Verantwortung und Verbindlichkeit

Freiwillige der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft
Foto: qwesy qwesy - CC BY 3.0

 

Die Europawahl steht bevor. Überall hängen schon Plakate. Und es werden Wahlhelfer gesucht. Haben Sie sich schon einmal dazu einladen lassen? Ich habe öfter erlebt, dass ich im Wahllokal gute Bekannte aus der Pfarrgemeinde als Helferinnen und Helfer getroffen habe. Das fand ich gut. Selber habe ich noch nicht mitgeholfen, weil ich so häufig unterwegs bin und meist - wie auch diesmal - per Brief wählen muss. Haben Sie es vor zwei Wochen gehört oder gelesen? In Indonesien sind bei der letzten Wahl am 17. April mehrere hundert Wahlhelfer an Erschöpfung gestorben. So sehr haben sie sich eingesetzt. Und die Auszählung ist immer noch nicht beendet. Nun, beides wird hier wohl kaum passieren. Warum also nicht mal mitmachen?

Als ich mit meinem Schulterbruch im Krankenhaus lag, kam schon am zweiten Tag eine Dame in Grün zu Besuch. Im Klinikum kommen sie regelmäßig zu den Kranken und bieten Hilfe an: ob man etwas braucht, was man besorgen kann, was fehlt. Um alles das kümmern sie sich. Aber es ist auch die frohe Botschaft an den Patienten: Du bist nicht allein gelassen. Das ist eine echte Hilfe, für die sich diese Personen in Grün in Dienst nehmen lassen. Und auch ich war sehr dankbar, dass ich nun eine Zahnbürste und auch Creme hatte. War ich doch von der Straße weg im Krankenzimmer gelandet.

Unsere Gesellschaft lebt von solchen Menschen, die von sich aus Verantwortung übernehmen und Verbindlichkeiten wahrnehmen. Aber es ist heute eher schick, unverbindlich zu bleiben. Sich nicht zu binden, lieber keine Verantwortung zu übernehmen, sondern es anderen zu überlassen. Und das gilt sehr umfassend. In der Familie fängt es an: Müll runterschaffen, leere Tonnen wieder zurück stellen, mit dem Hund rausgehen – regelmäßig, Zeitung aufräumen. Wir alle kennen es. Und in der Schule geht es weiter. Aber dann gibt es auch wieder Schülerinnen und Schüler, die dem Beispiel von Greta Thunberg folgen und um der Zukunft willen auf die Straße gehen und Verantwortung leben und einfordern – von sich und von den Erwachsenen. Und wie sehr würde ich solche Verantwortungsübernahme den Chefs unserer Autoindustrie wünschen.

Wie viele Eheleute pflegen ihren kranken Partner und gehen dabei bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und zuweilen darüber. Wie viele andere aber schieben die alten Eltern ab und kümmern sich gar nicht. Verantwortung kann sehr schwer sein und verbindlich leben, kann mich ganz real ans Haus binden und sehr viel an Freiheit und Ungebundenheit kosten. Aber es kann mich auch reifen lassen und in die konkrete Liebe führen. Ohne Verbindlichkeit gibt es nämlich keine Verbundenheit untereinander. Ob die große Einsamkeit in unserer Gesellschaft nicht da ihren Grund hat? Wer Verbindlichkeit scheut, wird in Einsamkeit enden.

Da ist die nächste Ostergeschichte bei Johannes, die ich Ihnen bringen möchte und die genau das erzählt und die das erlösende Wort diesmal zu Petrus sagt. Ein erlösendes Wort, das uns vielleicht erschrecken lässt. Petrus muss von Jesus lernen, verbindlich zu sein, sich selbst binden zu lassen wie Jesus, ja, sich wie Jesus sogar aufs Kreuz legen und annageln zu lassen. Aber für Petrus ist es das Wort, das für ihn die Osterbotschaft bedeutet – bei aller Härte. Du mein lieber Petrus musst lernen, verbindlich zu leben und dich binden zu lassen. Das wird dich frei machen und dich in die größte Gemeinschaft mit mir bringen, in die tiefste Verbundenheit mit mir. So sollen wir es hören – an Petrus und an uns.

Verbindlichkeit leben und Verantwortung übernehmen ist daher österliche Grundhaltung des glaubenden Menschen. Jesus lädt uns dazu ein.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler

8. Mai 2019

Es gibt eine Legende, die setzt das unten wiedergegebene Gespräch Jesu mit Petrus am See fort und bezieht sich auf folgende Stelle im Evangelium: Simon Petrus sagte zu ihm: „Herr, wohin willst du gehen?“ Jesus antwortete: „Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen.“ (Joh 13,36) In den apokryphen Petrusakten wird nämlich die Geschichte erzählt, dass Petrus aus Rom fliehen will wegen der Christenverfolgung. Da kommt ihm Jesus entgegen und ist auf dem Weg in die Stadt. Petrus fragtihn: Domine, quo vadis?(„Wohin gehst du, Herr?“), und erhielt zur Antwort: „Romam venio iterum crucifigi“(„Nach Rom, um mich erneut kreuzigen zu lassen“). Daraufhin kehrte Petrus um, wurde in Rom gefangen genommen und gekreuzigt. Auf diese Legende bezieht sich dieses Bild:

Zeichnung von Jacopo Vignali (1592-1664): Domine, quo vadis?

Joh 21,15 - 19

21,15 Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Lämmer! 16 Zum zweiten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe! 17 Zum dritten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum dritten Mal gefragt hatte: Liebst du mich? Er gab ihm zur Antwort: Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe! 18 Amen, amen, ich sage dir: Als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet und gingst, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst. 19 Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach!