Rausgehen zu den Menschen

Foto: Rev. Neil Willard - CC BY-SA 4.0

Kennen Sie „Chrismon“, die evangelische Zeitschrift? Manchmal liegt sie der Zeitung bei. So ist sie mir auch jetzt wieder in die Hände gefallen und sie hat mich mit ihrem Titelthema sehr beeindruckt. Da ist die Rede von mehreren Pastorinnen und Pastoren, die rausgehen zu den Menschen. Das habe ich früher auch schon getan und das kann man auch heute erleben in der Frankfurter Innenstadt zum Beispiel an der Hauptwache. Da wird gepredigt und gesungen. Wenige bleiben stehen.

Genau von dieser Erfahrung berichten auch die Pastorinnen und Pastoren. Wenig Resonanz, wenn sie öffentlich predigen. Darum wollten sie es bewusst anders machen mit dem Rausgehen zu den Menschen. In der Nürnberger Innenstadt sprachen sie Leute an mit der Frage: Was dürfen wir Ihnen auf Brot schmieren? Die Auswahl war groß. Ein Hoffnungsbrot mit grüner Kresse. Oder auch eins mit roter Erdbeerliebe. Oder auch eine Scheibe mit Geborgenheitshonig. „Nach anderthalb Stunden sind 200 Brote weg und 60 Tassen Kaffee und die Pfarrerinnen müde und beglückt zugleich.“

Eine ähnliche und doch andere Aktion war es zum Buß- und Bettag. Da wurde den Passanten eine Tonscherbe angeboten. Man konnte einen Namen von jemandem aufschreiben, den man um Verzeihung bitten und für den man beten wollte. Die Scherbe wurde neben eine große Kerze gelegt. Auf dem Bild oben wird jemandem auf der Straße am Aschermittwoch das Aschenkreuz auf die Stirn gezeichnet. Wieder anders ähnlich war es, als die Pastorinnen und Pastoren den Vorübergehenden einen kleinen Zettel gaben mit der Frage: „Wofür sollen wir beten?“ Am Ende waren über 100 Zettel im „Gottesbriefkasten“.

Die nächste Geschichte hat mir jemand erzählt, dem ich von den Pastorinnen berichtet habe. Es gibt einen Franziskaner, der mit einem Wohnmobil unterwegs ist, uns zwar vorwiegend in Mecklenburg mit genau dem gleichen Anliegen: Rausgehen zu den Menschen und mit ihnen ins Gespräch kommen. So heißt es auf seiner Homepage. „Direkt, unkompliziert, authentisch, klar, ansprechbar, nah und vor allem: VOR ORT"

Mit einem Rollenden Kloster - meinem "Gotteshaus" - bin ich, Br. Gabriel, seit Pfingsten 2021 unterwegs in Deutschland. Ihr findet mich auf verschiedenen Events, in einer Innenstadt, auf dem Campingplatz, am Hafen, in Kirchen, auf der Straße, im Cafe .... überall dort, wohin ich "gerufen" werde Es gibt auch schon mehrere Zeitungsartikel über ihn. Einen finden Sie hier.

Alle diese Beispiele zeigen, dass es geht: Rausgehen zu den Menschen. Und es gibt Christen, die die eigene Scheu besiegen und es einfach tun. Wenn man die Angst vor dem ersten Schritt hinaus überwunden hat, dann steigt der Adrenalinspiegel ganz nach oben und man ist einfallsreich, schlagfertig und glücklich. Ja, glücklich, weil man sich selbst überwunden hat, weil man merkt, es geht. Vor allem weil man selbst über die Ohnmacht hinausgekommen und selbst aktiv geworden ist. Ich bin nicht mehr einfach bloß Opfer der Verhältnisse, nein, es ist möglich, etwas zu tun, zu kämpfen und Gott und den Glauben präsent zu machen. Das ist für jemanden, dem der Glaube das Wertvollste ist, eine sehr froh machende Erfahrung.

Alles das kenne ich von meinen eigenen Aktionen. Die Angst, die Scheu, dann den Adrenalinschub, das Glück nachher. Neu für mich war die Einsicht, nicht so sehr selbst zu predigen oder Gottesdienst zu halten, sondern ins Gespräch zu kommen, sich für die Menschen zu interessieren. Das ist eines der größten Bedürfnisse eines jeden Menschen: wahrgenommen zu werden, angenommen zu werden, das Seine sagen zu dürfen, ein Ohr zu finden. Das ist so wichtig und dann das zu schenken, was wir selbst geschenkt bekamen: den Segen, das Gebet, die Vergebung.

Wie wäre es? Nur Mut, christliche Seele!

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

8. November 2023

Besonders eindrucksvoll ist das Hinausgehen des Diakons Philippus zum Kämmerer (im griechischen Text ist die Rede von einem Eunuchen) der äthiopischen Königin Kandake. Er wird sogar von einem Engel hinausgeführt oder fast entführt. Hier dargestellt in einer äthiopischen Bibelhandschrift.

 

Apostelgeschichte 8,26 - 40

26 Ein Engel des Herrn sagte zu Philippus: Steh auf und geh nach Süden auf der Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt! Sie führt durch eine einsame Gegend. 27 Und er stand auf und ging. Und siehe, da war ein Äthiopier, ein Kämmerer, Hofbeamter der Kandake, der Königin der Äthiopier, der über ihrer ganzen Schatzkammer stand. Dieser war gekommen, um in Jerusalem anzubeten,28 und fuhr jetzt heimwärts. Er saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. 29 Und der Geist sagte zu Philippus: Geh und folge diesem Wagen!
30 Philippus lief hin und hörte ihn den Propheten Jesaja lesen. Da sagte er: Verstehst du auch, was du liest? 31 Jener antwortete: Wie könnte ich es, wenn mich niemand anleitet? Und er bat den Philippus, einzusteigen und neben ihm Platz zu nehmen. 32 Der Abschnitt der Schrift, den er las, lautete: Wie ein Schaf wurde er zum Schlachten geführt; / und wie ein Lamm, das verstummt, / wenn man es schert, / so tat er seinen Mund nicht auf. 33 In der Erniedrigung wurde seine Verurteilung aufgehoben. / Seine Nachkommen, wer wird von ihnen berichten? / Denn sein Leben wurde von der Erde fortgenommen. 34 Der Kämmerer wandte sich an Philippus und sagte: Ich bitte dich, von wem sagt der Prophet das? Von sich selbst oder von einem anderen? 35 Da tat Philippus seinen Mund auf und, ausgehend von diesem Schriftwort, verkündete er ihm das Evangelium von Jesus. 36-37 Als sie nun weiterzogen, kamen sie zu einer Wasserstelle. Da sagte der Kämmerer: Siehe, hier ist Wasser. Was steht meiner Taufe noch im Weg? 38 Er ließ den Wagen halten und beide, Philippus und der Kämmerer, stiegen in das Wasser hinab und er taufte ihn. 39 Als sie aber aus dem Wasser stiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus. Der Kämmerer sah ihn nicht mehr und er zog voll Freude auf seinem Weg weiter.
40 Den Philippus aber sah man in Aschdod wieder. Und er wanderte durch alle Städte und verkündete das Evangelium, bis er nach Cäsarea kam.