
Rundstirnmotte
James Lindsey – CC BY-SA 2.5
In dieser Jahreszeit muss man wirklich aufpassen! Schon wieder hat sich in der Abenddämmerung eine flatternde Motte in meine Wohnung verirrt. Weil ich keine Ahnung von dieser Spezies habe, denke ich besorgt an meine Küchenvorräte und meinen Kleiderschrank. Es ist wirklich ärgerlich, das weiß ich von einer Freundin, eine Mehlmotte in der Vorratskammer zu haben, denn die wird man so leicht nicht wieder los.
„Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören“ (Mt 6,19). In biblischen Zeiten hatten die meisten Menschen mit Ernte und Vorräten zu tun und sie kannten den Ärger mit den gefräßigen Winzlingen nur zu gut. So sagte Jesus mit dem Bild von Motten und Würmern nichts Neues, nämlich dass das irdische Hab und Gut des Menschen – damals wie heute – verletzlich und vergänglich ist.
Aber wir brauchen nun einmal viele Dinge für unseren Lebensalltag. Wir haben sie erworben oder geschenkt bekommen und ihnen einen Platz „hier auf der Erde“, so z.B. in der Wohnung, im Vorratskeller oder in der Garage eingeräumt, wo sie, so hoffen wir, sicher sind. Und verständlicherweise möchten wir sie makellos und perfekt. Hand aufs Herz: Würden Sie am Obststand einen Apfel mit Wurmstich kaufen? Wie ärgerlich ist ein Kratzer im Autolack oder wenn ein neues Kleidungsstück eine kaputte Naht hat? Oder wenn in einem Stuhlbein oder in einer bestimmten Situation erst einmal „der Wurm drin ist“! Makellos möchten wir die Dinge um uns herum gern haben, makellos nicht nur die Gegenstände, sondern ebenso unser An- und Aussehen, unsere Fitness, unsere Familie, unsere Biografie … Motte und Wurm passen da schlecht in unser (Selbst)Bild und werden manchmal buchstäblich zum Luxusproblem.
Ignatius spricht von einer ungeordneten Anhänglichkeit, wenn jemand sein Herz in übertriebener Weise an etwas hängt und diesem „irdischen Schatz“ oder diesem Wunschbild einen Götzendienst erweist. Schnell können dabei das Urteilsvermögen und das gesunde Maß verloren gehen. – Wie kann jemand darin zu Befreiung, Ordnung und Ruhe finden?
In der Stadt sieht man seit einigen Jahren oftmals junge Leute, die künstlich zerschlissene und durchlöcherte Jeans tragen. Richtig schäbig sehen die manchmal aus. Könnte das ein Gegenpol zu manchem hochpolierten und perfekt gestylten Lebensstil sein? Im Trend liegen auch imitierte Antikmöbel mit Wurmlöchern oder Emaile-Geschirr mit eingearbeiteten Rostflecken. Steckt dahinter reine Nostalgie oder vielleicht auch ein unbewusster Protest gegen eine zu heile, glatte, makellose Hochglanzwelt?
Jesus zeigt einen dritten Weg auf zwischen Perfektion und Protest: „Sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte und Wurm sie zerstören.“ (Mt 6,20)
Im Himmel? – Könnte ein Stück dieses Himmels dort sein, wo ich Verletztes und Beschädigtes (in meinem Leben) annehme? Könnte ein Stück dieses Himmels dort sein, wo ich Vermackeltes oder Kaputtes nicht länger verberge, sondern dazu stehe? Wo ich auch mal fünfe grade sein lasse, wo ich Frieden schließe mit etwas Unvollkommenem?
Könnte der Himmel dort beginnen, wo ich mich traue, eine Maske fallen zu lassen? Mich selbst? – Jemand hat einmal gesagt: „Nur wer sich fallenlässt, wird getragen.“
Legen wir uns doch solche himmlischen Schätze, aber nicht erst fürs Jenseits, an! Schätze für die Seele: Befreiung, das rechte Maß, Zufriedenheit und Ruhe. Vielleicht können wir dann sogar sehen, dass es (man höre!) auch wunderschöne Motten gibt, weil die meisten zur Ordnung der Schmetterlinge gehören.
Nun ja, trotzdem werde ich mir diese Woche wohl noch ein neues Fliegengitter für meine Balkontür kaufen.
Herzlich grüßt Sie
Marlies Fricke
04. Oktober 2017
Schöner Schmetterling oder schreckliche Motte. – „Lasst beides wachsen“, sagt Jesus zu seinen Jüngern, als diese Hand anlegen und Weizen und Unkraut trennen wollen. Zeit und Wert der Ernte bestimmt Gott. An uns ist es, beides anzunehmen:

Tagpfauenauge
© Foto: via Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0
Matthäus 13, 24 – 30
Und Jesus erzählte ihnen noch ein anderes Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.