
Foto: Petr Novák, Wikipedia - CC BY-SA 2.5
Sicher haben Sie schon den Satz gehört: „Was würde Jesus dazu sagen?“ Ich habe immer einen leichten Widerstand gegen diesen Satz, denn es kommt dann meist etwas hoch Moralisches und Verpflichtendes und oft etwas sehr Zeitgebundenes heraus, das bei den einen so und dann bei anderen zu anderen Zeiten wieder ganz anders klingt. Also jetzt und hier nichts hoch Moralisches und Verpflichtendes. Aber doch etwas sehr Zeitgebundenes.
Mit meinem operierten Auge wird es jeden Tag besser (siehe letzten Impuls). Es ist aber noch längst nicht gut. Darum gibt es wieder nur einen kurzen Impuls. Und weil mich das ja jetzt so angeht, handelt er über das Auge und das Sehen, aber nicht nur über das Sehen sondern über alle fünf Sinne. Es gibt nämlich eine Übung beim heiligen Ignatius von Loyola im Exerzitienbuch, die ich mit Ihnen gern machen würde (Nr. 248): Wer im Gebrauch seiner Sinne Christus Unseren Herrn zum Vorbild nehmen will, der empfehle sich im Vorbereitungsgebet Seiner Göttlichen Majestät, und nach der Erwägung jedes Sinnes sage er ein Ave Maria oder ein Vater Unser…
Diese Übung empfehle ich Ihnen: Die Welt mit Jesu Augen sehen. Oder mit Ignatius sich im Gebrauch meiner Sinne Christus unseren Herrn zum Vorbild nehmen. Und so heute und morgen in die Stadt gehen und die Menschen sehen. Alle Gespräche und alle Musik mit Jesu Ohren hören. Es sind Augen und Ohren voller Liebe, voller Aufmerksamkeit, nicht vereinseitigt durch Abwehr, Verachtung, Gier, Neid, Angst, Aggression oder Vorurteil. So darf auch ich zu schauen und zu hören, zu riechen, zu schmecken und zu tasten und zu fühlen lernen, indem ich einmal diese Übung mache.
Es macht meine Sinne frei und gelöst, offen und erlöst.
Sie können sich jeden Tag einen anderen der fünf Sinne vornehmen und immer wieder versuchen, so sinnlich wahrzunehmen, wie es Jesus wohl getan haben könnte. Freilich wissen wir gar nicht, wie gut die Augen Jesu waren. Vielleicht hätte er auch eine Brille gebraucht. Oder wie gut Jesus gehört hat. Aber wenn wir lesen, wie ihn die Evangelien schildern, wissen wir, er hat die Menschen und die Verhältnisse voller Liebe und voller Mitleid angesehen: die Witwe, die ihren Sohn verloren hat (Lk 7,11ff). Den Mann, der wissen wollte, was er denn sonst noch tun solle (Mk 10,17-22). Auch den Aussätzigen, der ihn bat, ihn rein zu machen, sah er voller Mitleid an (Mk 1,40ff).
Jesus hat gesehen und gehört, gefühlt und geschmeckt mit Sinnen, die vom Geist Gottes geführt sind. Mit Sinnen, die mich zum Sinn von allem führen. Und solche Sinneserfahrung wünsche ich Ihnen.
Es grüßt Sie wieder herzlich und wünscht gesegnete, geisterfüllte Tage
Thomas Gertler SJ
07. Juni 2017
Im Brief an die Kolosser werden wir gemahnt, uns Christus zum Vorbild zu nehmen. Wie er geliebt und Erbarmen gezeigt hat, so sollen auch wir es tun. Mit allen Sinnen als ganze Menschen. Und dann und darum unschuldige Freude ausstrahlen wie diese beiden Kinder.

Foto: Faisal Bangla -CC BY-SA 4.0
Kol 3,8 - 15
3,8 Jetzt aber sollt ihr das alles ablegen: Zorn, Wut und Bosheit; auch Lästerungen und Zoten sollen nicht mehr über eure Lippen kommen. 9 Belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt 10 und seid zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen. 11 Wo das geschieht, gibt es nicht mehr Griechen oder Juden, Beschnittene oder Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie, sondern Christus ist alles und in allen. 12 Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! 13 Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. 15 In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar!