
Foto: Lienyuan Lee - CC BY 3.0
Kennen Sie das Pantheon in Rom? Es ist eines der besterhaltenen, wenn nicht das besterhaltene antike Gebäude in Rom. Schlicht, aber gewaltig. Es war einmal allen Göttern gewidmet (pan=alle; theos=Gott). Im 7. Jahrhundert wurde es eine christliche Kirche, von da an Maria und allen Heiligen geweiht. Was mich immer gewundert hat, ist das Loch in der Kuppel, die Sie auf dem Bild sehen. Die Kuppel hat einen Durchmesser von 43,45 m. Das Loch in ihrer Mitte hat einen Durchmesser von neun Metern. Riesig.
Was ich mich immer gefragt habe: Muss nicht eine Kuppel unbedingt einen Schlussstein haben, der alles zusammenhält? Wie hält die Kuppel mit einem Loch? Sie hält ja offensichtlich gut und schon sehr lange. Warum überhaupt das Loch? Hauptgrund ist: diese Öffnung ist außer den Türen die einzige Lichtquelle für das Pantheon oder Maria Rotonda. Aber das wirkt doch wirklich sehr altertümlich und seltsam. Denn es regnet (entgegen manchen Legenden) wirklich in das Gebäude hinein und im Boden gibt es darum auch Abflussmöglichkeiten.
Die Öffnung nennt sich Opaion. Opaion heißt Rauchloch, in der Mehrzahl Opaia – hat aber mit eia popaia nichts zu tun! 🙂 Aber Rauchloch gefällt mir und leuchtet mir ein. Ja, das gab es in ganz alten Gebäuden und Zelten immer, wo mit offenem Feuer gekocht und geheizt wurde. Rauch musste abziehen durch ein Loch im höchsten Punkt. Darum wirkt das Pantheon so sehr altertümlich. Wie aus einer Zeit, wo man es noch nicht anders konnte oder wusste. Aber hier natürlich bewusst so eingesetzt als künstlerisches Mittel. Also die Gebete in diesem Tempel und dieser Kirche steigen direkt hinauf in den Himmel und zu Gott. Und auch umgekehrt: denn man nennt so eine Öffnung auch Kuppelauge oder schlicht Auge. Der Himmel schaut auch direkt durch diese Öffnung auf die Betenden nieder. Gottes Auge ist auf uns gerichtet.
Dieses Rauchloch oder Auge gibt aber diesem Gebäude auch etwas Unvollkommenes. Da bleibt eben etwas offen und unvollendet. Es bleibt eben ein Loch. Da fehlt etwas. Oder? Interessanterweise hat man diese Öffnung nie geschlossen. Es wäre ja ein Leichtes heutzutage da eine Glasdecke einzuziehen. Nein, man hat es offen gelassen und heute wäre es sicher auch unmöglich, das zu schließen. Schon aus Ehrfurcht gegenüber dem Gebäude. Aber dieses Loch hat für mich auch eine Botschaft.
Ja, natürlich, das war Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, natürlich schon gleich klar. Die Verbindung nach oben, zu Gott hin soll bleiben und diese Öffnung bezeugt das, gerade als Tempel, gerade als Kirche. Aber auch dass darin etwas Unvollendetes ist, auch dass da etwas offen bleibt, durch das es reinregnet, das gehört zu dieser Botschaft. Wir wollen immer die Vollkommenheit. Wir wollen immer, dass wir und unsere Werke perfekt sind. Dass eben kein Loch und keine Lücke bleibt. Auch oft auf religiösem Gebiet gibt es das Streben nach Vollkommeheit. Aber es ist die Frage, ob das das richtige Ideal ist. Ob das nicht auch immer zur Überforderung führt. Wie ist es bei Ihnen? Muss alles perfekt sein? Oder wenigstens so aussehen? Kein Loch irgendwo?
Also Mut zur Lücke, ja, Mut zum Loch (auch im Strumpf). Die perfekte und geschlossene Welt ist eine Illusion und auch ein Gefängnis. Wenn mein Leben völlig perfekt ist, dann kann es verschlossen und ohne neue Lebensmöglichkeiten sein. Die Lücke, die Wunde, das Fehlende und der Fehler, das Versagen und die Unvollkommenheit öffnen mich und mein Leben auf das Größere, auf Gott hin. Gerade die Unvollkommenheit und das Leiden daran machen mich aufmerksam auf das, was über uns und unsere Möglichkeiten hinaus geht.
Immer bleibt diese Lücke, wir sollten sie nicht endgültig zu schließen suchen, sondern Ja sagen zu dem Loch, das bleibt und uns durch diese Lücke hinausführen lassen ins Größere, oder dadurch ins Licht kommen nach dem schönen Wort aus Leonard Cohens „Anthem“: „There is a crack in everything. That's how the light gets in“.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
11. September 2019
Menschen, die es mit der Perfektion haben, tun sich sehr schwer mit dem folgenden Gleichnis Jesu, mit dem Unkraut im Weizen. Sie wollen dieses Unkraut gern und sofort und mit Stumpf und Stiel ausrotten. Es fällt ihnen schwer, das Unkraut stehen zu lassen. Jesus aber weiß, dass es hoch gefährlich ist, so radikal zu sein und keinerlei Unvollkommenheit oder Lücke oder Fehler zu zu lassen. Er wünscht uns Gottes Geduld. Auch mit dem Unkraut oder den Fehlern oder Löchern in unserem Leben. Und sehen Sie nur, wie schön das Weizenfeld mit dem Unkraut darin aussieht!

Foto: Dellex - CC BY-SA 3.0
Matthäus 13,24 - 30
13,24 Jesus legte ihnen ein anderes Gleichnis vor: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. 25 Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg. 26 Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. 27 Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? 28 Er antwortete: Das hat ein Feind getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? 29 Er entgegnete: Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. 30 Lasst beides wachsen bis zur Ernte und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune!