
Foto: Thomas Gertler
Haben Sie auch schon einmal davon geträumt, mit dem Zirkus mitzuziehen, wenn er Ihre Stadt besuchte? Ja, so ein Zirkus löst viele Sehnsüchte in einem aus. Toll, was die Artisten können. Ach, könnte ich das auch! Andere zum Lachen bringen wie die Clowns. Schön, wenn ich es auch so könnte. Auf den Pferden durch die Manege reiten und Kunststücke vorführen. Durch mein Zaubern andere bezaubern. Große Freiheit spüren beim Wohnen und Mitfahren in den Zirkuswagen. Ja, so habe ich auch als Kind manchmal geträumt, wenn der Zirkus in die Stadt kam.
Bei einem Besuch in Chemnitz, der Stadt mit dem Nüschel – Nüschel ist sächsisch und heißt Schädel – also mit dem Nüschel von Karl Marx, bin ich auf das Projekt „Birikino“ gestoßen. Das ist ein Kinderzirkus mit diesem lustigen Namen, ins Leben gerufen von den Salesianern Don Boscos. Und ein Projekt so richtig im Geiste Don Boscos. Denn er hat sich im 19. Jahrhundert der Straßen-Kinder der Stadt Turin angenommen, mit ihnen Kunststücke eingeübt und ist selbst auf dem Seil balanciert.
Und so auch „Birikino“ im Stadtteil Sonnenberg in Chemnitz, einem sozialen Brennpunkt der Stadt. Kinder in trostlosen Verhältnissen lernen, ja, ich kann Träume verwirklichen. Sie, die aus schwierigen Familien stammen, erleben Gemeinschaft. Sie mit problematischen Berufsaussichten lernen, dass sie etwas können, etwas Einmaliges. Und dass sie damit andere zum Staunen und zum Lachen bringen können. Und das hilft dann, leichter mit den Schwierigkeiten und Nöten des Alltags umzugehen. Sie merken, dass es nicht nur auf den Kopf und die intellektuelle Begabung ankommt, sondern dass es um den ganzen Menschen geht. Ja, sie bekommen sogar spielerisch in Kontakt mit dem Glauben und mit der Gemeinde.
Solche Projekte finde ich so gut, in denen auf fröhliche und spielerische Weise eingeladen wird oder auch nur Frohmachendes weitergegeben wird, wie das Dreikönigssingen um den 6. Januar oder wie der Martinsumzug oder die ökumenische Martinsfeier um den 11. November. Da könnten wir noch viel mehr Phantasie entwickeln wie beim Zirkus. Allen tut das gut.
Und wie ich auf der Suche nach einem Foto für diesen Impuls bin, entdecke ich, dass ich fast täglich in unserer Ursula-Schule und unserem Ursula-Kloster, wo sich unser Büro befindet, an einer Wandzeitung vorbeikomme, die den Zirkus zum Thema hat. Es gibt also ganz in meiner Nähe auch Zirkuspädagogik und auch bayernweit, ja, deutschlandweit. Das finde ich sehr unterstützenswert.
Wie oft bemerken wir erst, wenn wir innerlich wach geworden sind für ein Thema, dass es sich ganz nahe befindet. Jeden Tag bin ich an der Wandzeitung vorbeigegangen, jetzt erst habe ich sie wahrgenommen und durfte sie nun auch fotografieren und hier öffentlich machen. Erst wenn man selber oder jemand aus der Verwandtschaft schwanger ist, sieht man überall schwangere Frauen und auch Kinderwagen. Geht es Ihnen auch so?
Also das wünsche ich in diesen Tagen nach Pfingsten: Phantasie, um Gottes froh machenden Geist zu allen Menschen zu bringen, und Aufmerksamkeit für all das Gute, das schon längst da ist und auf mein Mittun wartet.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
23. Mai 2018
Paulus schreibt in seinem Ersten Brief an die Korinther über die Gaben, die Gott uns durch seinen Heiligen Geist schenkt. Keiner hat alle, niemand besitzt gar keine. Es gilt sie zu entdecken und alle zusammen für das große Ganze wirken zu lassen. Wie beim Zirkus oder wie beim Orchester oder wie in der Gemeinde.

Die Ausgießung des Heiligen Geistes, die uns zur Kirche und zum Leib Christi macht, hier gemalt von El Greco im Jahr 1597
1 Kor 12,4 - 27
12,4 Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. 5 Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. 6 Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. 7 Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. 8 Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, 9 dem dritten im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, 10 einem andern Wunderkräfte, einem andern prophetisches Reden, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem andern verschiedene Arten von Zungenrede, einem andern schließlich die Gabe, sie zu deuten. 11 Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will. 12 Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus.
13 Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. 14 Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. 15 Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. 16 Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. 17 Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? 18 Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. 19 Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? 20 So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. 27 Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm.