Kim Phuc oder der lange Weg zur Vergebung

Bundesarchiv, Bild 183-1985-0206-024 / Hiekel, Matthias / CC-BY-SA 3.0

Das ist doch ein Bild der Dresdner Frauenkirche nach ihrer Zerstörung. Wieso dann der Name Kim Phuc? Die Vietnamesin Kim Phuc Phan Thi hat dies Jahr den 10. Dresdner Friedenspreis erhalten. Die meisten von uns werden diesen Namen nicht kennen, aber die meisten kennen ihr Bild als kleines Mädchen aus dem Jahr 1972. Wie sie schwerst verbrannt durch Napalm schreiend auf uns zu rennt.

Sie hat mit Mühe und Not überlebt. Sie war schon aufgegeben. Siebzehn Operationen hat sie überstanden, bei denen Haut von den Beinen auf den Rücken und den Arm übertragen wurde. Bis heute ist sie nicht schmerzfrei. Schlimmer noch als die körperlichen Schmerzen waren ihre innere Wut und Verzweiflung, war ihr Hass. Warum ist das so passiert? Warum mir? Was soll der Sinn von all diesen Schmerzen und Leiden sein? Sie wollte lieber sterben.

Sie wurde von der Vietnamesischen Regierung als Propagandafigur missbraucht und vorgezeigt. Das furchtbare Bild ging ihr ganzes Leben mit ihr. Erst als das Bild, das alle diese Fragen und Wunden in ihr ständig lebendig hielt. Auf ihrer Sinnsuche fiel ihr in der Bibliothek des kommunistischen Vietnam die Bibel mit dem Neuen Testament in die Hände. Sie las Jesu Botschaft von der Barmherzigkeit und der Vergebung und das änderte ihr Leben. Das gab ihr Antwort und zeigte ihr einen Weg zur inneren Heilung.

Sie sagt selbst darüber: „Forgiveness made me free from hatred. I still have many scars on my body and severe pain most days but my heart is cleansed. Napalm is very powerful, but faith, forgiveness, and love are much more powerful. We would not have war at all if everyone could learn how to live with true love, hope, and forgiveness. If that little girl in the picture can do it, ask yourself: Can you?” “Vergebung befreite mich vom Hass. Ich habe immer noch viele Narben auf meinem Körper und die meisten Tage schwere Schmerzen, aber mein Herz ist frei davon. Napalm ist furchtbar mächtig, aber Glauben, Vergebung und Liebe sind sehr viel mächtiger. Wir hätten überhaupt keinen Krieg mehr, wenn jedermann lernen könnte, mit wahrer Liebe, mit Hoffnung und Vergebung zu leben. Wenn das kleine Mädchen auf dem Bild das tun kann, frage dich: Kannst nicht auch du es?“

Ja, das ist die Frage. Kann auch ich vergeben? Freilich das ist ein langer Weg. Das geht nicht sofort. Da sind erst einmal Wut und Hass und all die Fragen nach dem Sinn und da ist erst einmal nur Sinnlosigkeit, Leere, ja, der Wunsch, lieber tot zu sein. Aber es kann auch das Wunder geschehen, dass sich das alles wandelt. Dass mir die Botschaft Jesu begegnet und meine Wunden im Herzen heilt. So hat es Kim Phuc erfahren und es hat ihr Leben gewandelt.

Sie konnte eines Tages mit ihrem Mann aus dem kommunistischen Machtbereich nach Kanada fliehen. Sie hat angefangen, etwas für Menschen zu tun, die so verletzt waren wie sie. Sie hat eine Stiftung gegründet und sie ist heute Unesco-Botschafterin und bringt ihre Botschaft in die ganze Welt. Und so kam sie auch nach Dresden. In die Stadt, die so schwer zerstört wurde im Krieg. Aber deren Frauenkirche wieder errichtet ist und Zeichen für Frieden und Versöhnung sein will und sein soll.

Foto: Netopyr - CC BY-SA 3.0

Wie es Kim Phuc gesagt hat: Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber ein jeder kann mitarbeiten an einer friedvollen Zukunft. (“she said that one cannot change the past, but everyone can work together for a peaceful future”).

So hat sich für sie auch das Foto aus dem Krieg von einem Schreckensbild für sie gewandelt zu einem Bild, das aufruft gegen Krieg, Hass und Gewalt für Hilfsbereitschaft und Versöhnung. So kann es für uns das Bild der Frauenkirche sein.

Vergebung ist möglich und wahre Vergebung verwandelt die Welt zum Guten.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

20. Februar 2019

Es ist ja klar, welcher Text aus dem Neuen Testament hier stehen muss. Ich will nur auf folgendes hinweisen: Für Jesus ist es zuerst die Feindesliebe seines himmlischen Vaters, die er jeden Tag sieht, nämlich, dass Gott gut ist und barmherzig zu jedem Menschen, auch und gerade zu den Unbarmherzigen und Bösen. Er schenkt uns Sonne und Regen und damit das Leben, jeden Tag und uns allen, auch seinen Feinden, ohne Bedingungen. Und das ahmt Jesus nach. Und wenn uns dieses Liebe Jesu erreicht und berührt, dann kann sie auch uns wandeln wie Kim Phuc und uns zu liebenden, barmherzigen und vergebenden Menschen machen.

Der barmherzige Vater von Rembrandt

 

Matthäus 5,43 - 48

5,43 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? 48 Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!