfähig und stark geworden bist. Ja, das bist Du.

 

Sie dürfen in jedem Fall vertrauen: es wird wieder licht und hell, draußen und auch drinnen.

Das ist mein Wunsch für Sie zum zweiten Advent
Thomas Gertler SJ

2. Dezember 2020

Ein bewegendes Lieder für diese Zeit des Dunkels, für die Adventszeit ist das Lied von Jochen Klepper: „Die Nacht ist vorgedrungen…“ Hier können Sie es in einer modernen Fassung hören.

 

 

Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.

Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.

Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.

Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.

Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.

Jochen Klepper (+ 1942)