Unterscheidung der Geister: aus Traurigkeit zur Freude (I)

 

Im letzten Impuls hatte ich geschrieben, dass die Regeln zur Unterscheidung der Geister hilfreich sind in einer Krise. Aufgestellt hat diese Regeln der hl. Ignatius von Loyola (*1491 +1556). Sie finden sich in seinem Exerzitienbuch (Nr. 313-336). Das ist ein Übungsbuch für geistliche Übungen, geschrieben nicht zum Lesen, sondern zum Üben und nicht für den, der die Übungen macht, sondern für den, der sie anleitet.

Die Regeln sind aus den Erfahrungen seiner eigenen Krise und auch aus der spirituellen Tradition erwachsen. Was war seine Krise? Ignatius war 30 Jahre und aus baskischem Adel. Ein richtiger spanischer Macho. Stolz. Eitel. Ehrgeizig. Streitlustig. Er war dabei Karriere zu machen als Offizier, Mann des Hofes und Diplomat. Die wurde 1521 durch eine Kanonenkugel zerschmettert, die sein Bein traf beim Kampf um die Festung Pamplona. Er lag auf Leben und Tod auf seinem Heimatschloss. Langsam erholte er sich wieder. Er hatte viel Zeit zum Nachdenken und Träumen, wie es denn nun weiter gehen sollte.

Gern hätte er Ritterromane gelesen, um sich die Zeit zu vertreiben. Die gab es nicht auf seinem Schloss. Es gab nur ein dickes Buch mit Heiligengeschichten und ein Buch mit dem Leben Jesu. Also las er darin. Und dachte darüber nach und träumte vom Leben der Heiligen. Aber er träumte auch davon, seine Karriere fortzusetzen und sich einen großen Namen zu machen und die Welt zu erobern, wie es ja damals die Spanier und Portugiesen taten.

Bei diesen Träumereien machte er folgende Erfahrung: "Es gab jedoch diesen Unterschied: Wann er an das von der Welt dachte, vergnügte er sich sehr. Doch wann er dann aus Ermüdung davon abließ, fand er sich trocken und unzufrieden. Und wann er daran dachte, barfuß nach Jerusalem zu gehen und nur Kräuter zu essen und alle übrigen Strengheiten auszuführen, von denen er las, dass die Heiligen sie ausgeführt hatten, war er nicht nur getröstet, während er bei diesen Gedanken war, sondern blieb auch, nachdem er davon abgelassen hatte zufrieden und froh. Doch achtete er nicht darauf und verweilte nicht dabei, diesen Unterschied zu wägen, bis sich ihm einmal ein wenig die Augen öffneten und er begann, sich über diese Verschiedenheit zu wundern und über sie nachzudenken, da er durch Erfahrung erfasste, dass er von den einen Gedanken traurig blieb und von den anderen froh. ... Dies war die erste Überlegung, die er in den Dingen Gottes anstellte. Und danach, als er die Übungen (Exerzitien) verfasste, begann er von hieraus Licht für die Frage der Verschiedenheit der Geister zu gewinnen" (Pilgerbericht Nr. 8, Übersetzung P. Knauer).

Haben Sie auch schon diese Erfahrung gemacht, dass Sie von den einen Gedanken oder Lebensträumen nachhaltig froh wurden, von anderen auf die Dauer traurig oder unfroh? Folgen Sie auf jeden Fall der Freude wie damals Ignatius und nicht der Traurigkeit! Das ist der Weg Gottes! Dazu muss nun noch etwas gesagt werden. Dass Ignatius diese Beobachtung machen konnte, hing damit zusammen, dass auf seinem Schloss während der Rekonvaleszenz Langeweile und äußere Reizlosigkeit herrschte. Erst wenn bei uns einmal alle Geräte abgeschaltet sind, beginnt unser Inneres zu sprechen und wir können auf die innere Stimme hören. Kurz gesagt: Meditation, Rückzug und Gebet sind wichtig, um in der Krise den Weg zur Freude zu finden.

Wir sehnen uns oft nach Ruhe und Stille, aber wir meiden sie. Warum? Weil ich weiß, in dieser Stille und Langeweile kommt alles in mir hoch, was ich sonst verdränge und mit dem Lärm und der Informationsfülle aus Handy und PC zudecke. Darum meiden wir die Stille und den Rückzug. Aber anderseits ist es gerade das, was in der Krise nötig ist: auf das schauen, was ich gern verdränge, nicht von mir wissen will, was mir innerlich Beschwer macht. Denn in dieser Richtung liegt auch die (unangenehme) tiefere Wahrheit, die (schwer zu erringende) größere Freiheit, die (aus dem Äußerlichen ins Innere führende) bessere Zentrierung. Das ist der Weg zur Freude.

Noch eins zu dem, was hier mit Freude gemeint ist. Sie darf nämlich nicht mit Lust, dem bloß Angenehmen oder dem Vergnügen verwechselt werden! Freude empfindet der Mensch, wenn er sich überwindet – endlich den schweren Brief schreibt – endlich wieder Joggen geht. Oder wenn er etwas wagt – auf die Pilgerreise geht, ins nicht völlig Abgesicherte. Wenn ich mich selbst verlasse, aus mir herausgehe, z. B. in das Malen, Zeichnen oder Klavierspielen (siehe Bild) und ganz eins damit werde, Raum und Zeit, mich selbst vergesse. Oder eben aus mir herausgehe und Vertrauen und Glauben wage (dem Nächsten oder Gott gegenüber), und ich Antwort in Liebe und Annahme finde.

Wann waren Sie zuletzt so richtig von Herzen froh, haben aufgeatmet und waren glücklich? Da ist Ihnen Gott begegnet, auch wenn Sie es vielleicht gar nicht wussten.

Denn Gott führt uns in die Freude und damit über unsere eigene Enge hinaus ins Weite und ins Große.

Viele Grüße
Thomas Gertler SJ

27. November 2019

 

Der Brief des heiligen Paulus an die Gemeinde in Philippi ist von großer Freude erfüllt. Man merkt dem ganzen Brief die Begeisterung für Jesus, für seine geliebte Gemeinde in Philippi, auch in der Bedrängnis und im Gefängnis ist Paulus voller Freude, weil der den Glauben, die Freiheit des Evangeliums und neue Gemeinschaft gefunden hat. Alles ist neu und hoffnungsvoll, auch wenn es oft nicht leicht ist. Zu solcher Freude will uns Gott führen.

Lächelnder Christus (Copyright: jesuiten.at) in der Heimaltkapelle des hl. Franz Xaver

 

Philister 4,4 - 8

Phil 4,4 Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! 5 Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. 6 Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! 7 Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.
8 Schließlich, Brüder (und Schwestern): Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht!