„Angelus Militans“, so hat Paul Klee (* 1879) dieses Bild genannt: „Kämpfender Engel“. Es gehört zu den letzten Bildern in seinem Leben. 1940 ist es gemalt. 1940 ist Paul Klee gestorben. Und sicher hat das Bild Bezug zum Zweiten Weltkrieg.
Paul Klee hat viele Engelbilder gemalt und gezeichnet. Es gibt ein sehr schönes kleines Buch dazu. Darunter sind viele heitere und humorvolle Bilder wie der „Schellenengel“ oder der „Vergessliche Engel“ – in meinem Alter ein ständiger Begleiter. Aber dieser militante Engel hier ist weder heiter noch humorvoll. Er kämpft wie der heilige Michael.
Wir wollen heute dieses Bild miteinander anschauen. Und eine Bildbetrachtung beginnt immer damit, dass wir sagen, d.h. uns bewusst machen, was wir sehen. Was sehe ich? Zentral ist die Figur des Engels mit seinen leuchtenden goldgelben und rotgoldenen Farben. Ja, diese Farben leuchten, als ob Licht hindurchfällt. Aber was genau Flügel ist, was genau Arm des Engels sein soll, das bleibt unklar. Pinkfarben ist der Kopf mit den beiden weit aufgerissenen Augen. Wohin schauen sie? Nach oben? Nach rechts? Uneindeutig. Vom Kopf aus dann eindeutig eine dicke schwarze Linie nach links oben. Was stellt sie dar? Trompete, Stab, Schwert? Alles möglich.
Was sehen wir noch? Alles andere neben dem Engel ist viel dunkler gehalten, grün, blau, rot. Die dunkle, kriegserfüllte Welt? Vielleicht. Unten links sind eine Figur oder mehrere zu sehen. Man kann da einen Käfer ausmachen mit zwei Fühlern. Es könnte auch eine Trommel sein und darüber der Trommler mit zwei schwarzen Augen, die zu uns blicken. Auch mehrdeutig. Mir passt Trommler ganz gut. Kriegstrommler mit roter Mütze oder rotem Schopf. Oder mit rotblauem Helm und grauem Bart. Und am rechten Bildrand in der Höhe der Trommleraugen noch etwas, das kann auch verschiedenes sein. Zum Beispiel eine Fahnenstange mit Fahne, die nach rechts aus dem Bild hinausweht. Fahne mit Punkt und Halbkreis. Könnte aber auch der Flügel eines Insektes sein, dessen Kopf dann zum Engel weist.
Jetzt haben wir ungefähr beschrieben, was wir sehen an irgendwie gegenständlich Deutbaren auf dem Bild. Aber vielleicht haben wir noch gar nicht das Wesentliche gesehen. Nämlich die Weise, wie das alles gemalt ist. Das Auffälligste neben den Farben sind die dicken schwarzen Linien. Sie sind alle gleich dick. Gerade dadurch wirken wie, ja, wie denn? Ja, genau, sie wirken wie die Bleieinfassungen eines Kirchenfensters. So sollten wir es vielleicht sehen, wie ein Kirchenfenster mit dem Erzengel Michael, dem kämpfenden Engel.
Daher das Leuchtende im Gewand und in den Flügeln des Engels. Göttliches Gold leuchtet da durch das Fenster. Und diese schwarzen Linien geben dem Bild auch etwas Archaisches, etwas Wuchtiges. Die Linien sind nicht leicht und zart, schwebend wie bei viele anderen Engelbildern von Paul Klee, nein, schwarz und gleichmäßig wie Bleieinfassungen des Glases. Das ist eindeutig.
Andererseits ist so viel unklar und vieldeutig auf dem Bild. Das will der Maler anscheinend bewusst so haben oder was für mich wahrscheinlicher ist, auch der Maler weiß es nicht. Das Bild fällt ihm so mehrdeutig in die Seele und von dort bildet es sich auf der Leinwand ab. Das heißt, wir sind als Betrachter aufgefordert, selbst zu schauen und zu deuten oder auch offen zu lassen. Wie mit den Bildern in unserer eigenen Seele. Wie mit den Bilder unserer Träume. Sie können sich in ihrer Be-Deutung mit meiner eigenen Situation wandeln. Immer wieder. Wie sich unsere Sicht der Welt, unsere Sicht Gottes, unsere Sicht auf unser Leben wandelt. Heute sehe ich da die Fahne. Übermorgen den Falter. In zwei Jahren etwas anderes.
Aber es gibt auch etwas, das sicher und klar ist, das uns Paul Klee sagen und übermitteln will: Im „Angelus Militans“ kämpft Gott für mich. Ausgedrückt mit Mitteln der mittelalterlichen Glasmalerei. Das göttliche Gold ist da, ja, auch jetzt im Kampf, auch im Krieg und auch in all unseren Unsicherheiten und Unklarheiten unseres Lebens jetzt im Kampf mit Corona und den Folgen. Und dass Gott kämpft für mich und für uns, das gilt und ist dick unterstrichen. Und er wandelt auf unserer Erde dieser „Angelus Militans“.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
30. September 2020
Der Kampf zwischen Gut und Böse beginnt nach dem Buch der Offenbarung (oder der Apokalypse) im Himmel. Der „Angelus Militans“, der heilige Michael wirft den Bösen, den Satan aus dem Himmel auf die Erde, wo er jetzt wütet. Wo ihn aber auch dieser kämpfende Engel und auch die Gerechten besiegen und besiegen werden. Noch aber wütet der Kampf.
Offenbarung 12,7 - 12
12,7 Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, 8 und er siegte nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. 9 Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt. Er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen. 10 Und ich hörte eine große Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder und Schwestern ist gestürzt, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott. 11 Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis hin zum Tod. 12 Darum freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen! Weh aber der Erde und dem Meer! Denn der Teufel kam zu euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, dass er wenig Zeit hat.