
Gif: Hrushikesh - CC0 1.0
Es ist unglaublich, wie schnell so eine Mimose reagiert und ihre Blätter zusammenfaltet. Die Mimose trägt also ihren Namen zurecht, wie man in Anlehnung an einen alten Witz sagen kann, bei dem der Lehrer den Kindern erklärt: „Das Schwein trägt seinen Namen zurecht, denn es ist ein sehr unreinliches Tier…“ Dabei ist ja der Name Mimose vom Verhalten der Pflanze als Bezeichnung für das menschliche Verhalten genommen worden und nicht umgekehrt die Mimose nach ihrem Verhalten benannt worden. Nicht wahr, du zarte Mimose?!
Die Mimose nennt man ihres sensiblen Verhaltens wegen auch Sinnpflanze, weil sie Sinne wie die unseren zu haben scheint. Warum sie aber so sensibel ist, das war für mich nicht sofort heraus zu bekommen. Schließlich habe ich gelesen, die Blätter falten sich ein und senken sich herab, um damit Fressfeinde abzuwehren. Die rutschen nämlich dann herunter und fallen ab. Beziehungsweise sie meinen, dass die Pflanze welk ist und verlieren den Appetit.
Aber ich will hier nicht ein Seminar über die Pflanze halten, sondern ein wenig über unser mimosenhaftes Verhalten nachdenken. Für unser Alltagsverständnis ist ja das Mimosenhafte eher etwas Negatives. Es besagt übertriebensensibles Verhalten. Also wenn jemand bei einem eher harmlosen Scherz tödlich beleidigt reagiert. Oder jemand schreiend auf den Stuhl springt, weil eine Spinne über den Boden kriecht. Überempfindlichkeit.
Ich sage mal so: Jeder hat mindestens ein Gebiet, wo er übertrieben, wo er überempfindlich wo er mimosenhaft reagiert. Jetzt vielleicht gerade einige Fußballfans, wenn man sich (nicht) über die deutsche Mannschaft und Jogi Löw aufregt und wenn man bezweifelt, dass man es doch schon gleich gewusst hat. Das konntest du doch sehen, Mensch!!! Ich konnte es nicht sehen. Es hätte nur ein Ball, nur einer gleich ins Tor gehen müssen. Es wäre sehr gut möglich gewesen. Chancen waren genug da. Na ja. Es ist mir nicht so wichtig.
Und damit sind wir bei einem wichtigen Punkt. Dort wo es einem wichtig ist, da ist man auch empfindlich. Normalerweise und zumeist, wenn es die eigenen Kinder betrifft. Da sind Vater und Mutter ganz sensibel. Oft auch sehr übertrieben. Da fehlt zuweilen so etwas wie Vertrauen, dass es schon gut geht. Und damit sind wir beim nächsten Punkt. Wenn mir Vertrauen fehlt, wenn ich mich für alles und jedes verantwortlich, ja, sogar schuldig fühle und zwar nur ich, dann werde ich leicht vor Angst und Verantwortungsgefühl überwach. Alle Sinne sind ständig geschärft. So wie wenn ich allein tief im Wald bin und es wird Nacht. Was knackt da alles? Ich meine, den Atem von jemandem zu hören, dabei ist es der eigene. Aber bei der Mimose nicht nur nachts im Wald, sondern ständig und immer überempfindlich.
Ich habe einen Freund, der kann allein im Wald nur mit einem Schlafsack übernachten und ist morgens gut ausgeschlafen. Er hat es schon oft gemacht. Ich noch nie. Er ist damit vertraut. Das bin ich nicht. Ich hätte Angst und könnte kein Auge zu tun. Dafür kann ich eine Woche lang gut schweigen, beten, die Bibel betrachten und für mich sein, ohne Smartphone oder so, bis alle Sinne wieder geschärft sind und ich nicht nur die Vögel höre, sondern sogar Gott im Inneren spüre… In solchen so genannten Exerzitien geht es mir wie in dem kurzen Gedicht von Toyotama Tsuno: „Seit ich Nacht für Nacht auf seine Schritte warte, weiß ich erst, wie viele Geräusche in der Stille geschehen.“
Wenn ich dann „in die Welt“ zurückkehre, bin total empfindlich gegen den Lärm der Stadt, gegen die schreienden Reklameschilder. Da bin ich eine Weile wie eine Mimose, bin ich eine solche Sinnpflanze. Einerseits. Andererseits ruhe ich danach auch mehr in mir selbst, bin ich mehr ich selbst und darum regt mich dann vieles auch nicht auf, sondern lässt mich gelassen bleiben.
Genauso hat es mir auch eine gute Freundin erzählt. Sie war so eine ganz nach außen gerichtete Person, ständig ängstlich, überwach und mimosenhaft empfindlich. Seit sie zum Glauben und zum Gebet gefunden hat, ist das viel besser geworden. Sie ist mehr in Ruhe, im Vertrauen und in Gelassenheit. Das erleichtert ihr und auch ihren Nebenmenschen das Leben.
Dass Sie das auch erfahren, wünsche ich Ihnen!
Thomas Gertler SJ
4. Juli 2018
Die Gemeinde von Philippi war Paulus besonders lieb geworden. Das spürt man bis heute aus diesem Brief. Paulus schreibt über seine Freiheit gegenüber allen Lebensumständen. Er ist gar nicht mimosenhaft. Das ist bei ihm nicht Gleichgültigkeit oder eine stoische Lebenseinstellung. Nein, Paulus ist so frei, weil er alles vermag durch den, der ihn stärkt. Und Er, der Paulus gestärkt hat, will auch uns stärken.

Manuskriptstück des Briefs an die Philipper aus dem Ägyptischen Museum in Kairo aus dem 3. Jahrhundert.
Philipper 4,6 - 13
4,6 Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! 7 Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren. 8 Im Übrigen, Brüder und Schwestern: Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! 9 Und was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein. 10 Ich habe mich im Herrn besonders gefreut, dass ihr eure Sorge für mich wieder einmal [in einer Unterstützung für Paulus] entfalten konntet. Ihr hattet schon daran gedacht, aber es fehlte euch die Gelegenheit dazu. 11 Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mich in jeder Lage zurechtzufinden:
12 Ich weiß Entbehrungen zu ertragen, ich kann im Überfluss leben. In jedes und alles bin ich eingeweiht: in Sattsein und Hungern, Überfluss und Entbehrung. 13 Alles vermag ich durch den, der mich stärkt.