Keine Gewalt!

Foto: Thomas Gertler

Gerade komme ich von Katholikentag in Münster. Ich war ziemlich aufgeregt wegen mehrerer Veranstaltungen. Dazu hatte ich ja im letzten Impuls eingeladen. Schön, dass so viele gekommen sind! Zum Gottesdienst am Samstag waren sogar weit über tausend Personen im Münsteraner Dom. Das war unglaublich und wir hatten viel zu wenig Liedzettel, aber es ging trotzdem alles gut und sehr gut. So eine gute Atmosphäre und Bereitschaft, wirklich mit zu feiern und mit zu beten!

Das war auch schon bei dem noch viel größeren Eröffnungsgottesdienst vor dem Schloss so. Und da habe ich als Ossi in der Predigt von Bischof Felix Genn noch was Neues über die Nachwendezeit gehört. Nämlich vor dem LWL-Museum in unmittelbarer Nähe des Domplatzes steht jetzt diese Glocke, die Sie oben sehen. Sie ist gegossen in Dessau aus den Waffen der Nationalen Volksarmee und der Kampfgruppen der DDR-Betriebe. Sie hängt sonst in Dessau am Platz der Deutschen Einheit. Dass es diese Glocke überhaupt gibt und dass sie jetzt hier steht als Gastbeitrag zu den vier Ausstellungen zum Thema Frieden, das war mir neu. Und das muss ich Ihnen natürlich weitererzählen.

Auf der Glocke steht der Ruf der Demonstranten der Montagsdemos in der ehemaligen DDR: „Keine Gewalt!“ Dieser Ruf galt sowohl den Demonstranten wie der Volkspolizei. Die Losung wurde immer am Ende der Friedensgebete ausgegeben: „Keine Gewalt!“ Denn die Friedensgebete sollten Frieden bringen. Und das haben sie ja getan. Die Friedensgebete haben die Revolution damals friedlich gemacht, ja dann auch fröhlich, souverän und humorvoll. Gott sei Dank!Keine Gewalt! Das trifft natürlich zuerst für die politische Auseinandersetzung zu. Gewalt führt nämlich fast immer zu Gegengewalt und setzt einen Teufelskreis in Gang, aus dem es oft kein Entrinnen gibt. Wie heute zwischen Israelis und Palästinensern. Wie soll es da jemals Frieden und Versöhnung geben und ein Zerreißen der Gewaltkette, die alle fesselt und unfrei macht?

Aber „keine Gewalt!“ ist auch so wichtig in den meisten anderen Lebensbereichen. Mit Gewalt werde ich zum Beispiel nie einen Faden ins Nadelöhr einfädeln können – nur mit Geduld und Spucke und Geschick. Also das Foto der Glocke oben können Sie sich auch aufs Nähkästchen kleben. Genausgut können Sie es auch mit in die Gebetsecke nehmen. Denn zuweilen passiert es, dass wir es auch da mit Gewalt probieren. Viele haben das so getan. Besondere Exemplare solcher Gewalttätigkeit im Beten und Fasten und Beichten waren Luther und auch unser Ordensgründer Ignatius. Beide sind damit gescheitert. Und erst dann haben sie verstanden, was Vergebung, was Gottes unverdiente und verwandelnde Liebe ist. Tun Sie sich und Gott keine Gewalt an!

Gerade auf religiösem Gebiet ist die Gewalt heute wieder weit verbreitet. Nicht nur wie bei den beiden genannten als Gewalt gegen sich selbst, sondern mehr noch Gewalt gegen andere. Furchtbar! Wenn diese Gewalt doch ein Ende fände!

Aber wie viel Gewalt tun wir auch einfach der Erde an. Wie viele Wälder werden abgeholzt! Wie viele Felder werden mit Gülle überdüngt und die gelangt allmählich ins Grundwasser. Wie sehr werden die Meere misshandelt durch Überfischung und durch Plastik, das dann in die Nahrungskette gelangt und dann auch wieder in unseren eigenen Körper. Aber ich will damit nicht fortfahren alle diese Gewalttaten aufzuzählen. Es macht einfach traurig und führt in Gedanken der gewalttätigen Wut oder der lähmenden Ohnmacht.

Wichtiger ist es auf das Positive zu schauen wie diese Glocke. Wir können auch ohne Gewalt große Veränderungen erreichen. Und es kann wirklich geschehen, was Sie unten lesen, dass die Waffen umgeschmiedet werden zu Pflugscharen oder zu Glocken gegossen werden, die dann zum Frieden rufen.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

16. Mai 2018

 

Der Prophet Micha (vgl. auch Jes 2) sieht das als unsere Zukunft: Frieden und Versöhnung, Gewaltlosigkeit und Völkerwallfahrt zum großen Friedensgebet auf dem Zion und die Waffen werden umgeschmiedet zu Pflugscharen und Winzermessern für die reiche Ernte von Weinberg und Acker. Das ist unsere Zukunft!

Einladungsplakat zum Friedensgebet in die Nikolai-Kirche in Leipzig.

 

Micha 4, 1 - 4

4,1 Am Ende der Tage wird es geschehen: / Der Berg mit dem Haus des Herrn / steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. / Zu ihm strömen die Völker.
2 Viele Nationen machen sich auf den Weg. / Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn / und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, / auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung, / aus Jerusalem kommt das Wort des Herrn.
3 Er spricht Recht im Streit vieler Völker, / er weist mächtige Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern / und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, / und übt nicht mehr für den Krieg.
4 Jeder sitzt unter seinem Weinstock /und unter seinem Feigenbaum und niemand schreckt ihn auf. / Ja, der Mund des Herrn der Heere hat gesprochen.