
Foto: Rengha Rodewill - CC BY-SA 4.0
Das sind zwei Zeilen aus dem Gedicht von Mascha Kaleko „Rezept“.
Dieses Gedicht kenne ich schon lange. Es ist in meiner privaten Gedichtsammlung aufbewahrt. Jetzt ist es mir wieder in die Hände gefallen. Ich könnte sagen im Zusammenhang mit meinem bevorstehenden Umzug von Göttingen nach Frankfurt. Ja, das passt. Aber eigentlich ist das nur der zweite Zusammenhang. Der erste ist die Frage gewesen, was ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, für ein Rezept in diesen so ungewissen Zeiten auf den Weg geben soll. Und so ist mir das „Rezept“ von Mascha Kaleko zugefallen.
„Richte dich ein. Und halte die Koffer bereit.“ Sei, wo du bist, ganz da. Pack den Koffer aus und richte dein Leben ein. Nimm aktiv teil an allem und trag das Deine bei. Komm mit deinen Gaben und Begabungen den Menschen zu Hilfe. Bring dich ein. „Flicke heiter den Zaun und auch die Glocke am Tor“, schreibt Mascha Kaleko. Lebe ganz und gar dort, wo du bist, und sei lebendig. Und zugleich sei dir bewusst, dass auch dieses Jetzt und Heute nur endlich ist und begrenzt. Dass es nur vorläufig ist, dass es sein kann, dass der Koffer wieder gepackt werden muss, und zwar nicht nur mal für ein Wochenende.
Das hat Mascha Kaleko in ihrem eigenen Leben schmerzlich gelernt und so oft tun müssen. So war ihr Leben: Aus Galizien nach Deutschland, nach Frankfurt, nach Marburg, nach Berlin, nach Amerika und auch dort mehrmals Umzüge, dann nach Israel und dann wieder nach Deutschland, gestorben schließlich in Zürich 1975. Aus Deutschland und aus Berlin ist sie nur gegangen, weil sie musste und sonst getötet worden wäre. Und ganz heimisch ist sie nach der Zeit in Berlin nie mehr geworden. Es blieb so: „Richte dich ein und halte die Koffer bereit.“
Es ist ein gutes Rezept für diese ungewissen Zeiten. Es kann auch uns und hier geschehen, dass sich vieles ändert und wir uns verändern müssen. Das macht Angst. Und darum beginnt ihr Gedicht mit diesen Sätzen: „Jage die Ängste fort und die Angst vor den Ängsten!“ Existentielle Veränderung ist angstbesetzt und die Ängste sind berechtigt. Aber sie sollen nicht meine Lebensfähigkeit behindern. Ja, es gibt die Angst und es gibt die Angst vor der Angst und ich soll auf die Ängste hören und sie wahrnehmen, aber sie sollen nicht alles überschwemmen, bestimmen und beherrschen. Frau im Haus und Herr im Haus bin ich. Ich bestimme, wie weit die Ängste gehen dürfen und wo ich eine Grenze setze. Das hat Mascha Kaleko so erlebt. Darum sollen wir die Ängste fortjagen. Oder mit der Bibel gesagt (und wie oft sagt sie uns das!), genau weil wir Angst haben und uns fürchten: „Fürchte dich nicht!“ Habe Vertrauen! Ich bin da.
Für mich ist das ein Ratschlag und ein „Rezept“ für das Leben aus dem Glauben. Bau nicht auf die Ängste, bau auf das Vertrauen! Lass dich ein. Lass dich nieder. Richte dich ein. Sei da, wo du bist. Aber klammere dich nicht fest. Sei bereit aufzubrechen und den nächsten Schritt zu tun. Das muss nicht ein Umzug sein. Dieser nächste Schritt und der Aufbruch kann ganz und gar dort geschehen, wo du bist und wohnst und er kann dann doch vieles verändern.
Die Bibel fasst das unter dem Bild der Wanderschaft und der Pilgerschaft. Wir sind unterwegs und noch nicht angekommen. Wir haben hier keine Stätte für immer. Darin bewahrt sich unser Ursprung im wandernden Volk Israel, dessen kleines Glaubensbekenntnis lautete: „Ein wandernder Aramäer war mein Vater …“ (Dtn 26,5). Oder wie der Hebräerbrief sagt: „… aufgrund des Glaubens wohnten Abraham, Isaak und Jakob in Zelten …“ (Hebr. 11,9f). Und das bleibt uns Glaubenden erhalten und das sagt uns für uns heute Mascha Kaleko: „Richte dich ein. Und halte den Koffer bereit.“ Das ist eine Einstellung, die zur inneren Freiheit führt.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
8. Juni 2022
Auch in der islamischen Welt gibt es diese Tradition, dass wir hier keine bleibende Stätte haben: „Die Welt ist für uns eine Brücke, die mitten auf dem Weg zur Ewigkeit liegt. Der Verständige wird sich auf dieser Brücke kein Haus bauen.“ (Bukhari al-Jauhari,17. Jhdt., lebte als mohammedanischer Fakir im malaiischen Sultanat Johor auf der Halbinsel Malakka. Für die Anfänge des Volkes Gottes ist jedoch dafür typisch und symbolisch das Leben im Zelt.

Foto: Carlos ZGZ - CC0 1.0
Hebräer 11,8 - 16
11,8 Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde. 9 Aufgrund des Glaubens siedelte er im verheißenen Land wie in der Fremde und wohnte mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung, in Zelten; 10 denn er erwartete die Stadt mit den festen Grundmauern, die Gott selbst geplant und gebaut hat. 11 Aufgrund des Glaubens empfing selbst Sara, die unfruchtbar war, die Kraft, trotz ihres Alters noch Mutter zu werden; denn sie hielt den für treu, der die Verheißung gegeben hatte.12 So stammen denn auch von einem einzigen Menschen, dessen Kraft bereits erstorben war, viele ab: zahlreich wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meeresstrand, den man nicht zählen kann. 13 Im Glauben sind diese alle gestorben und haben die Verheißungen nicht erlangt, sondern sie nur von fern geschaut und gegrüßt und sie haben bekannt, dass sie Fremde und Gäste auf Erden sind. 14 Und die, die solches sagen, geben zu erkennen, dass sie eine Heimat suchen. 15 Hätten sie dabei an die Heimat gedacht, aus der sie weggezogen waren, so wäre ihnen Zeit geblieben zurückzukehren; 16 nun aber streben sie nach einer besseren Heimat, nämlich der himmlischen.