
Der blaue Kunigundenmantel - CC BY-NC-ND 4.0
Das da oben ist er. Im Halbkreis über die Schulter zu werfen. Und er ist tausend Jahre alt. Ich habe ihn jetzt in Bamberg bewundern können. Königin Kunigunde (980-1033) hat diesen Mantel dem Dom von Bamberg gestiftet als liturgisches Gewand. Das war um das Jahr 1014, als der Bamberger Dom im Jahr 1012 gerade eingeweiht war. Auf dem Mantel sind Goldstickereien auf byzantinischer Seide. Sie sind einzigartig und einzig auf der Welt so gut erhalten. Die Stickereien zeigen vor allem weihnachtliche Szenen, aber auch zahlreiche Geschichten des Apostels Petrus, dem der Dom zusammen mit dem hl. Georg geweiht ist.
Die Goldstickereien sind original erhalten und bestehen aus 56 Medaillons mit den erwähnten Geschichten. Der tragende Stoff ist ersetzt worden und die Stickereien sind von Dorothea Beham in jahrelanger Arbeit (1437-1441) vom alten Stoff ausgeschnitten und auf diesen neuen Stoff übertragen worden. Dabei wurde der Mantel um 14 cm länger, als er vorher war. Wer ihn heute über die Schulter werfen wollte, muss weit über einen Meterachtzig groß sein.
Und warum ein musikgeladener Mantel? Um die Medaillons herum sind Texte von Antiphonen, also von Messgesängen, gestickt worden. Sie stammen vor allem aus dem Weihnachtsfestkreis, zum Beispiel die bekannten O-Antiphonen, die wir auch heute in der Adventszeit singen (z. B. Gotteslob 222). Sie sind jeweils in Verbindung mit dem Magnificat, dem Lobgesang Marias (Lk 1,46b-55) zu singen. Hier gibt es einen Vortrag und Beispiele für die Musik auf dem Mantel der Kunigunde zu hören. Zugleich lernen wir da, wie Musik damals überliefert wurde. Noten zu schreiben, hat sich nämlich erst ganz allmählich entwickelt.
Die Gründung des Bistums Bamberg (1007) und die Errichtung des Domes (Weihe am 6. Mai 1012) waren das Werk des ersten deutschen Kaiserpaares Heinrich und Kunigunde. Beide sind gemeinsam am 14. Februar 1014 von Papst Benedikt VIII. in Rom gekrönt worden. Ostern 1020 besuchte im Gegenzug Papst Benedikt das Kaiserpaar in Bamberg und weihte die Kirche St. Stephan ein. Bei dieser Gelegenheit erhielt Heinrich den ebenso berühmten Sternenmantel zum Geschenk. Auch er kann hier und im Dommuseum betrachtet werden.
Warum halte ich heute so eine kleine Geschichtsstunde ab? Weil ich mal wieder eine Woche in Bamberg war und das Dommuseum besucht habe. Der Kunigundenmantel und der Sternenmantel sind einmalige Zeugnisse damaliger Kunst und Zeit. Sie gelten als Reliquien, denn dieses Kaiserpaar ist heiliggesprochen worden und hat ganz viel für die Kirche und die Kultur damals getan. Darum auch hat man diese liturgischen Gewänder so heiliggehalten und unbedingt und mit großem Aufwand bewahrt. Und ein zweiter Grund: Die Jahre um 1000 waren aufgeladen mit Ängsten und Befürchtungen. Es gab eine Endzeitstimmung. Sie war genährt aus der Offenbarung des Johannes, der Apokalypse. Sie spricht davon, dass 1000 Jahre nach Christus der Antichrist losgelassen wird (Apk 20), danach beginnt ein 1000-jähriges Reich Christi. Das alles wurde also in dieser Zeit erwartet.
Auf dem Kunigundenmantel gibt es ein relativ kleines Bild, das den Tod des Christenverfolgers Kaiser Nero zeigt, unter dem Petrus gekreuzigt worden war. Nero wird von Wölfen gefressen.
Man befürchtete damals, dass der Antichrist in Gestalt des Kaisers Nero wiederkommen würde. Die Stickerei zeigt, dass Nero sein Ende gefunden hat und nicht wiederkommen wird. Der Kunigundenmantel will Hoffnung vermitteln. Und das verbindet uns mit damals. Einmal die auch jetzt verbreitete Endzeitstimmung mit all den berechtigten Ängsten, aber andererseits für die Gläubigen auch die Hoffnung, dass nicht die Ängste und der Untergang das letzte Wort haben, sondern das neue Leben der Auferstehung, das mit Christus begonnen hat.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
13. September 2023
Sie sehen ein Bild aus der Bamberger Apokalypse, das die Krönung des Königs Heinrich (oder Königs Otto) zeigt. Der Psalm 45 passt gut zum Thema der festlichen Gewänder von Königin und König.
Psalm 45
45,1 Für den Chormeister. Nach der Weise Lilien. Ein Weisheitslied der Korachiter. Ein Liebeslied. 2 Mein Herz fließt über von einem guten Wort. / Ich trage mein Werk dem König vor. Meine Zunge gleicht dem Griffel des flinken Schreibers. 3 Du bist der Schönste von allen Menschen,/ Anmut ist ausgegossen über deine Lippen; darum hat Gott dich für immer gesegnet. 4 Gürte, du Held, dein Schwert um die Hüfte! O deine Pracht und Hoheit! 5 In deiner Hoheit habe Erfolg, / kämpfe für die Wahrheit und für die gebeugte Gerechtigkeit! Furcht gebietende Taten soll deine Rechte dich lehren. 6 Deine Pfeile sind scharf, / unter dir fallen Völker; ins Herz getroffen sind die Feinde des Königs. 7 Dein Thron, Gott, steht für immer und ewig; ein gerechtes Zepter ist das Zepter deines Königtums. 8 Du liebst das Recht und hasst das Unrecht, / darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit dem Öl der Freude wie keinen deiner Gefährten. 9 Von Myrrhe, Aloe und Kassia duften alle deine Gewänder, aus Elfenbeinhallen erfreut dich Saitenspiel. 10 Königstöchter in deinem kostbaren Schmuck, die Gemahlin steht zu deiner Rechten im Glanz von Ofirgold. 11 Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr, vergiss dein Volk und dein Vaterhaus! 12 Der König verlangt nach deiner Schönheit; er ist ja dein Herr, wirf dich vor ihm nieder! 13 Auch die Tochter Tyrus kommt mit Gaben. Deinem Angesicht schmeicheln die Reichen des Volks. 14 Alle Herrlichkeit ist drinnen die Tochter des Königs, golddurchwirkt ist ihr Gewand und reich gemustert. 15 Sie wird in bunt gestickten Kleidern zum König geleitet, Jungfrauen sind ihr Gefolge, / ihre Freundinnen werden dir zugeführt. 16 Sie werden geleitet mit Freude und Jubel, sie kommen in den Palast des Königs. 17 An die Stelle deiner Väter treten einst deine Söhne; über das ganze Land setzt du sie ein als Fürsten. 18 Ich will deinen Namen in Erinnerung rufen von Geschlecht zu Geschlecht; darum werden die Völker dich preisen auf immer und ewig.