
Foto: Thomas Gertler
Fühlen wir uns nach einem erfrischenden, reinigenden und entspannenden Bad. Am besten in einer großen Badewanne. Das macht einem zwar sofort ein schlechtes ökologisches Gewissen, aber wie neu geboren fühle ich mich dennoch. Viel länger und umfassender ist das aber, wenn ich zum Beispiel eine Operation nach lebensbedrohender Krankheit überstanden habe. Ich habe es einmal erlebt, wie sich jemand nach einer gelungenen Organtransplantation so nachhaltig und umfassend erholt hat. Das war unglaublich. Fast so wie oben auf dem Bild nach einer rettenden Bluttransfusion.
Die Bibel nennt die Taufe eine solche Neugeburt. Und ich habe das auch schon erlebt, wie das bei einer Erwachsenentaufe so geschehen ist. Riesige Freude und alles neu. Das muss nicht immer so sein. Es kann auch sehr langsam gehen und mit Widerständen und Kämpfen gegen die inneren Dämonen. Bei den meisten Christen ist das aber kein erinnerbares Ereignis. Sie sind als kleine Kinder getauft worden und haben gar keine Erinnerung daran. Darum soll bei den Katholiken dann die Firmung eine bewusste und erwachsene Entscheidung für den Glauben sein. Und das geschieht auch manchmal. Und oft mit Freude und neuem Leben verbunden. Leider ist das eher selten, obwohl die Firmvorbereitung genau das erreichen will.
Dennoch gibt es auch unabhängig von Taufe und Firmung eine Neubekehrung und Neugeburt im Glauben und im Geist. Das durfte ich immer wieder erleben. Bei anderen und auch bei mir selbst. Oft passiert das im Zusammenhang mit heftigen Krisen. Es ist klar, dass jedes Leben irgendwann einen Bruch erfährt. Sei es durch eine Katastrophe wie einen Unfall oder eine Krankheit. Sei es durch eine schwere Schuld oder einen anderen inneren Zusammenbruch des bisherigen Lebens. Gern so zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Es kann sein, ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich komme an ein Ende aller bisherigen Überlebensstrategien. Ich sitze im Moor und kann mich nicht selbst herausziehen, sondern sinke immer weiter und tiefer. Ich bin verloren. Und gerade da kommt dann das Licht und der Durchbruch und das rettende Seil, an dem ich mich herausziehen kann. Oder besser: an dem Gott mich herauszieht.
Beides kommt oft zusammen bei solcher Bekehrungserfahrung: rettungslose Verlorenheit und erlösende Befreiung. Und dann die Kraft neuen Lebens und neuen Geistes. Und darum spricht man gern von einer zweiten Bekehrung oder einer Wiedergeburt im Glauben. Es gibt christliche Glaubensgemeinschaften, bei denen diese Neugeburt das Allerwichtigste überhaupt ist. Wer keine solche Neugeburt erlebt hat, ist da nur nominell Christ, in Wirklichkeit aber noch gar keiner.
Diese Auffassung kommt mit einer langen Geschichte daher. Sie reicht von den so genannten Puritanern, über die Großen Erweckungen bis zur Gegenwart der evangelikalen Glaubensrichtungen. Da kann manchmal bei sehr durchorganisierten Massenveranstaltungen der Eindruck entstehen, die Bekehrung oder die Neugeburt wäre machbar oder verursachbar durch eine systematische Erweckungspredigt, indem man bestimmte Schritte geht, die dann in der Übergabe des Lebens an Jesus gipfeln. Und dazu ruft dann der Prediger auf.
Es ist aber bei aller eigenen Vorbereitung, bei aller eigenen Sehnsucht und Hoffnung doch Gott, und zwar Gott allein, der die Umkehr und den Glauben schenkt und den Geist gibt, der uns neu macht und alles neu sehen und erfahren lässt. Das beginnt bei einem jeden von uns schon mit dem Ja Gottes bei der Entstehung des eigenen Lebens im ersten Augenblick. Das setzt sich fort in der Taufe und dann in der immer tiefer greifenden Annahme dieses göttlichen Jas im Laufe meines Lebens. Und da kann es tatsächlich so eine Erfahrung der Neugeburt geben und einen Durchbruch, ein Neuwerden im Geist, eine Befreiung und eine große und bleibende Freude. Wie schon gesagt, durfte ich das selbst schon so erleben und erfahren bei mir selbst und bei anderen. Gott sei Dank!
Sie haben es ja vielleicht auch schon erlebt. Erinnern Sie sich daran! Bauen Sie darauf, lassen Sie es nicht versanden durch das Vielerlei des Alltags oder die Enttäuschungen des eigenen oder kirchlichen Lebens. Es gibt ihn immer noch diesen belebenden Geist!
Es grüßt Sie herzlich mit österlicher Hoffnung
Thomas Gertler SJ
24. April 2023
Eine klassische Stelle für dieses Thema ist die Begegnung Jesu mit dem Schriftgelehrten Nikodemus im dritten Kapitel des Johannes-Evangeliums. Hier ins Bild gesetzt von Fritz von Ude. Und bei ihm schaut Nikodemus aus wie ein moderner Pastor, ein moderner Schriftgelehrter, der die Schrift zwar kennt, aber ihre Wahrheit noch nicht an sich selbst erfahren hat. Der aber zu Jesus kommt, um sie zu erfahren.
Johannes 3,1 - 17
Joh 3,1 Es war da einer von den Pharisäern namens Nikodemus, ein führender Mann unter den Juden. 2 Der suchte Jesus bei Nacht auf und sagte zu ihm: Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist. 3 Jesus antwortete ihm: Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.[Das griechische Wort „anothen“, das hier gebraucht wird, ist doppeldeutig und heißt sowohl „von oben“ wie „von Neuem“. So versteht es Nikodemus. TG] 4 Nikodemus entgegnete ihm: Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Kann er etwa in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und noch einmal geboren werden? 5 Jesus antwortete: Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. 6 Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. 7 Wundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von oben geboren werden. 8 Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist. 9 Nikodemus erwiderte ihm: Wie kann das geschehen? 10 Jesus antwortete: Du bist der Lehrer Israels und verstehst das nicht? 11 Amen, amen, ich sage dir: Was wir wissen, davon reden wir, und was wir gesehen haben, das bezeugen wir und doch nehmt ihr unser Zeugnis nicht an. 12 Wenn ich zu euch über irdische Dinge gesprochen habe und ihr nicht glaubt, wie werdet ihr glauben, wenn ich zu euch über himmlische Dinge spreche? 13 Und niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn. 14 Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, 15 damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat. 16 Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. 17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.