Langeweile

Bild: GRPH3B18 - CC BY-SA 3.0 DEED

Fast schlimmer als zu viel zu tun zu haben, ist es, zu wenig zu tun zu haben. Zu Hause sitzen und einfach Langeweile zu haben. Ja, am Anfang da gibt es das zu tun, was ich schon immer mal machen wollte, wozu ich aber nicht gekommen bin. Mal den Kleiderschrank durchzusehen und so einiges rauszuschmeißen, was ich schon seit drei oder fünf Jahren nicht mehr getragen habe. Oder das Gleiche mit dem Bücherregal zu tun. Oder endlich mal die Fotos zu ordnen.

Gut, das habe ich jetzt getan und vielleicht auch noch anderes. Aber es geht mir nun wie den Kindern in langen Ferien: „Ich weiß nicht was ich machen soll. Ich habe zu nichts Lust!“ Langeweile stellt sich ein. Je länger sie dauert, umso heftiger. Unlust macht sich breit, nichts lockt mich. Und aufs Neue vorsichtig mit dem Rausgehen muss ich auch sein. Da lauert immer noch und schon wieder Corona. Jetzt in neuen Varianten. Was tun? Wie mit Langeweile umgehen?

Mein schwerer Ratschlag: versuchen Sie die Langeweile anzunehmen. Ihr nicht auszuweichen. Nicht vor ihr fortzulaufen. Sich nicht immer neu abzulenken durch das Handy, durch den Fernseher, durch Videospiele usw. Nein, all das steigert innerhalb kurzer Zeit noch den Überdruss und die Langeweile. Denn all das befriedigt nicht wirklich. Es macht nicht froh und bringt nicht den Frieden.

Wenn ich aber einmal diese Langeweile bewusst aushalte (und das heißt für mich: mich ruhig mit meinem Tagebuch oder einem Zettel, mit einer Kerze und einem Kreuz oder Jesusbild hinsetze) und sie nicht durch äußere Reize zudecke, dann fängt mein Inneres an zu sprechen. Ja, aber genau das versuche ich ja immer zu vermeiden. Genau das will ich ja nicht hören, was da aus dem Inneren hochkommt. Denn da steigen alle unangenehmen Dinge auf. Dass ich schon so lange einen Konflikt mit einem alten Freund habe und das tut weh. Ich will es gar nicht wissen. Ich weiß in dieser verdrängten Tiefe meines Herzens, ich müsste in vielem anders leben, nicht nur was Essen und Trinken betrifft, nein, auch was so letzte Fragen betrifft. Das meldet sich ja immer wieder. Was soll das alles? Wo gibt es Sinn? Was macht mich froh? Jeder kennt das.

Alles das meldet sich, wenn ich mal der Langeweile nicht ausweiche, sondern in sie reingehe. Und das ist eben unangenehm. Es konfrontiert mich mit mir selbst, meinen Versäumnissen, meinen Gefährdungen, meiner Hilflosigkeit und Ohnmacht. Furchtbar. Total uncool. Aber diesmal nicht ausweichen, abhauen und zudecken, sondern dabeibleiben, aushalten und anschauen und beten. Stück für Stück anschauen, vielleicht sogar aufschreiben auf meinen Zettel oder ins Tagebuch und dann ins Gebet nehmen, Gott hinhalten.

Und dabei immer wieder sich selbst sagen: Das ist nicht gut, das war nicht gut, ja, das stimmt, aber es kann wieder gut werden. Es kann heilen und es kann Versöhnung und Annahme finden. Nicht allein durch mich und meine Kraft, sondern durch Gottes Heil- und Versöhnungskraft. Mir hat einmal meine geistliche Begleiterin gesagt: „Das Lamm Gottes ist stark. Dem kannst Du alles aufladen. Es trägt alles weg. Und alles, was Du in Gottes Licht stellst und nicht mehr verdrängst und im Dunkeln lässt, dass kann heil und hell werden.“

Das ist der erste Schritt und das reicht für heute. Aber ich kann Ihnen versprechen – wenn Sie das tun, in die Langweile hineingehen, wird sich auf Dauer Frieden einstellen. Und gegen die Langeweile fällt Ihnen dann der nächste, mögliche Schritt hin auf Gott und den Nächsten und sich selbst ein.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

4. Oktober 2023

Das ist die Versuchung der Mönche, besonders der allein lebenden Eremiten, Langeweile und Überdruss, im Griechischen heißt das Wort dafür „Acedia“ zu erfahren. Mit ihr, der auch Mittagsdämon genannt wird, muss der Mönch fertig werden. Der entscheidende Ratschlag dagegen heißt: „Bleib in deiner Zelle! Wie der Überdruss kam, so vergeht er. Bleib da, halte aus, trage und sei geduldig.“ Das Beispiel für die durchhaltende und aushaltende Geduld ist Gott selbst, der trägt uns und schleppt uns geduldig in der Hoffnung, dass wir eines Tages seine Liebe und Barmherzigkeit verstehen, seine Geduld und Tragekraft und sie dann selbst nachahmen. Jesaja schreibt uns davon. Aber die Götzen in unserem Leben tragen uns nicht. Die müssen von uns getragen werden.

Foto: Indranil Gayan - CC BY-SA 4.0 DEED

Jesaja 46,3 - 7

46,3 Hört auf mich, Haus Jakob / und der ganze Rest des Hauses Israel, mir aufgeladen vom Mutterleib, / getragen vom Mutterschoß an! 4 Bis ins Alter bin ich derselbe, / bis zum grauen Haar werde ich schleppen. Ich habe es getan / und ich werde tragen, / ich werde schleppen und retten. 5 Mit wem wollt ihr mich vergleichen, / neben wen mich stellen? Wem wollt ihr mich ähnlich machen, / auf dass wir uns glichen? 6 Man schüttet Gold aus dem Beutel / und wiegt Silber ab auf der Waage. Man bezahlt einen Goldschmied, damit er einen Gott daraus macht. / Man beugt sich und wirft sich sogar nieder. 7 Man trägt ihn auf der Schulter / und schleppt ihn umher; dann stellt man ihn wieder auf seinen Platz / und dort bleibt er stehen; / er rührt sich nicht von der Stelle. Ruft man ihn an, so antwortet er nicht; / wenn man in Not ist, kann er nicht helfen.