
Foto: Thomas Gertler
Fastenzeit ist Versuchungszeit. Weil wir uns vornehmen zu fasten, sei es bei Süßigkeiten, sei es bei Handy-Nutzung, sei es bei Fernseh-Konsum, darum sind die Versuchungen bsonders stark. Nie hat man solchen Heißhunger wie an dem Tag, wo man mal richtig fasten will. Die Verlockung ist besonders stark. Das führt von selbst dazu, über die eigene Versuchbarkeit und über Versuchung überhaupt nachzudenken. Besuchen wir also einmal wieder die “Versuch-Bar”.
Durch ein kleines Gedicht wurde ich darauf aufmerksam, dass man Versuchung einmal anders anschauen könnte, nämlich Versuchung und Verirrung einmal als etwas Ähnliches zu betrachten. Wir schauen ja bei Versuchung vor allem auf das Verlockende, Anziehende, auf “die süßeste Versuchung seit es Schokolade” oder sonstwas gibt. Da geht es um das Kosten und Probieren, sei es für den Gaumen oder für die Augen.
Wenn ich aber auf Versuchung schaue als Suche, bei der ich falsch gesucht habe, mich nämlich ver-sucht habe, wie ich mich schon manchmal ver-laufen oder ver-irrt habe, da bekomme ich eine ganz andere Seite in den Blick. Suchen, aber an der falschen Stelle. Suchen, wo man nichts findet. Suchen, wo man das Falsche findet. Ich hatte eine Versuchung, heißt dann so viel wie, ich habe falsch gesucht. Ich habe auf falsche Weise gesucht.
Die Suche ist richtig. Das Suchen ist richtig, ja, vielleicht notwendig. Nur der Ort ist falsch. Darum sollte ich mich bei der Versuchung immer folgendes fragen: Was macht mich an? Was reizt mich? Und was warnt mich zugleich? Denn bei einer Versuchung spüre ich auch oft gleich die Gefahr mit. Es kann auch schief gehen. Es kann auch ganz schlecht sein. Die Schwarzwälder Kirschtorte sieht so toll aus. Sie lädt mich ein, und zwar heftigst. Zugleich weiß ich aber: die sollte ich auf keinen Fall essen. Ja, ich höre förmlich die warnenden Stimmen. Lass es! Du bereust es. Iss es nicht!
Also bei der Versuchung nicht sofort nachgeben, sondern kurz abwarten – Impulskontrolle nennt man das. Aber dann die Frage stellen: was bei dieser Fehlsuche oder Versuchung ist denn die Sehnsucht? Das ist ja das tiefere: die Sehnsucht. Eben das Suchen des Menschen überhaupt. “Alles beginnt mit der Sehnsucht” (Nelly Sachs).
Was ist die Sehnsucht? Die Süße von Sahne und Kirschen? Oder vielmehr: Getröstet zu werden? Essen tröstet ja. Etwas sehr Schönes genießen zu können, das tröstet ungemein. Aber der Trost muss ja nicht das Essen sein. Vielleicht ist es ja viel eher das Zusammensein, das so sehr zum guten Essen dazu gehört. Vielleicht ist das ja viel wichtiger als die pappsüße Torte. Was ist die Sehnsucht in der Versuchung? Wieder das Thema Suche. Falsche Suche – Versuchung. Richtige Suche – Sehnsucht.
Wenn ich die Sehnsucht in meiner Versuchung verstehe, dann suche ich womöglich ganz woanders. Wenn es die Gemeinschaft ist, dann greife ich an dieser Stelle vielleicht zum Telefon und verabrede mich. Oder ich quatsche mal wieder eine Stunde am Handy mit meinem alten Freund, mit meiner alten Freundin. Ja, das tröstet mich. Ja, das gibt mir wieder gute Laune. Die gierig verzehrte Torte aber macht mich wütend auf mich selbst und dann auch auf die anderen. Die müssen dann mit leiden daran, dass ich am falschen Ort gesucht habe. Dass ich mich verlaufen habe, dass ich mich vergangen habe.
Es kann auch etwas anderes sein, wonach ich mich sehne. Es ist wichtig, dass die Sehnsucht nicht stirbt, genau wie die Hoffnung. Wenn beide nicht mehr zu spüren sind, dann bin ich ganz auf mich selbst zurückgeworfen, ein Häuflein Elend. Die Sehnsucht aber zeigt mir an, wo ich suchen soll. Die Hoffnung gibt mir die Kraft, dass ich finde.
Das soll genügen für diesmal. Es ist genug Stoff zum Nachdenken und Durchbeten da.
Und die Versuchung Jesu (siehe unten) zeigt uns, wie es das kleine Gedicht sagt, wo wir nicht suchen und was wir nicht tun sollten. Lesen Sie die dann folgende Schriftstelle mit diesem kleinen Gedicht als Schlüssel:
“das Nahrhafte
bei toten Steinen suchen
den tiefen Fall
als Show inszenieren
Gebet missbrauchen
zur Machtentfaltung”
(Rica E. Friedberg)
Es grüßt sie herzlich
Thomas Gertler SJ
15. März 2023
Was Rica E. Friedberg nur in Stichworten benannt hat und zugleich in unsere Zeit überträgt, wird beim Evangelisten Matthäus ausgefaltet in drei Veruchungen. Das Bild zeigt sehr ergreifend Jesus in der Versuchung.
Matthäus 4,1 - 11
1 Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel versucht werden. 2 Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. 3 Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. 4 Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. 5 Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel 6 und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, / und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, / damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. 7 Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. 8 Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht 9 und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. 10 Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen. 11 Darauf ließ der Teufel von ihm ab und siehe, es kamen Engel und dienten ihm.