„So isses“

Foto: Alexander Henning Drachmann - CC BY-SA 2.0

„So isses“ heißt ein Gedicht von Robert Gernhardt. Es stammt aus dem Gedichtband „Im Glück und anderswo“. Und ich finde es genial. Aber lesen Sie erst einmal selbst und machen Sie sich Ihre eigenen Gedanken.

So isses

Esisso: Das meiste ist schon gesagt.
Esisso: Der Rest kaum sagbar.
Esisso: Wer dauernd hinterfragt,
dem wird auch das Fragen fraglich.

 Esisso: Wenn alles fraglich wird,
dann nicht zuletzt das Esisso.
Esisso: Wer das bezweifelt, der irrt.
Gewißheit is nich, gewiß doch.

So geht es wohl jedem, der schreibt und auch mir zuweilen, wenn der Impuls wieder nahe rückt. „Das habe ich doch schon geschrieben.“ „Das haben auch andere und schon besser geschrieben.“ Und so geht es doch auch oft Ihnen als Leserinnen und Lesern! „Das habe ich doch schon gelesen. Irgendwo steht das doch schon.“ So ist es. Ja, genau. So ist es. So isses. Mehr im Frankfurter Slang gesagt.

Und das Unsagbare ist, was es ist, es ist unsagbar. So ist es eben. Auch wenn immer wieder Dichterinnen und Dichter gegen das Unsagbare anschreiben und es dennoch zu sagen versuchen, um dem Meer des Ungesagten und Unsagbaren neues Land abzugewinnen. Es gelingt manchmal, aber das Unsagbare bleibt dennoch unsagbar. So ist es. So isses.

Und jetzt kommt der typische alte 68er Robert Gernhardt: Er hinterfragt. Alles muss ja hinterfragt werden. Und er hinterfragt schon lange – seit 68. Und wenn ich immerzu hinterfrage, dann führt auch das irgendwann nicht mehr weiter und kommt auch den dauernd Hinterfragenden fraglich und langweilig vor. Es bringt nichts mehr. Nichts mehr an Erkenntnisgewinn. Nichts mehr an neuem Kritikwürdigem. Hinterfragen ist zur bloßen Masche geworden. So ist es.

Aber nun ergreift die große Fraglichkeit auch das, was gar nicht bezweifelbar war, nämlich die unschlagbare Faktizität des Faktischen. Das so fest stehende „So isses“. Das Reich der harten Fakten wird unsicher. Ist es wirklich so, wie immer behauptet und gemeint: es ist so und nicht anders? Also das ist doch jetzt und heute und bei uns wirklich so, dass das bloß Faktische fraglich wird. Ist es wirklich so? Und mit einem Mal ist der geniale Robert Gernhardt ganz und gar bei seinem Kollegen und Philosophen René Descartes. Der hatte sich als Offizier in einer Winterpause des Dreißigjährigen Krieges 1619 eine Weile in Ulm oder Neustadt an der Donau aufgehalten und war dort durch drei Träume zur Philosophie bekehrt worden.

Gerade durch diesen furchtbaren Religionskrieg von 1618-1648 waren alle bisherigen Sicherheiten, die der gemeinsame christliche Glaube bis dahin gegeben hatte, zerbrochen. Alles war fraglich geworden. Eine Sicherheit gab es nicht mehr. Und damit fängt die Philosophie des René Descartes an. Mit dem radikalen Zweifel. Er sucht nach einer neuen Sicherheit. Woran kann ich nicht zweifeln? Seine Antwort: Daran dass ich zweifle, kann ich nicht zweifeln. Das ist die Grundlage der neuen Sicherheit: cogito (oder dubio) ergo sum. Ich denke (ich zweifle), also bin ich.

Oder mit Robert Gernhardt andersherum gesprochen: „Gewissheit is nich, gewiss doch.“ Ja, was machen wir denn nun damit? Ein Paradox: Auf eines kannst du dich wirklich felsenfest verlassen, dass nichts sicher und gewiss ist.

Und was sage ich als Theologe dazu? Ich sage: Genau richtig, lieber Robert! So isses. Danke! Gewissheit is nich, gewiss doch! Darum die sichere Schlussfolgerung meinerseits: Es bleibt nur eines übrig, nämlich zu glauben. Und indem ich diesen unsicheren Weg des Glaubens gehe, erweist er sich als gangbar. So isses.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

21. Juli 2021

Und was sagt Paulus dazu? Er konstatiert in etwas das Gleiche. Ja, unser Erkennen ist unklar und ist nur Stückwerk. Aber und hier geht Paulus weiter: Wir werden Erkenntnis gewinnen, wenn wir selbst den endgültig erkennen, der uns jetzt schon durch und durch erkannt und das heißt für die Bibel, der uns durch und durch geliebt hat. Und da geht es über Gernhardt hinaus: Was bleibt und nimmer vergeht und uns in Ewigkeit trägt, das ist die Liebe. Darauf kannst du dich verlassen.

Foto: Celeda - CC BY-SA 4.0

Brief an die Korinther 13,8 - 13

13,8 Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht. 9 Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; 10 wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk. 11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war. 12 Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin. 13 Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.