
Foto: Globetrotteur17... Ici, là-bas ou ailleurs... - CC BY-SA 2.0
Das ist ein schönes deutsches Wort. Es wird nicht so oft gebraucht, aber jeder kennt es als Wort und als Erfahrung. Liebe ist eben nicht nur ein durchweg leichtes, fröhliches und beglückendes Erleben, sondern Liebe ist oft mit Mühe verbunden, aber Mühe aus Liebe tut sich leichter als bloße Mühe, als reine Mühsal, als Anstrengung ohne die Kraft spendende und Widerstände überwindende Liebe.
Ich lehne mich bei dieser Betrachtung der „Liebesmühe“ dankbar an eine anregende Meditation von Willi Lambert an, die er mir vor Jahren einmal geschickt hat.
Werden wir konkreter: wie viel Liebesmühe mit dem geliebten Säugling in einer fast gänzlich durchwachten Nacht. Liebesmühe, um eine gemeinsame Wohnung zu finden. Liebesmühe, um diese Wohnung dann einzurichten und zu beziehen. Wie lange dauert es, bis die letzte Kiste ausgeräumt und eingeräumt ist. Manchmal viele Monate. Bei meinem jetzigen Umzug hat mir meine Corona-Quarantäne sehr geholfen, auch den letzten Karton noch leer zu machten, zu falten und auf den Haufen zu schmeißen. Und vor allem die Liebesmühe meiner Brüder, mich täglich und acht Tage lang zu versorgen. Danke von Herzen! Wie viel Liebesmühe, den Kindern immer wieder bei den Schulaufgaben zu helfen. Liebesmühe, den dement werdenden Vater zu betreuen. Wie viel können Sie an dieser Stelle noch hinzufügen! Liebesmühe und -freude, den Hund täglich auszuführen. Liebesmühe, den wöchentlichen Impuls zu schreiben. Eine Kuh macht Muh – viele Kühe machen Mühe…
An diesem kleinen Scherz können wir erkennen, dass das Wort Mühe eigentlich ein Plural ist, dessen Singular Muh heißt und zugleich das einzige Wort ist, das Kühe ohne Mühe immer wieder einmal äußern und uns so von ihrem muh- und mühsamen Dasein berichten.
Aber bleiben wir dichter am Thema und gehen wir direkt auf unseren Vater Ignatius von Loyola (1491-1556) los, dessen Fest wir am 31. Juli feiern. Er spricht nämlich von der Liebesmühe Gottes, davon das Gott sich müht und plagt, dass Gott arbeitet und schuftet für mich. Das ist ziemlich erstaunlich, neu und ungewöhnlich. Oder? Das steht doch quer zu klassischen Vorstellungen davon, dass Gott sich – im Unterschied zu uns – eben gerade nicht anstrengen muss, dass er einen Willensakt setzt oder ein Wort spricht und dann geschieht, was er will (vgl. Genes 1). Aber dass Gott auch irgendeinen Widerstand überwinden und sich mühen müsste, nein, so etwas ist doch Gott ganz und gar nicht gemäß. Das ist eine gar zu menschliche Vorstellung. Oder? Hören wir wörtlich Ignatius. Er lädt uns ein, einmal folgendes zu betrachten:
Exerzitienbuch Nr. 236: Erwägen, wie Gott sich in allen geschaffenen Dingen auf dem Angesicht der Erde für mich müht und arbeitet, das heißt sich in der Weise eines Arbeitenden verhält (im Original auf Latein: habet se ad modum laborantis), wie in den Himmeln, Elementen, Pflanzen, Früchten, Herden usw., indem er Sein gibt, erhält, belebt und wahrnehmen macht usw.
Danach mich auf mich selbst zurückbesinnen.
In allen Dingen ist Gott also nicht einfach nur gegenwärtig und da, nein, er wirkt in ihnen, müht sich ab in ihnen, arbeitet in ihnen, und zwar nicht nur so im Allgemeinen, sondern mit einer Absicht, mit einer Richtung, mit einem Ziel wie Ignatius schreibt: für mich. Er arbeitet für mich. Das ist genauso unvorstellbar für mich, dass ich, gerade ich, in Gottes Blick und Absicht bin, dass er alles für mich wirkt und bewirkt. Eine große, fast unmögliche Herausforderung, das glauben zu sollen und zu können: für mich. Da bin ich doch immer gleich versucht, ironisch oder zynisch zu reagieren. Mir kommen die (früher üblichen?) Arbeitszeugnisse in den Sinn, in denen stand, „er bemühte sich stets, pünktlich zu sein“, was dann soviel heißt: er bemühte sich, aber geschafft hat er es nie. Gott müht sich, aber es gelingt ihm nicht, Gott müht sich, aber es ist vergebliche Liebesmühe. Das erfahre ich ja an meinem Leben und am Leben der Welt, wie sie gerade ist mit all ihrem Leid und Irrsinn.
Wie wahr es dagegen ist und in welche Tiefe es geht, was ich oberflächlich und zynisch denke, dass zeigt sich daran, was bei Ignatius im Hintergrund dieser Erwägung steht, nämlich die Mühe und die Last Jesu, die er für uns auf sich nimmt, nämlich die des Kreuzes. Die so vergebliche Liebesmühe, die Jesus sich macht, als er hinaufgeht nach Golgota. Das ist die Mühsal Jesu. Das ist die erst einmal so vergebliche Liebesmühe Jesu, an die Ignatius denkt. Für mich.
Ja, das weiß ich längst, weil ich es schon so oft gehört habe. Aber das hätte ich hier erst einmal nicht vermutet. Vergeblich ist die Liebesmühe Jesu zuletzt und Gott sei Dank nicht. Sie kommt zum Ziel und sie trägt den Sieg davon und so auch jeder, der da mitträgt. So heißt es bei Ignatius in der Betrachtung über den Ruf Christi: Deshalb muss, wer mit mir kommen will, sich mit mir mühen, damit er, indem er mir in der Qual folgt, mir auch in der Herrlichkeit folge (Exerzitienbuch Nr. 95). Dorthin ist er vorausgegangen. Aber er geht auch jetzt und hier alle Wege mit, mögen sie noch so mühsam sein.
Damit schließe ich für heute und wir machen jetzt vier Wochen Pause. Es gibt im Archiv viele weitere Impulse für diese Zeit.
Gottes Segen und Geleit wünsche ich Ihnen
Thomas Gertler SJ
27. Juli 2022
Als Bild hänge ich Ihnen an ein Gemälde, auf dem eine Vision des hl. Ignatius dargestellt ist in einer Kapelle vor Rom im Jahr 1537. Dabei wird Ignatius von Gott, dem Vater, dem kreuztragenden Christus zugesellt. Dem Christus, der die Liebesmühe für uns auf sich nimmt. Ignatius darf mit dem Kreuz tragenden Christus gehen als sein Gefährte. Als Bibeltext habe ich Ihnen nicht Simo von Cyrene ausgesucht, der Jesus das Kreuz trägt und hier auch gepasst hätte, sondern eine Stelle aus dem Propheten Jesaja, wo Gott seinem Volk sagt, dass er es mühselig trägt und schleppt von Kindesbeinen bis zum Greisenalter. Gott trägt und erträgt uns. Wie schön.
Jesaja 46,3 - 4
3 Hört auf mich, Haus Jakob / und der ganze Rest des Hauses Israel, mir aufgeladen vom Mutterleib, / getragen vom Mutterschoß an! 4 Bis ins Alter bin ich derselbe, / bis zum grauen Haar werde ich [euch] schleppen. Ich habe es getan / und ich werde tragen, / ich werde schleppen und retten.