
Foto: Aschroet - CC0 1.0
Es ging mir in den letzten Tagen zum Teil richtig schlecht. Zuerst wegen des Einmarschs russischer Truppen in die Ukraine. Das macht sicher den meisten von uns Angst. Und mit Recht. Aber es gab auch andere Probleme und Schwierigkeiten bei mir, die mich niederdrückten und richtig traurig und lahm und ohnmächtig machten. Und ich denke, es geht vielen unter anderen Umständen ähnlich. Denn Omikron ist immer noch unheimlich stark. Es gibt eine riesige Kostenexplosion, die zu schaffen macht. Und all das wirkt sich aus auf unseren Alltag.
Was mir in solcher Situation hilft, sind drei Dinge. Erstens sich aufrichten, also nicht in der Niedergedrücktheit und Opferrolle verharren, sondern da hinausgehen. So sagt es uns ja auch die Heilige Schrift: „Wenn all das geschieht (nämlich alle diese Katastrophen), dann erhebt euer Haupt, denn eure Erlösung ist nahe“ (Lk 21,28). Und das habe ich schon mehrmals geschrieben: dann tatsächlich körperlich aufrichten und das Haupt erheben, vielleicht sogar Leib-Übungen machen, die mich aus den Spannungen herausholen oder sie wenigstens lindern.
Zweitens: das suchen, was mir dabei hilft. Was mich tröstet. Was mir Kraft gibt. Was mir Mut macht. Und das ist oft ganz anderes als das, was wir sonst als Trösterlein und Ablenkungsmanöver starten. Also nicht Alkohol, Schokolade, TikTok, Computerspiele oder ähnliches, sondern vielleicht ein ausführlicher Spaziergang, ein Besuch in der Kirche, ein gutes Buch, ein Gespräch mit Freunden. Was mich zum Beispiel richtig aufgebaut hat, war dieses kleine Video, das man mir zugeschickt hat, über fairen und großherzigen Umgang im Sport miteinander.
Drittens: selbst aktiv werden, selbst etwas tun und unternehmen, was in der Situation hilft, auch wenn es vielleicht nicht leicht ist: zum Beispiel das Gespräch suchen, einen Brief schreiben. Ja, jetzt natürlich der Ukraine Solidarität zu zeigen. Eine gute Freundin plant mit Freunden und Bekannten, wie sie Flüchtlingen beistehen können. Sie haben schon Schlafsäcke gesammelt und haben auch schon eine freie Ferienwohnung in Aussicht. Das ist etwas, dass dann die Niedergeschlagenheit vertreibt. Wer andere aufrichtet, wird dadurch selbst aufgerichtet.
Und etwas Letztes, das uns der Glaube in dieser schweren Situation sagt. Gott lässt uns unsere Freiheit. Auch die Freiheit zum Bösen; ja sogar zum Krieg. Er fällt uns nicht direkt in den Arm. Er hebt die Naturgesetze nicht auf. Die Flugzeuge fliegen. Die Bomben fallen. Aber das bedeutet nicht, dass die Welt Gott aus der Hand fällt. Er ist da bei allen und er wirkt auch in allem. Auch jetzt, in diesem Augenblick. Und in allem wirkt er hin zum Heil. Auch wenn wir es nicht durchschauen. Auch wenn wir es nicht verstehen.
Das sehen wir am deutlichsten an Jesus und seinem Schicksal. Judas fällt seine Entscheidung. Er verkauft Jesus und die Geschichte nimmt ihren unerbittlichen Lauf. Jesu Gebet scheint ungehört und Jesus scheint völlig verlassen. Gott schickt eben nicht Legionen von Engeln. Aber er wirkt gerade in diesem Unheil das Heil, und zwar für alle. Gerade in der Rettungslosigkeit Jesu wirkt er die Rettung. Er fängt in der Auferweckung Jesu mitten in dieser vom Bösen und vom Tod gezeichneten Welt etwas ganz Neues, etwas Unzerstörbares an, nämlich sein Reich.
Und dieses Reich ist seitdem da in allem Guten, in aller Liebe, in aller Vergebung, in allem Einsatz für die Not, in allem wo wir für Gerechtigkeit und Frieden kämpfen und die Schwerter zu Pflugscharen umschmieden. Das glauben wir und das erfahren wir in vielen Zeichen.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
Aschermittwoch, den 2. März 2022
Der Prophet Micha hat diese große Friedensvision vom Berg Zion. Sie ist noch nicht Wirklichkeit und sie ist doch schon Wirklichkeit. Denn von dort strömen Jesu Friede und Versöhnung zu uns und sie fließen schon. Und doch wartet der Berg Zion noch sehnsüchtig darauf, dass alle Völker in Frieden zu ihm ziehen und Frieden feiern. Aber die Verwirklichung der Vision hat schon begonnen und ist schon unterwegs. Aber sie ist noch nicht endgültig da.

Der Berg Zion
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Micha 4,1 - 5
4,1 Am Ende der Tage wird es geschehen: / Der Berg des Hauses des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; / er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen Völker. 2 Viele Nationen gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN / und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, / auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion zieht Weisung aus / und das Wort des HERRN von Jerusalem. 3 Er wird Recht schaffen zwischen vielen Völkern / und mächtige Nationen zurechtweisen bis in die Ferne. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden / und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht mehr das Schwert, Nation gegen Nation, / und sie erlernen nicht mehr den Krieg. 4 Und ein jeder sitzt unter seinem Weinstock / und unter seinem Feigenbaum und niemand schreckt ihn auf. Ja, der Mund des HERRN der Heerscharen hat gesprochen. 5 Auch wenn alle Völker ihren Weg gehen, / ein jedes im Namen seines Gottes, so gehen wir schon jetzt / im Namen des HERRN, unseres Gottes, / für immer und ewig.