Tiefster Punkt im Leben

Foto: Inconnu - CC0 1.0

Eines der letzten Hefte von den und über die Jesuiten hatte den Titel „Toter Punkt“. Darin hat mich sehr berührt ein Artikel von Tobias Specker über Charles des Foucauld. Oben sehen Sie das letzte Bild, das wir von ihm haben. Über Charles des Foucauld habe ich schon früher geschrieben, und zwar über seine Bekehrung. Heute möchte ich – angeregt durch Tobias Specker – schreiben über diesen tiefsten Punkt in seinem Leben.

Es war im Jahr 1908, und zwar Ende Januar. Da war auch Charles de Foucauld am Ende. Er lag krank in seiner kleinen Einsiedelei in Tamanrasset mitten in der Wüste Sahara. Er konnte sich kaum bewegen. Er hatte heftige Erstickungsanfälle. Er war sehr einsam und hatte kaum Besuch. Und alles das führte auch zu Zweifeln an seinem Weg, der ihn hier in die Wüste von Algerien geführt hatte. War er nicht völlig gescheitert? War nicht wirklich alles am Ende? Seit einiger Zeit war ihm auch sein größter geistlicher Trost genommen, denn man hatte ihm verboten, ganz allein für sich die Heilige Messe zu feiern. Also auch noch gottverlassen ohne die Nahrung der Heiligen Kommunion. Er war am tiefsten Punkt seines Lebens angekommen.

Seine Nachbarn, die Tuareg, erfahren, wie es um ihn steht. Sie kommen zu ihm und bringen ihm das Einzige, was sie haben, um ihm in seiner Krankheit zu helfen: Ziegenmilch. Damit helfen sie ihm Stück für Stück wieder auf. Sie bringen ihn wieder zu Kräften und zu seiner Gesundheit zurück. Zugleich – und das ist die große Veränderung – wandelt sich das Verhältnis zu den Tuareg. Sie werden wirklich seine Freunde. Er wird ihr Heiliger, ihr Marabut.

Bisher war er für sie der Missionar aus Frankreich gewesen. Er half ihnen auch in leiblichen Nöten. Er war eine imponierende Gestalt, die die Tuaregsprache studierte. Der sogar ein Wörterbuch schrieb. Der ihre Geschichten sammelte und ihre Geschichte aufschrieb. Bewundernswert und erstaunlich, ja, aber zugleich war immer ein großer Abstand. Den hat Charles de Foucauld vielleicht gar nicht so stark wahrgenommen, denn er war ihnen herzlich zugewandt. Aber für die Tuareg war es ein großer Abstand zwischen dem katholischen Priester aus dem Land der Kolonialherren, aus dem fernen Frankreich und ihnen, dem muslimischen und armen Wüstenvolk.

Und der wird gerade durch diesen toten Punkt überwunden. Der tote Punkt ist ja in der Mechanik der Punkt, wo sich die Bewegungsrichtung umkehrt. Und das geschieht jetzt. Endlich können auch sie ihm etwas geben. Endlich können sie sich gleich zu gleich begegnen. Die Beziehung verwandelt sich. Und damit auch die theologische Sicht von Charles de Foucauld auf das Verhältnis der Religionen zueinander. Die quälende Frage, wie das Heil zu ihnen, den andersgläubigen Muslimen, kommen kann, beantwortet ihm das Evangelium selbst. „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen …; ich war krank und ihr habt mich besucht“ (Mt 25). Das haben ihm die Tuareg getan und die Verheißung Jesu erfüllt. Sie sind damit im Reich Gottes. Sie sind damit erlöst und ins Heil Gottes aufgenommen.

Das war auch erlösend und befreiend für Charles de Foucauld. Es war ein Durchbruch. Das ist sehr tröstlich auch für uns. Das hat mich so berührt an dieser Geschichte. Denn es ist klar, dass es nicht notwendig so hätte kommen müssen. Nicht immer und selbstverständlich führt so ein Tiefpunkt weiter und zu solcher neuen Erfahrung und zu einem Neubeginn. Hier aber war es so. Gott sei Dank!

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

11. Oktober 2023

Das sollen wir in der Tiefe bedenken an diesem folgenden Wort Jesu: Am Ende wird nicht nach dem Taufschein gefragt und nicht nach der Religionszugehörigkeit. Am Ende werden wir gefragt und konfrontiert mit der Frage, wie wir mit den Geringsten in unserer Welt umgegangen sind. Und wie wir uns da verhalten haben, das wird entscheiden, wie über uns geurteilt wird.

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Matthäus 25,31 - 40

25,31 Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. 32 Und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. 33 Er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zur Linken. 34 Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! 35 Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; 36 ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben oder durstig und dir zu trinken gegeben? 38 Und wann haben wir dich fremd gesehen und aufgenommen oder nackt und dir Kleidung gegeben? 39 Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? 40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.