Was mich froh macht.
Was mich traurig macht.

Ich muss endlich diesen Brief schreiben, aber ich habe gar keine Lust. Ich sollte mal wieder zum Friseur gehen, aber ich habe gar keine Lust. Ich muss endlich einen neuen Pass beantragen. Der alte ist schon drei Jahre abgelaufen. Aber ich habe gar keine Lust, zur Behörde zu gehen. Ich sollte auf keinen Fall dieses Stück Kuchen noch essen. Aber es schmeckt so wahnsinnig gut! Der Konflikt mit meinem Verwandten sollte endlich ausgeräumt werden. Wir müssen uns aussprechen. Aber ich kann ihm gar nicht in die Augen sehen. Immer weiche ich aus. Ich wollte längst eine Spende wegen des Erdbebens machen, aber immer mache ich was anderes.

Alles sehr unterschiedliche Situationen, die auch Ihnen vertraut sind. Und immer geht es ums Ausweichen, um die Trägheit, um die Unentschlossenheit, um das Aufschieben, um die Schwachheit und die Versuchung wie beim Kuchen. Und all das macht traurig 🙁 . Und das geht hinein bis in meine Körperhaltung. Ich schaue eher nach unten. Ich schaue dem anderen nicht in die Augen. Ich schaue mir selbst nicht in die Augen. Ich bin eher niedergedrückt. Ich bin eher gebeugt und nicht aufrecht. Ich bin eher schlapp und müde statt kraftvoll und wach.

Wie komme ich da raus? Wenn ich nämlich nicht da raus komme, dann verfestigt sich das. Dann wird es noch viel schlimmer. Dann gibt es eine Spirale nach unten. Dann komme ich womöglich an den Punkt, wo ich sage: „Jetzt ist es auch egal. Jetzt esse ich das Stück noch. Jetzt trinke ich das Glas noch. Jetzt spiele ich das Spiel noch. Jetzt gucke ich den Clip noch.“ Und wenn ich das tue, dann geht es mir immer schlechter und schlimmer. Also bitte, bitte, eins nicht tun: der Abwärtsspirale folgen.

Nein, sondern anhalten. Unbedingt anhalten. Halt machen. Stoppen. Der Dynamik nicht weiter folgen. Und das tue ich meist im Gebet. Die Gebetszeit hilft mir. Das Gebet ist die Unterbrechung. Das Gebet ist der Haltepunkt. Das Gebet ist die Bremse. Sehr gut. Ich harre erst einmal aus. Ich folge nicht weiter der Trägheit, der Ohnmacht, der Unlust oder der verführerischen Lust. Ich bleibe mal in der Leere. Ich bleibe in meiner Gebetsecke. Auf meinem Stuhl. In der Zelle. In der Kapelle. Wo auch immer. Ich bleibe da und warte. Und ich bete und bitte: Herr, richte mich auf! Herr gib mir Kraft. Gib mir die Kraft zum nächsten Schritt. Zum nächsten Schritt hinaus. Und das bete ich so lange, bis ich es auch körperlich spüre. Bis ich mich aufrichte. Bis mein Blick nach oben, zum Herrn hinauf geht. Bis meine Schultern sich straffen. Bis ich mich auftue. Bis ich mich öffne. Bis mein Brustkorb sich weitet und ich atme. Tief atme.

Dann stehe ich auf. Es geht gar nicht anders. Ich stehe auf. Richte den Blick nach oben. Strecke die Arme aus. Und mache den Schritt. Am besten jetzt gleich leibhaftig, körperlich. Ein Schritt nach vorn. Und dann fange ich an und schreibe den Brief. Rufe meinen Verwandten an. Schaue nach den Öffnungszeiten der Behörde. Bringe den Kuchen zur Nachbarin. Überweise das Geld. Vielleicht nicht alles auf einmal, sondern das Wichtigste und Dinglichste zuerst.

Und dann wenn Sie den Schritt tun und einleiten, dann kommt Ihnen ein Lächeln auf die Lippen. Smiley 🙂 ist wieder da. Willkommen und Hurra! Folgen Sie jetzt in der Fastenzeit der Freude und nicht der Traurigkeit!

Alle die Beispiele stimmen nicht für jede und jeden. Ihre Versuchbakeit und damit Ihr Weg zur Traurigkeit und zur Freude hängt immer mit der Grunddynamik und den damit verbundenen Fallen in Ihrem Leben zusammen. Und das ist unterschiedlich ob Lust – Unlust oder Macht – Ohnmacht oder Nähe – Distanz oder Ordnung – Chaos Ihre Grunddynamik ausmachen. Da sind immer andere Versuchungen und Wege zu Traurigkeit oder Freude angesagt. Heute habe ich vor allem die Dynamik von Lust – Unlust geschildert.

Eine guten weiteren Weg durch die Fastenzeit wünsche ich Ihnen
Thomas Gertler SJ

1. März 2023

Bei der Geschichte von Kain und Abel sind viele Themen angeschnitten. Die Hauptfrage ist die, die offen bleibt: Waraum sieht Gott auf Abels Opfer und nicht auf das von Kain? Das bleibt offen und soll auch offen bleiben. Es ist das Geheimnis von Gottes Souveränität und Freiheit. Aber ich habe diese Geschichte ausgewählt, weil in dieser uralten Geschichte die leibliche Seite des Bösen so klar geschildert ist: Das Aufsteigen der Wut, der niedergehende Blick. Dem soll Kain nicht folgen, sondern er soll sich wieder aufrichten und den Blick auf Gott und seinen Bruder richten. Damit ist der Konflikt nicht vorbei, aber es ist ein heilender Weg eröffnet. Und auch wenn Kain schlimmerweise dem nicht folgt, Gott hütet ihn dennoch. Auf dem Bild sieht man sehr gut den niedergehenden und neidischen Blick Kains.

Genesis 4,1 - 16

1 Der Mensch erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain. Da sagte sie: Ich habe einen Mann vom HERRN erworben. 2 Sie gebar ein zweites Mal, nämlich Abel, seinen Bruder. Abel wurde Schafhirt und Kain Ackerbauer. 3 Nach einiger Zeit brachte Kain dem HERRN eine Gabe von den Früchten des Erdbodens dar; 4 auch Abel brachte eine dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der HERR schaute auf Abel und seine Gabe, 5 aber auf Kain und seine Gabe schaute er nicht. Da überlief es Kain ganz heiß und sein Blick senkte sich. 6 Der HERR sprach zu Kain: Warum überläuft es dich heiß und warum senkt sich dein Blick? 7 Ist es nicht so: Wenn du gut handelst, darfst du aufblicken; wenn du nicht gut handelst, lauert an der Tür die Sünde. Sie hat Verlangen nach dir, doch du sollst über sie herrschen. 8 Da redete Kain mit Abel, seinem Bruder. Als sie auf dem Feld waren, erhob sich Kain gegen Abel, seinen Bruder, und tötete ihn. 9 Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist Abel, dein Bruder? Er entgegnete: Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders? 10 Der HERR sprach: Was hast du getan? Das Blut deines Bruders erhebt seine Stimme und schreit zu mir vom Erdboden. 11 So bist du jetzt verflucht, verbannt vom Erdboden, der seinen Mund aufgesperrt hat, um aus deiner Hand das Blut deines Bruders aufzunehmen. 12 Wenn du den Erdboden bearbeitest, wird er dir keinen Ertrag mehr bringen. Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein. 13 Kain antwortete dem HERRN: Zu groß ist meine Schuld, als dass ich sie tragen könnte. 14 Siehe, du hast mich heute vom Erdboden vertrieben und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen; rastlos und ruhelos werde ich auf der Erde sein und jeder, der mich findet, wird mich töten. 15 Der HERR aber sprach zu ihm: Darum soll jeder, der Kain tötet, siebenfacher Rache verfallen. Darauf machte der HERR dem Kain ein Zeichen, damit ihn keiner erschlage, der ihn finde. 16 So zog Kain fort, weg vom HERRN und ließ sich im Land Nod nieder, östlich von Eden.