
Foto: Josep Maria Viñolas Esteva - CC BY-SA 4.0
Vielleicht wäre ich nie Jesuit geworden, wenn ich so viele Möglichkeiten gehabt hätte, wie sie heute bei uns beinahe jedem Jugendlichen offen stehen. In der DDR gab es damals (1967) nicht so viele Möglichkeiten. Das macht das Entscheiden viel einfacher. Heute gibt es wegen der Fülle der Möglichkeiten oft geradezu eine Entscheidungsangst. Die Angst, die falsche Entscheidung zu treffen und die Angst, Möglichkeiten zu verlieren.
Diese Entscheidungsangst führt zu einer Beschleunigung des Daseins, nämlich überall dabei sein zu wollen, nichts zu verpassen. Darum sind viele immer gehetzt und nie ganz dabei. Oder es führt auch zum ganzen Gegenteil, einer ungeheuren Zeitverschwendung: „Ich weiß nicht, was ich werden soll, darum gehe ich erst einmal ein Jahr nach Australien.“ Vorher hat man um 10 min genknausert, dann plötzlich EIN JAHR. Und wenn ich nicht wirklich am Entscheiden gearbeitet habe, bin ich nach dem Jahr genauso schlau wie vorher.
Wie überwinde ich diese Entscheidungsangst? Ein Vorschlag dazu: nehmen Sie einmal nicht das Wort Entscheiden – denn das schaut auf das Scheiden und Scheiden tut weh, weil es Verlust bedeutet. Nein, nehmen Sie einmal das Wort Entschließen, denn das schaut auf das Auf-Schließen, darauf, dass ich mich einer Möglichkeit aufschließe und sie dadurch gewinne. Also das Gegenteil. Durch das Entschließen gewinne ich. Bei einseitiger Sicht des Entscheidens verliere ich.

Gif: Joho345 - CC BY-SA 4.0
Erster Schritt: sich die Entscheidungsangst bewusst machen. Ja zu ihr sagen, aber sich nicht von ihr beherrschen lassen, sondern auf das Schöne, auf den Gewinn, auf das Positive des Entschlusses schauen. Und sich selbst sagen: wenn du so weit bist und dich entschließt, dann geht das Leben weiter und die Krise ist vorbei. Hurra!
Und Kriterien für den Entschluss haben wir schon: In die Richtung der Freude gehen, in die Richtung der Freiheit gehen, in die Richtung der Wahrheit und Stimmigkeit gehen, nicht ins Extreme, sondern in die Mitte, ins Zentrum gehen. Das Größere wählen, nicht das, wo ich hinter mir selbst, hinter dem Ruf Gottes zurückbleibe. Hier auch noch ein Link zu einem hilfreichen Text zum Entscheiden.
Eine wichtige Unterscheidung ist noch beim hl. Ignatius zu finden, um richtig zu entscheiden. Oft werden nämlich Ziel und Mittel verwechselt. Für uns als Christen ist das Ziel: dem Willen Gottes zu folgen und die dreifache Form der Liebe zu leben: Gottesliebe-Nächstenliebe-Selbstannahme. Dieses Ziel kann ich auf die vielfältigste Weise verwirklichen. Zum Beispiel indem ich Ärztin oder Entwicklungshelfer werde. Oder indem ich in einen Orden eintrete oder Priester werde. Oder indem ich mich politisch engagiere. Alle diese konkreten Schritte sind dann Mittel zur Verwirklichung. Die können, aber müssen nicht gewählt werden. Ihnen gegenüber bin ich frei. Sie stehen an zweiter Stelle. Und da schaue ich nach den Kriterien von oben. Wohin zieht mich der innere Ruf? Wo sind meine Begabungen?
Ziel und Mittel ändern sich, je nach Glaubensüberzeugung. Viele sagen heute: „Hauptsache Gesundheit.“ Oder „Hauptsache Geld.“ Das ist dann mein Lebensziel. Für Ignatius als gläubigen Menschen, sind weder Geld noch Gesundheit ein letztes Ziel, sondern beide ein wichtiges Mittel, um das Hauptziel zu verwirklichen, nämlich Gott und dem Nächsten zu dienen. Es steht nicht an erster sondern an zweiter Stelle.
Es ist also wichtig, sich über die eigenen letzten Ziele klar zu werden. Was will ich leben? Was ist meine Berufung? Was kann mir dazu als Mittel dienen? Wenn ich Mittel und Ziel verwechsle, kann nur eine falsche Entscheidung raus kommen. Es darf eine Weile dauern, sich über diese letzten Fragen klar zu werden. Hilfreich ist dazu eine Zeit der Stille und Reflexion mit Begleitung und Gespräch, vielleicht auch Geistliche Übungen.
Einen frohen adventlichen Gruß
Thomas Gertler SJ
11. Dezember 2019
Der schönste Text im Evangelium zum Thema Entschließen ist dieses folgende Gleichnis Jesu vom Schatz und von der Perle. Da kommt so richtig die Freude des Entschlusses zum Vorschein. So sieht es Jesus. So tut es Jesus. Denn der Schatz im Acker und die wertvolle Perle, für die er freudig alles gibt, das sind wir. Konkreter gesagt, das sind genau Sie, liebe Leserin, lieber Leser. Für uns gibt Jesus freudig alles dahin, um uns, um Ihr Herz zu gewinnen.

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Matthäus 13,44 - 46
13,44 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. 45 Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. 46 Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.