
Foto: Thomas Gertler
Barfuß an der Wasserlinie zum Meer entlang zu laufen ist eine eigene Erfahrung. Nie sind die Hosen hoch genug gekrempelt. Immer wird man nass. Auch tritt man oft auf Steine, grobe große, kleine feine. Das kann wehtun. Andererseits will ich gerade das, nämlich die intensive Fußmassage. Auch so eine Freikarte, die einem eine Woche am Strand schenkt. Die Fußmassage tut nicht nur den Füßen gut, nein, der ganze Kerl wird dabei durchmassiert und das habe ich auch gespürt. Jeden Tag bin ich eine Stunde am Stand entlang gegangen und habe nebenbei nach einem Hühnergott Ausschau gehalten.
Dabei habe ich dann über Steine und Sand meditiert. Und ich habe sie auch fotografiert, wie Sie sehen. Woher kommt eigentlich der Sand am Strand? Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht? Es sind zermahlene Steine, die die Wellen ans Ufer spülen. Auf diesem Foto wohl vor allem Quarz. Der bringt so hellen Sand hervor. Aber es gibt am Strand auch mal dunkle, fast schwarze Stellen. Das könnte dann zermahlene schwarze Lava sein. Und es gibt auch Strände, die fast ganz aus zermahlenen Muscheln bestehen.
Beim Gehen an der Wasserlinie kann ich das Meer bei der Arbeit beobachten. Jede Welle bewegt die Steine. Außer dem Rollen der Wellen und ihrem Anbranden an den Strand, kann ich auch das Rollen der Kiesel hören. Jede Welle bewegt sie und lässt sie aneinander reiben. Sie werden so schön rund wie einige der Steine auf dem Bild. Noch sind nicht alle gleich abgeschliffen. Manche haben noch Ecken und Kanten, aber keiner hat mehr richtig scharfe Ecken. Bei allen hat das Meer schon Wirkung gezeigt.
Zwar ist das Wasser auf dem Bild nicht zu sehen, aber die Steine sind feucht. Gerade ist die Welle noch darüber hin. Man sieht es an den Ablaufspuren um die Steine herum. Die Welle nimmt nämlich immer Sand mit zurück und das sieht man auf dem Foto. Beim Rückfließen zieht die Welle einem richtig den Boden unter den Füßen weg. Je nach Stärke der Welle kann es einen umhauen.
Aber zurück zu Sand und Steinen. Es sind ja ganz unterschiedliche Steine: schwarze, rote, helle, gesprenkelte. Ich kenne mich nicht aus, was das alles für Steine sind. Da müsste ich Geologe sein und nicht Theologe. Ich habe nur gelesen, dass sie letztlich von den Bergen kommen. Also zum Beispiel von den Alpen oder von unseren Mittelgebirgen oder wo überall die Flüsse unterwegs waren. Die Warnow hat sie dann bis Warnemünde transportiert – wo die Warnow mündet. Erde, Sand, Steine alles wird von den Flüssen mitgenommen und ins Meer gespült. Nicht allein das Wasser fließt ins Meer.
Ja, da gehen die Gedanken jetzt noch weiter. Diese Sammlung von Steinen auf dem Bild hat also eine lange Reise hinter sich. Wie lange sie wohl unterwegs waren, bis sie hier gelandet sind? Und wie lange liegen sie hier schon am Strand? Tausende, hunderttausende von Jahren? Es kann sein, in den Winterstürmen werden sie wieder mit ins Meer hineingenommen. Da können ja ganze Küstenteile verschoben werden. An den Inseln ist das besonders zu erfahren. Auf der einen Seite abgetragen, an der anderen zugespült.
Da sehen wir also die vergehende Zeit am Strand. Gottes große Sanduhr läuft und läuft. Aber wir können nicht erkennen, wie viel da schon durchgelaufen ist. Aber dass es schon sehr, sehr lange geht, das ist offenbar. Wir sehen die unendliche Langsamkeit und Geduld und zugleich das unaufhörliche Mahlen der Mühlen der Natur und dahinter der langsamen Mühlen Gottes. Immer arbeiten Wind und Wellen, auch wenn es mal ganz ruhig ist und die See völlig regungslos scheint. Und die Gezeiten Gottes arbeiten auch an mir. Schleifen mich ab, transportieren mich weiter der Ewigkeit zu. Ganz geduldig und sanft, doch nie lassen sie nach. Das weiche Wasser zermahlt die harten Steine. Jeder von uns ein Rolling Stone?
Meditieren Sie noch ein wenig weiter! Ich trockne mir jetzt die Füße im warmen Sand und ziehe die Sandalen wieder an, gehe nach Hause und lege meine Ausbeute ab: einen Hühnergott. Was, Sie wissen nicht, was ein Hühnergott ist? Dann lesen Sie hier mal nach.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
5. September 2018
Hat Gott Zeit? Nein, er hat keine Zeit – nicht wie wir, die wir auch immer keine Zeit haben, sondern Gott hat keine Zeit im anderen Sinne, nämlich alle Zeit der Welt ruht in seiner Ewigkeit, die darin besteht, dass er nicht Teil der Zeit ist. Das gilt einerseits, andererseits ist er, wie uns das Neue Testament sagt, in der Fülle der Zeit selbst in die Zeit eingetreten und ist Mensch geworden, an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit. Also hat nun Gott doch Zeit und ist doch zugleich Herr der Zeit. Der Zweite Petrusbrief sagt es auf seine Weise.

Foto: S. Sepp - CC BY-SA 3.0
2 Petr 3,8 - 9
3,8 Dies eine aber, Geliebte, soll euch nicht verborgen bleiben, dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind.
9 Der Herr der Verheißung zögert nicht, wie einige meinen, die von Verzögerung reden, sondern er ist geduldig mit euch, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle zur Umkehr gelangen.