
Foto: PiccoloNamek - CC BY-SA 3.0
Zuweilen berührt mich ein Satz und sagt etwas Überraschendes. So ein Satz ist mir jetzt in der Morgenandacht des Deutschlandfunks begegnet. Er stammt vom Generaldirektor der europäischen Raumfahrtbehörde ESA Jan Wörner: „Im Deutschen benützen wir das Wort „Himmel“, aber da drüber, sagen wir, ist das Weltall, das All! Wenn wir noch einen Schritt weitergehen, jenseits des Alls, dann kommen wir nach Über-All. Und da ist Gott. Gott ist ‚überall‘“.
Ja, das war überraschend für mich. Über dem Weltall - da ist das Über-All. Das, was über Alles, über das Weltall nochmal hinaus ist und es umfängt. Das was das Universum noch einmal umfasst und noch universaler ist als das Universum und das ist dieses über Alles hinaus, dieses mehr als Alles. Ein Bereich, der gar nicht mehr einfach Teil dieses Alles ist, sondern etwas anders, etwas ganz anderes ist, zu dem wir aber gehören als Bewohner dieses Weltalls.
Und das Überraschende ist dieses Umkippen von Über-All, als das was über das All hinaus geht und einen Raum zu bezeichnen scheint, hin zu „überall“. Zu diesem ganz alltäglichen Wort. Und das lässt mich jetzt nachdenken und das deutsche Wort „überall“ neu bedenken.
Ist „überall“ jeder denkbare, vorstellbare, reale Ort in unserer Welt, in unserem Weltall? Ja, das ist wohl so gemeint. Überall ist jeder denkbare, reale Ort im Weltall, aber ja auch darüber hinaus, wie wir gesehen haben. Und das ist der Ort Gottes. Und das ist ein Ort und kein Ort.
Es ist ganz klar, dass Gott selbst darum gar nicht räumlich sein kann, sondern auch überräumlich, wie ja über-all, räumlich und zugleich jenseits und über aller Räumlichkeit ist. Ja, jenseits aller Räumlichkeit, aber gerade darum allgegenwärtig. Wörner hat in Alltagssprache ausgedrückt, was die Theologie schon lange bedacht und natürlich lateinisch ausgedrückt hat. Gott ist transzendent. Das heißt er übersteigt alle räumlichen Vorstellungen: transcendere heißt „übersteigen“, nämlich die Diesseitigkeit in die Jenseitigkeit. Transzendenz ist die Jenseitigkeit Gottes.
Da fällt mir noch eine Geschichte ein: der erste Ostdeutsche, der 1978 mit ins Weltall geflogen ist, hieß Sigmund Jähn. Er stammt aus dem vogtländischen Ort namens Morgenröthe-Rautenkranz (ich hab natürlich Rosenkranz gelesen). Nun hatten dank Jähn auch die vielen atheistischen Ostdeutschen eine Vorstellung vom Jähnseits – bitte, Jähnseits schön sächsisch oder thüringisch oder vogtländisch aussprechen! Jedem sein Jenseits!
Aber schnell zurück zur geliebten Theologie und ihrem Jenseits. Dieses Jenseits ist Wörners Über-All. Es übersteigt alle räumlichen Vorstellungen. Es ist anders und eben darum auch überall. Oder wie es die Theologie sagt: weil Gott transzendent ist, alle räumlichen Vorstellungen übersteigt, darum, genau darum kann er eben überall sein. Darum ist er überall. Oder wieder mit dem theologischen Fachausdruck gesagt, darum kann Gott immanent (=innewohnend – nämlich der Welt, dem All und mir) sein. Also darum kann Gott allem zuinnerst gegenwärtig sein. Die Transzendenz Gottes ermöglicht die Immanenz Gottes. Wenn Sie diesen Satz jetzt verstanden haben, dann bestehen Sie schon eine erste Theologieprüfung! Und wenn Sie einmal bei der Kaffeetafel diesen Satz sagen, ist Ihnen allgemeines Staunen gewiss. Ich fürchte aber auch ein allgemeines Verstummen – schade!
Und nun wieder an den Ausgangspunkt: zum Über-All. Das hilft uns Christi Himmelfahrt etwas besser zu verstehen. Dass Christus zugleich weg in den Himmel ist und zugleich da ist. Wie er uns Jüngern so trostvoll sagt: „Ich bin bei Euch alle Tage, bis zum Ende der Welt.“ Die Heimkehr in die himmlische Seinsweise macht es gerade möglich, dass er alle Tage und allerorten bei uns sein kann. Denn die Transzendenz ermöglicht die Immanenz.
Das ist freilich nicht alles, was zu sagen und zu erklären wäre, aber jetzt ist es gut für heute.
Freuen Sie sich, dass Er bei uns ist – überall und allezeit.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
05. Juni 2019
Ich habe hier beide Stellen aufgeführt: Lukas, der die Himmelfahrt oder besser Aufnahme in den Himmel schildert, wobei die Wolke nicht eine Art Fahrstuhl ist, sondern Zeichen für die verborgene und doch wirkliche Gegenwart Gottes ist (wie die Wolkensäule, die mit den Israeliten durch die Wüste zog). Und dann den Schluss des Matthäus-Evangeliums (= Matthei am letzten), wo die tröstenden Worte stehen.
Lukas 24,44 - 53
44 Dann sagte er zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht. 45 Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften. 46 Er sagte zu ihnen: So steht es geschrieben: Der Christus wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen 47 und in seinem Namen wird man allen Völkern Umkehr verkünden, damit ihre Sünden vergeben werden. Angefangen in Jerusalem, 48 seid ihr Zeugen dafür.
49 Und siehe, ich werde die Verheißung meines Vaters auf euch herabsenden. Ihr aber bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet. 50 Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie. 51 Und es geschah, während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben. 52 Sie aber fielen vor ihm nieder. Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück. 53 Und sie waren immer im Tempel und priesen Gott.
Matthäus 28,16 - 20
20 Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. 17 Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel.
18 Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. 19 Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.