Was macht dich wütend?

Foto: Thomas Gertler

Nein, diesmal hing es nicht am Augsburger Holbeinplatz, sondern nur ein paar Schritte entfernt am Geländer des mittleren Lech, und das sicher vom selben Autor oder derselben Autorin angebracht wie die Pappe mit: „Was macht dich glücklich?“ Nur löst die heutige Frage natürlich nicht so angenehme Gefühle aus. An die eigene Wut erinnert zu werden, ist unangenehm. Aber es kann wiederum entlastend sein, da etwas hin zu schreiben. Und so haben viele etwas dahingeschrieben.

Früher habe ich gedacht, als Christ darf man nicht wütend sein. Und ich habe viel Kraft damit verbraucht, meine Wut wegzudrücken. Das ging auch immer ganz gut, nur wenn ich abends im Bett lag, ging es dann los. Ich erinnerte mich an die spöttische und herabsetzende Bemerkung oder den Streit über irgendwas und dann habe ich statt zu schlafen innerlich diskutiert und weiter gestritten.

Nein, die Wut selber ist nicht unchristlich, vielmehr ist sie eine unwillkürliche Reaktion auf ein Ereignis, ein Wort, eine Erfahrung. Unwillkürlich heißt nicht von meinem Willen direkt zu steuern. Die Wut steigt einfach auf und zeigt mir an, dass da jemand in meinem seelischen Vorgarten herumtrampelt und etliches kaputt macht. Die Wut selber ist nicht unchristlich oder böse. Sie ist eine wichtige Reaktion und es ist gut, dass wir sie haben. Unchristlich oder böse kann sein, was ich dann mit der Kraft und Energie mache, die die Wut in mir frei setzt. Ob ich brülle oder gar schlage, ob ich unfair reagiere, ob ich mich räche. Oder ob ich darüber nachdenke, wie ich auf gute Weise erreiche, dass das Trampeltier nicht mehr Schaden in mir und anderen anrichtet. Und das kann sehr hilfreich und gut und wichtig sein.

Also Wut kann auch sehr Gutes erreichen, wenn ich es richtig anstelle.

Stellen Sie sich vor, dieses Wort von Luther über ihn selbst habe ich gefunden und das hat mich den ganzen Mann besser verstehen lassen: Ich habe kein besseres Hilfsmittel als den Zorn. Wenn ich gut schreiben, beten und predigen will, so muss ich zornig sein. Dann erfrischt sich mein ganzes Blut, mein Geist wird geschärft, und alle Gedanken der Lustlosigkeit und alle Anfechtungen weichen. (Tischreden 2, 455,36 – 456,2 Nr. 2410b). Da haben wir also die große Kraftquelle seines ungeheuren Werkes. Und er hat Gutes (aber leider auch Schlechtes) damit angerichtet.

Gutes, weil er tatsächlich viele Missstände angeprangert hat, weil er Mut zur Konfrontation hatte und nicht einfach nachgegeben und klein bei gegeben hat. Schlimmes, weil er in vielem total überzogen hat, sei es, dass er den Papst als Antichrist beschimpft, sei es, weil er gegen die Juden gehetzt hat.

Ich kenne einige Menschen, deren Hauptenergiequelle die Wut ist und einige davon kommen gut damit zurecht und erreichen viel, andere haben es sehr schwer damit und können sich selbst wegen ihrer Veranlagung nicht annehmen.

Welches ist Ihre Kraft- und Energiequelle? Wie gehen Sie mit Ihrer Wut um?

Es lohnt sich, darüber zu meditieren.

Viele Grüße
Thomas Gertler SJ

5. Juli 2017

 

Dass auch Jesus wütend werden konnte, dass ihn heiliger Zorn gepackt hat, das kennen wir vor allem aus der Tempelreinigung. Aber er konnte auch sehr scharf zu seinen Jüngern werden. Zum Beispiel hat er Petrus einmal als Satan bezeichnet (Mt 16,23). Aber auch die Pharisäer haben oft seinen Zorn aushalten müssen.

 

Mk 11, 15 - 18

11,15 Dann kamen sie nach Jerusalem. Jesus ging in den Tempel und begann, die Händler und Käufer aus dem Tempel hinauszutreiben; er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler um 16 und ließ nicht zu, dass jemand irgendetwas durch den Tempelbezirk trug. 17 Er belehrte sie und sagte: Heißt es nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker sein? Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht. 18 Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hörten davon und suchten nach einer Möglichkeit, ihn umzubringen. Denn sie fürchteten ihn, weil alle Leute von seiner Lehre sehr beeindruckt waren.