
Foto: Rüdiger Wölk - CC BY-SA 2.5
Warten ist selten schön, manchmal doch. Warten ist schwer – gerade in unserer sehr ungeduldigen Zeit, wo alles immer und sofort zugänglich sein muss – und wir müssen oft und manchmal lange warten. Sehr viele Wartezeiten sind kurz und dafür sehr häufig. Wie oft erscheint bei der Arbeit am PC das Zeichen mit der Sanduhr: . Oder ich denke an die Werbeunterbrechungen beim Film. Oder zwischendurch beim Online-Spiel. Oder an die kurzen, aber häufigen Wartezeiten an der Ampel oder an der Kasse. Immer wieder Warten. Schwieriger schon das Warten im ärztlichen Wartezimmer oder den riesigen Wartehallen auf dem Flughafen oder am Bahnhof. Warten beim Friseur. Warten im Restaurant.
Nochmal anders Warten auf die Ankunft eines Freundes, mit dem man verabredet ist. Warten, dass ein Paket ankommt. Warten als Kind auf den Nikolaus oder auf das Christkind oder den Geburtstag. Unglaublich, wie lange dann ein paar Stunden sein können. Oder wie es in einem alten Gedicht von Erich Mühsam (1878-1934) beschrieben wird, warten auf die große Liebe (wo damals „Weib“ noch nicht als Schimpfwort galt):
Es stand ein Mann am Siegestor,
der an ein Weib sein Herz verlor.
Schaut sich nach ihr die Augen aus,
in Händen einen Blumenstrauß.
Zwar ist dies nichts Besunderes.
Ich aber - ich bewunder es.
Warten hier als Er-Warten, als Hoffen und Sehnen. Anders als das ängstliche, sorgenvolle, schmerzliche Warten beim Arzt. Oder als leere, langweilige Zeit oder gar ärgerliche Zeitverschwendung wie bei der allgegenwärtigen Reklame. Da bezahlen wir die kostenlosen digitalen Angebote durch unsere wertvolle Zeit.
Warten ist am Beginn des Christentums geradezu die Weise des Daseins überhaupt, nämlich das sehnsuchtsvolle Warten auf die baldige Wiederkunft Christi vom Himmel her, wo dann alles gut wird. Dieses Warten zieht sich und zieht sich. Immer längeres Warten, das dann mehr oder weniger aufgegeben wird. Die Christen (wie die 10 Jungfrauen in Mt 25,1-13) schlafen ein. Sie erwarten nichts mehr. Nur manche bleiben wach, offen und bereit.
Heute gibt es einige Sekten, die so eine nahe Erwartung haben, die aber auch immer wieder enttäuscht wird. Der schon so oft errechnete Weltuntergang tritt nicht ein. Es ist also bis heute die Frage: Kommt Christus oder nicht? Antwort: Er ist schon da und auch das Reich Gottes hat bereits begonnen und breitet sich aus, aber wann es sich vollenden wird, weiß niemand außer Gott selbst (vgl. Mt 24,34). Es bleibt also die berechtigte Sehnsucht.
Wie gehen wir christlich mit dem Warten um? Da ist einmal das viele kleine Warten. Das lädt uns ein zum so genannten Stoßgebet, zum „Herr, erbarme dich“, „Jesus, ich bitte dich!“, „Christus, ich danke dir!“, „Herr, gib mir Geduld!“ „Herr Jesus, lass alles gut werden!“ Gerade dieses letzte bete ich gern und oft.
Das große Warten, das sehnsuchtsvolle Warten. Das Warten, dass doch noch etwas kommt, gegenüber der Gefahr des Müde Werdens und Einschlafens. Das ist ein ständiger Kampf und kann nur bestanden werden, wenn ich mich täglich im Gebet nach Gott ausstrecke und die Zeit aushalte. Und wenn ich tätig bleibe in der Liebe. Wenn ich versuche, die Sehnsucht und den Himmel offen zu halten und die Liebe nicht erkalten zu lassen. Denn nicht das Schlimmste, sondern das Beste kommt noch und erwartet uns.
In dieser Hoffnung grüße ich Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
16. November 2022
Die Bereitschaft, aufzubrechen in das gelobte Land, reicht von Abraham und dem Passa-Abend in Ägypten vor dem Auszug bis hin zu den Worten Jesu hier beim Evangelisten Lukas. Und die Bereitschaft zeigt sich darin, dass man gegürtet ist, also dass man das lange Gewand hoch gebunden hat, so dass man frei ausschreiten kann und dass die Lampen brennen, um auch nachts noch loszugehen mit dem Herrn.

Foto: Arne Hückelheim - CC BY-SA 3.0
Lukas 12,35 - 38
12,35 Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen! 36 Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft! 37 Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen. 38 Und kommt er erst in der zweiten oder dritten Nachtwache und findet sie wach - selig sind sie.