Schimpfen und Fluchen

Foto: Habitator terrae - CC BY-SA 3.0

 

O wie kenne ich das gut, wenn ich früher allein mit dem Auto unterwegs war. Wie habe ich da gern laut auf die anderen Fahrerinnen und Fahrer geschimpft. „Du Rindvieh!“ war noch harmlos oder „Du Hornochse! Du Blödmann!“ Sie kennen das auch? Und Sie tun das auch gern!? Nein, das hätte ich jetzt nicht von Ihnen gedacht! Sie sind doch sonst so nett! Aber allein im Auto, da kommt auch noch was anderes raus. Richtig geflucht habe ich noch nicht, schlimm geschimpft schon.

Aber so richtig wütend war ich da eigentlich nicht, auch wenn mich schon der dritte auf der Autobahn rechts überholt hat. Allerdings nervös macht es mich, wenn jemand so richtig eng auffährt und auch noch anfängt aufzublenden. „Ich kann doch gar nicht schneller und kann jetzt auch nicht ausweichen, Du Idiot!“ So rufe ich dann sehr laut in meinem kleinen Polo dem BMW hinter mir zu.

Denn das Schimpfen finde ich eher entlastend und nicht so schlimm, auch wenn es ziemlich aggressiv daherkommt. Denn dann verlässt mich der Zorn durch das laute Schimpfen auch wieder und ich kann in meine innere Ruhe zurückfinden. Anders ist es, wenn ich wirklich meiner Wut vollen Lauf lasse. Dann kann es dazu führen, dass ich gegenüber dem anderen Fahrer direkt aggressiv werde. Hässliche Handzeichen mache und selber hupe oder aufblende. Davor habe ich aber meistens Angst, denn es kann ja das üble Verhalten des anderen noch verstärken. Dann schaukelt sich das auf und wird wirklich gefährlich.

Stellen Sie sich vor, verehrte Leserinnen und Leser, diesem Thema widmet sich zum Glück jetzt auch die Wissenschaft und es hat jetzt gerade einen Nobelpreis dafür gegeben, allerdings einen Ig-Nobelpreis. Den hatten wir ja schon mal bei den sympathischen Affen. Der Ig-Nobelpreis ist ein satirischer Preis und will Forschungen auszeichnen, die erstmal zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen. Und dies hier war eine Auszeichnung für eine Forschung in Spanien und Kolumbien, die genau das Schimpfen und Fluchen beim Autofahren untersucht hat.

Das kann ich mir gut vorstellen, dass die Spanier und Kolumbianer mit ihrem Temperament richtig gut im Schimpfen und Fluchen sind. Sicher gibt es sogar Sammlungen von spanischen Schimpfwörtern und Flüchen, wie es sie auch auf Bayrisch vielfach gibt.

Ja, und was stellt die Wissenschaft fest? Genau das, was der gesunde Menschenverstand und die eigene Erfahrung auch sagen. Aber eben nun wissenschaftlich untermauert. Es entlastet, wenn es nur beim Schimpfen bleibt, aber es wird gefährlich, wenn ich wirklich der Aggression freien Lauf lasse.

Und ist das nun ein Impuls für das Leben im Glauben? Dazu zweierlei: Schimpfen darf sein und ist entlastend und viele Psalmen in der Bibel lassen den verletzten Gefühlen freien Lauf. Und auch Jesus schimpft heftig – vor allem mit den Pharisäern. Also schimpfen Sie ruhig im Auto. Aber beherrschen Sie den Zorn und lassen Sie den Zorn nicht alles bestimmen. Denn dann wird es gefährlich. Und wenn ich mit nahen und geliebten Menschen schimpfe, was ja auch mal nötig sein kann, dann muss ich besonders darauf achten, dass ich fair bleibe, nicht bewusst verletze und unter die Gürtellinie gehe. Am besten ist es, den richtigen Moment abzupassen, wenn der andere eine kritische Aussage annehmen kann und sie nicht als totale Ablehnung erlebt. Das ist eine hohe Kunst. Auch eine hohe spirituelle Kunst. Denn dann habe ich neu Gemeinschaft gestiftet, vgl. Mt 18,15-35.

Und übrigens habe ich früher, wenn ich allein im Auto unterwegs war, viel häufiger laut gesungen als laut geschimpft und ich habe auch laut gebetet. Rosenkranz und andere Gebete. Das ist natürlich noch besser als fluchen und schimpfen.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

21. November 2018

 

Bevor sie den Psalm 59, einen der so genannten Fluchpsalmen, lesen, lesen Sie einmal dieses Gedicht Bertold Brechts:

Die Maske des Bösen

An meiner Wand hängt ein japanisches Holzwerk
Maske eines bösen Dämons, bemalt mit Goldlack.
Mitfühlend sehe ich
Die geschwollenen Stirnadern, andeutend
Wie anstrengend es ist, böse zu sein.

 

Foto: Kakidai - CC BY-SA 4.0

 

Psalm 59

1 Für den Chormeister. 2 Entreiß mich meinen Feinden, mein Gott, beschütze mich vor meinen Gegnern! 3 Entreiß mich denen, die Unrecht tun, vor blutgierigen Männern rette mich! 4 Denn siehe: Sie lauerten mir auf, Mächtige greifen mich an. An mir, HERR, ist kein Frevel und keine Sünde. 5 Ich bin ohne Schuld. Sie aber stürmen vor und stellen sich auf. Wach auf, komm mir entgegen und sieh doch! 6 HERR, du Gott der Heerscharen, Gott Israels, wach auf, such heim alle Völker, sei keinem gnädig, der treulos Unrecht tut! [Sela] 7 Am Abend kommen sie wieder, sie kläffen wie Hunde, umkreisen die Stadt. 8 Siehe, sie geifern mit ihrem Maul, Schwerter sind auf ihren Lippen: Wer wird es schon hören? 9 Du aber, HERR, lachst über sie, du spottest über alle Völker. 10 Meine Stärke, an dich will ich mich halten, denn Gott ist meine schützende Burg. 11 Mein huldreicher Gott kommt mir entgegen; Gott lässt mich herabsehen auf meine Gegner. 12 Töte sie nicht, damit mein Volk nicht vergisst. In deiner Macht zerstreue sie, wirf sie nieder, HERR, du unser Schild! 13 Sünde ist in ihrem Mund jedes Wort ihrer Lippen, sie sollen sich in ihrem Hochmut verfangen wegen des Fluchs und der Lüge, die sie reden. 14 Vernichte sie im Zorn, vernichte und sie sind nicht mehr da! Sie sollen erkennen, dass Gott in Jakob Herrscher ist und bis an die Enden der Erde. 15 Am Abend kommen sie wieder, sie kläffen wie Hunde, umkreisen die Stadt, 16 sie streunen umher, gierig nach Fraß, werden sie nicht satt, dann knurren sie. 17 Ich aber will deine Stärke besingen, über deine Huld jubeln am Morgen, denn du wurdest mir zur schützenden Burg, eine Zuflucht am Tag meiner Bedrängnis. 18 Meine Stärke, dir will ich singen und spielen, denn Gott ist meine schützende Burg, er, mein huldreicher Gott.