Wer wagt es,
sich den donnernden Zügen entgegenzustellen?

Foto: Thomas Gertler

Ja, wer kann so etwas wagen?! Das kann ja nur, wer viel stärker ist als die donnernden Züge, wer sie anhalten kann, ohne selbst dabei zerstört zu werden. Oder?

Muss man wirklich viel stärker sein, um sich ihnen entgegenzustellen? Welche Antwort gibt uns der geistreiche und humorvolle Dichter Erich Kästner?:

Wer wagt es,
sich den donnernden Zügen entgegenzustellen?
Die kleinen Blumen
zwischen den Eisenbahnschwellen!

Das hat wohl jeder schon gesehen, der am Bahnsteig gewartet hat. Die kleinen Blumen oben auf dem Bild sind im Augsburger Hauptbahnhof aufgenommen, kurz vor meiner Fahrt nach München. Die tapferen kleinen Blumen! Achten Sie einmal darauf! Im Frühling sind sie besonders tapfer und mutig.

Manchmal bin ich beim Mittagessen im Sternkloster in Augsburg nicht allein, sondern habe einen Gast, meist einen Überraschungsgast. Kürzlich habe ich dabei eine Frau aus Belgien kennengelernt. Innerhalb von fünf Minuten haben wir gemeinsame Bekannte gefunden. Ein Ehepaar in Erfurt, das wir beide kennen. Die Welt ist so klein. Die Dame erzählte mir, dass sie gerade eine Zeit von drei Monaten auf einem so genannten Mercy Ship, einem Schiff der Barmherzigkeit, mitgearbeitet hat, und zwar in einem Hafen von Madagaskar, und das mit über siebzig.

Mercy Ship“ habe ich da zum ersten Mal gehört. Sie kennen das schon? Oder nicht? Es ist eine weltumspannende Organisation, die seit 1978 existiert. Der Gründer Don Stephens hat erkannt, dass 85 % der Mega-Cities der Welt Hafenstädte sind, man kann dort mit einem Hospital-Schiff im Hafen liegen und den Menschen Hilfe leisten. Und das tut diese Organisation. Sie leistet Hilfe durch medizinische Operationen, Zahnbehandlungen, durch Bau- und Landwirtschaftsprojekte sowie Ausbildungsprogramme. So stellen sie sich dem ganzen Ozean an Not und Leid mit ihrem kleinen, großen Schiff entgegen. Das hier ist das aktuelle Schiff:

Foto: Mercy Ships - CC BY-SA 3.0

Die Helfer, die Ärzte, Krankenschwestern, Techniker, Experten aller Art, bezahlen ihre Unterkunft und Verpflegung auf dem Schiff selbst. So bleibt mehr für die Hilfe im Land übrig. Ein imponierendes Beispiel dafür, wie sich die kleinen Blumen zwischen den Eisenbahnschwellen den donnernden Zügen entgegenstellen. Vielleicht kennen Sie ja auch Beispiele dafür?

Es ist eine ganz klassische Erkenntnis, dass das Schwache das Starke besiegt, das Weiche das Harte, das Zarte das Grobe, die Einfalt die Raffinesse. Wie der weiche Wassertropfen den harten Stein aushöhlt. Wie der kleine David den Riesen Goliath besiegt. Wie die leichte Luft des Windes die schweren Mühlsteine der Windmühle bewegt. Ein kleines Licht den dunklen Raum erhellt. Die kleine Blume sich der donnernden Gewalt entgegenstellt.

Wagen auch Sie es, in Ihrem Lebensbereich so eine kleine Blume zu sein. Sie bringt Schönheit, Hilfe und Hoffnung. Und stellt sich den donnernden Zügen der Not, der Gleichgültigkeit und der egoistischen Gier entgegen und ist mit Gottes Hilfe zuletzt stärker als sie.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler

2. Mai 2018

 

Das Urbild in der Bibel sind für mich nicht nur David und Goliath oder das Pauluswort: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,10), sondern das ist die Brotvermehrung, bei der die Jünger fragen: „Was ist das für so viele?“ (Joh 6,9). Unser kleinen Brötchen und unsere kleinen Fische! Es gibt schon im Alten Testament beim Propheten Elischa eine ähnliche Geschichte, in der gefragt wird: „Wie kann ich das – diese paar Brotfladen und diese wenigen Körner – so vielen Menschen vorsetzen?“ Und auch da wird die Erfahrung gemacht – es ist zu wenig, es reicht nicht und dann siehe da, es reicht doch und hilft der großen Not. Mit Gottes Hilfe und Beistand reicht es dann doch. Hier ist die kurze Geschichte.

 

Foto: James Gordon - CC BY 2.0
Fladenbrot aus Syrien

 

2 Könige 4,42 - 44

4,42 Einmal kam ein Mann von Baal-Schalischa und brachte dem Gottesmann [Elischa] Brot von Erstlingsfrüchten, zwanzig Gerstenbrote, und frische Körner in einem Beutel. Elischa befahl seinem Diener: Gib es den Leuten zu essen! 43 Doch dieser sagte: Wie soll ich das hundert Männern vorsetzen? Elischa aber sagte: Gib es den Leuten zu essen! Denn so spricht der Herr: Man wird essen und noch übrig lassen. 44 Nun setzte er es ihnen vor; und sie aßen und ließen noch übrig, wie der Herr gesagt hatte.