Ohne Zuflucht

Foto: H. Helmlechner - CC BY-SA 4.0

 

Nein, ich will das nicht. Nein, ich will das nicht hören und nicht wissen. Nicht auch das noch! Ich komme extra hierher, um alles andere da draußen zu lassen, meinen Stress, meine Not, all das Dunkle und Trübe. Ich will einen Ort, wo es anders ist. Wo es schön ist und rein. Wo es das Heilige und den Frieden gibt. Wo ich auch selbst all das finden kann für mein Leben. So einen Ort muss doch geben – so eine Zuflucht wie diese schöne Kirche!

Und nun erfahre ich, dass es auch hier in der katholischen Kirche besonders schlimme Verbrechen gibt und gerade an den Kleinen, den Unschuldigen und Wehrlosen. Dass genau das geschehen ist und geschieht, wovon Jesus gesprochen hat. Dass diesen Kleinen durch sexualisierte Gewalt der Glaube, das Vertrauen, das Urvertrauen in die Welt und die Menschen zerstört wurde. Und das ist so besonders schlimm, weil ihnen damit die letzte Zuflucht geraubt wurde. Der Glaube an einen guten, liebenden, heilenden Gott. Weil die Verbrecher ja gerade die Vertreter des heiligen, guten und liebenden Gottes waren.

Nein, das will ich nicht und das soll nicht sein. Das darf es gar nicht geben. Auch mir wird damit die Zuflucht geraubt und der Raum des Heiligen und des Friedens und der Versöhnung kaputt gemacht. Mit Recht ist Jesus so zornig auf die, die den Kleinen die letzte Zuflucht rauben und zerstören und auch mir. Und mit Recht bin auch ich wütend und zornig und möchte allem den Rücken kehren. Ja!

Ja, aber was dann? Wenn es keinen Raum der Zuflucht mehr für mich gibt? Nein, das darf nicht sein! Das will ich erst recht nicht. Denn es ist ja doch so und das wird mir gerade jetzt durch diese Veröffentlichungen klar. Nicht die Kirche ist die letzte Zuflucht. Die letzte Zuflucht, die Zuflucht hinter der Zuflucht ist Gott. Ist Er allein! Und gerade all mein Vertrauen auf die Kirche und auf ihre Vertreter zu setzen, das ist naiv und falsch.

Denn jetzt erfahre ich, dass gerade dieses mein naives Vertrauen auf die Priester, auf die Kirche, auf die Gläubigen diese Verbrechen mit ermöglicht hat. Warum? Gerade weil ich es nicht für möglich gehalten habe, darum haben ich auch nicht richtig hingeschaut, darum wollte ich es gar nicht wissen. darum habe ich den Opfer wo möglich nicht richtig zugehört, habe ich ihnen nicht geglaubt. Nein, ein Priester macht so etwas nicht. Niemals! Darum habe ich die Augen verschlossen und weggeschaut, obwohl ich immer wieder einmal davon hörte. Und nicht nur ich. Auch so oft gerade auch die Verantwortlichen. Und weil sie so oft die Institution Kirche, nicht aber die Opfer schützen wollten.

Nein, das darf es nicht mehr geben. Und auch wenn der Priestermangel noch so groß ist, es muss bei den Priesterkandidaten auf die menschliche Reife, auf die Eignung, auf die erwachsene Beziehungsfähigkeit, auf die echte Gottesbeziehung geschaut werden. Es muss eine wirkliche Berufung zur Lebensform des Zölibates geben, sonst können, sonst dürfen sie nicht zur Weihe zugelassen werden. Ja, es braucht Änderungen und Wandlungen. Es braucht Umkehr. In der Institution und auch bei mir.

Und auch bei mir? Ja, auch bei mir! Darum komme ich ja zu Gott, dem Heiligen und Guten, dem Barmherzigen und Gnädigen. Ich brauche diese Zuflucht hinter der Zuflucht. Denn auch in mir, in meinem Leben gibt es das Böse, das ins Nichts, ins Aus, in den Tod führt. Aber diese Umkehr ist hart. Sie lässt mich nicht unversehrt. Jesus spricht davon, dass es mich Hand oder Fuß oder gar das Auge kosten kann. Umkehr ist hart. Aber sie allein ist der Weg zu Dir. Und ich kann den Weg nicht gehen ohne Gottes Kraft, ohne Seinen Beistand, ohne die ständige Bitte an Ihn.

Dass Sie nie ohne diese Zuflucht hinter der Zuflucht sind, das wünsche ich auch Ihnen!

Thomas Gertler SJ

3. Oktober 2018

 

Im Markusevangelium im 9. Kapitel gibt Jesus die Antwort darauf, wie er diese Verbrechen sieht, die in der Kirche begangen sind. Jesus steht ganz auf der Seite der Kleinen und Wehrlosen. Und Umkehr ist notwendig und hart. Sie lässt uns nicht unversehrt, aber sie ist möglich. Und wir kommen dann als Versehrte aber als Bekehrte zu Gott. Und letztlich hat nicht die Umkehr uns versehrt, sondern die Sünde und das Böse. Aber wie ist es denn mit Jesus selbst? Auch er trägt als Auferstandener noch die Wundmale von uns.

 

Foto: Atamari
Alter Mühlstein in Wuppertal

 

Markus 9,42 - 48

9,42 Und wer einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde. 43-44 Wenn dich aber deine Hand verführt, so haue sie ab! Es ist besser für dich, dass du verkrüppelt zum Leben eingehst, als dass du zwei Hände hast und fährst in die Hölle, in das Feuer, das nie verlöscht. 45-46 Und wenn dich dein Fuß verführt, so haue ihn ab! Es ist besser für dich, dass du lahm zum Leben eingehst, als dass du zwei Füße hast und wirst in die Hölle geworfen. 47 Und wenn dich dein Auge verführt, so wirf's von dir! Es ist besser für dich, dass du einäugig in das Reich Gottes eingehst, als dass du zwei Augen hast und wirst in die Hölle geworfen, 48 wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht verlöscht.