
Foto: Niteshift - CC BY-SA 3.0
Dom zu Güstrow
Um die Pädagogik der Schönheit zu verstehen, muss ich erst einmal vom Gegenteil reden, von der Pädagogik der Hässlichkeit. Das Eindrucksvollste in dieser Richtung war für mich die Leipziger Studentenmensa der achtziger Jahre, in die ich zu seligen DDR-Zeiten als Studentenpfarrer manchmal gegangen bin. So genannte Sprelacart-Tische (Spremberg, Laminat und Carton), an den Rändern abgesplittert. Plastikgeschirr und Aluminiumbesteck, das nie richtig sauber wurde. Essen auf die Teller geklascht, oft lieblos bereitet, lieblos ausgeteilt und lustlos gegessen. Die Folge war ein entsprechendes Benehmen bei den Studenten. Etliche hatten ihr eigenes Besteck dabei, manche nur einen angeschärften Löffel, mit dem alles hintergemäärt wurde, wie sie auf Sächsisch sagten. Pädagogik der Hässlichkeit. Wenn man hässlich behandelt wird, verhält man sich auch so.
Das Gegenteil habe ich mit den gleichen Studenten erlebt, als ich einen Ausflug nach Güstrow machte in das schöne Haus eines Architekten, der seinerzeit Barlachs Atelier gebaut hatte und nun sein eigenes Haus beim Dom kirchlichen Gruppen zur Verfügung stellte. Die Liebe, der Sinn für das Schöne, die Ehrfurcht vor den Dingen, mit denen diese Wohnung eingerichtet und die sofort zu spüren war, übertrug sich auf die Besucher und sie gingen mit Liebe und Ehrfurcht mit der Einrichtung und dann auch miteinander um. Das war Pädagogik der Schönheit für mich. Es musste gar kein Wort gesagt werden. Der erhobene Zeigefinger war überflüssig. Es übertrug sich ohne Worte. Haben Sie so etwas auch schon einmal erlebt?
Es geht mir oft so, wenn ich in eine Kirche komme, wie den Güstrower oder den Magdeburger Dom oder in das Kloster Hamersleben im Harz, das mir seinerzeit wie ein Schatz im Acker vorkam. Wenn ich so einen heiligen Raum betrete, verändert er mich körperlich. Die innere Ausrichtung des Raumes, richtet auch mich aus und auf. Seine Stille lässt mich schweigen. Seine Harmonie bringt auch mich in Einklang. Seine friedvolle Schönheit lässt meine Sorgen- Zornes- Trauerfalten glatt werden. Gibt es solche Räume auch für Sie? Wie für mich die Krypta im Erfurter Dom? Oder wie die strahlend renovierte Moritzkirche in Augsburg.
Wie ganz anders die Prachtbauten der Diktaturen: die gewalttätige Architektur der Nazis mit den Helden hart wie Kruppstahl. Sie will den Menschen klein machen und nur als Masse kommandieren. Oder die stalinistische Architektur, die sehr ähnlich ist. Die keine Marktplätze für das freie Treffen ihrer Bürger kennt und will, nur (Stalin-)Alleen für Aufmärsche und Militärparaden. Das Volk jubelt der Führung zu. Es geht um Macht und Einschüchterung. Da handelt es sich um eine Pädagogik der Unfreiheit und der Angst.
Für viele drückt sich diese Stimmung von Hässlichkeit oder umgekehrt von Schönheit nicht so sehr in der Architektur aus, sondern eher in der Musik. Mozart oder Bach oder ein Gregorianischer Chor bringen ganz ähnlich in den Frieden, in die Harmonie, in die Tiefe und in das glückliche Ja der Zustimmung und Einstimmung. Musik aus Glauben hilft zum Glauben wie die ganz einfache Musik von Arvo Pärt.
Diese Pädagogik der Schönheit muss nicht argumentieren. Sie spricht für sich selbst. Sie überzeugt durch den Eindruck, den sie hervorruft, auf die Augen und durch die Ohren. Folgen Sie ihr. Sie ist nicht laut und schreiend. Sie muss nicht immer heftigere Reize habe. Nein, sie erzieht zur tieferen und genaueren Wahrnehmung der Wirklichkeit und führt zu Gott und zu uns selbst und zur Nächstenliebe, weil sie dankbar macht. Sie führt ins Innere, nicht ins Äußere. Sie lenkt uns ins Zentrum und nicht ins Extrem. Folgen Sie der leisen Pädagogik der Schönheit. Sie spricht gerade jetzt auch durch die blühende Natur, durch „Gottes Grünkraft“, wie Hildegard von Bingen sagte.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
2. Juni 2021
In der Bibel ist es vor allem der Begriff der Herrlichkeit, mit dem diese ein-leuchtende Kraft der Schönheit beschrieben wird. Das deutsche Wort hat nichts mit „Herr“ sondern mit „hehr“=erhaben, Ehrfurcht gebietend zu tun. Griechisch „Doxa“, hebräisch „Kabod“. Diese Herrlichkeit strahlt auf und überzeugt: in der Schöpfung, im Menschen, vor allem in Gott. Die Jünger schauen die Herrlichkeit Christi in der Verklärung auf dem Berge und dann im auferstandenen Christus. Petrus war mit auf dem Berg und erzählt in seinem 2. Brief davon.
2 Petrus 1,16 - 19
1,16 Denn wir sind nicht klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundtaten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe. 17 Denn er hat von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfangen, als eine Stimme von erhabener Herrlichkeit an ihn erging: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. 18 Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren. 19 Dadurch ist das Wort der Propheten für uns noch sicherer geworden und ihr tut gut daran, es zu beachten, wie ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen.