Jeder braucht mal Hilfe –
Vom Tragen und Sich-tragen-lassen

An einer Pinnwand.
Foto: Marlies Fricke

Sich einfach mal hängenlassen, wunderbar! Sich einfach dem Grund überlassen wie bei der Eutonie oder Massage oder in der Hängematte. Sich loslassen, fallenlassen, wer sehnt sich nicht manchmal danach?

Aber da sind die Pflichten und Erwartungen, die beständig zum Weitermarschieren rufen. Wer zeigt schon gerne Schwachheit, obwohl sie zum Leben dazu gehört? Ein wenig Tempo hat die Corona-Pandemie hier und da herausgenommen, aber wirklich entspannend ist diese Zeit - weiß Gott - ja auch nicht. „Müde und erschöpft“ (Mt 9,36) wie schon in biblischen Tagen, so taumeln viele Menschen durch den nicht enden wollenden Corona-Alltag.

Jeder braucht mal Hilfe“, so sagen wir, nicht nur in Krisenzeiten. Dabei fällt es vielen Menschen leichter, Hilfe zu geben, als sie zu erbitten oder anzunehmen. Aber die Selbstsorge, also in einem guten Maß auf sich selbst zu achten, ist notwendig für ein ausgeglichenes Dasein. Wir sollten uns regelmäßig erlauben, uns auch mal abzuhängen vom fahrenden Zug; sollten uns erlauben, eine Zeitlang auch mal unerreichbar zu sein und uns weniger über unser Leisten und Nutzen zu definieren. Niemand braucht sich pausenlos von Medien und News jagen zu lassen; niemand kann ständig auf dem Posten sein.

Auf die innere Stimme hören

Beim persönlichen Tagesrückblick oder immer mal zwischendurch lohnt es sich, auf die eigene innere Stimme zu hören: Was brauche ich jetzt (nicht)? Wer oder was tut mir und meiner Seele gut? Wem würde ich mich gerne anvertrauen, bei wem kann ich mich fallenlassen? Und auch: Wo fühle ich mich getragen - von Menschen, von Aufgaben oder Interessen, vom Glauben, von Gott? Gott, von dem der Psalmist sagt, dass seine Engel mich behüten, ja, „sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“ (Ps 91). Von Engeln getragen! Diese Verse gibt Felix Mendelssohn-Bartholdy in seinem Elias in einem wunderschönen Doppelquartett wieder. Auch solch ein Musikstück kann eine große Tragkraft für die Seele haben, zum Beispiel als Trost für die Nacht.

Aus der Nieder-Lage zur Umkehr

Krankentransport nach Loyola im Jahr 1521
Foto: Jorab - CC BY 3.0

Manchmal muss es erst schlimm kommen, bis jemand klein beigibt und loslässt, so wie damals, am Pfingstmontag 1521, als der übereifrige Soldat Inigo de Loyola in einer bereits aussichtslosen Kampfeslage die Festung von Pamplona partout gegen ein französisches Heer verteidigen wollte. Körperlich und seelisch schwerverletzt musste der junge Baske kapitulieren und sich zurück nach Loyola in sein Elternhaus tragen lassen. Diesen Krankentransport von vor 500 Jahren stellt eine Skulptur auf dem Marktplatz von Pamplona dar (Foto).

Mit seiner buchstäblichen Nieder-Lage begann für Ignatius von Loyola, dem späteren Ordensgründer und Meister der geistlichen Unterscheidung, eine allmähliche Bekehrung. „Aus dem der eigenen Ehre und Eitelkeit verhafteten Ritter war ein Mann Gottes geworden, der sich von der göttlichen Pädagogik leiten und von Gottes Gnade beschenken ließ“ (Stefan Kiechle SJ). Hatten den Verwundeten die Kameraden nach Hause getragen, so wusste der Genesene sich immer mehr getragen von der Führung Gottes. „Nur wenige Menschen ahnen“, so schrieb er einmal, „was Gott aus ihnen machen würde, wenn sie sich ihm ganz überließen“. Sich anderen oder DEM anderen, Gott, zu überlassen, ist manchmal ein langer und nicht leichter Weg. Aber die schmerzliche Nieder-Lage des Ignatius hat ihm mehr und mehr das Ohr geöffnet für den Ruf Christi.

Krankentransport zu Jesus

Von einem anderen Krankentransport berichtet das Markus-Evangelium aus Kafarnaum am See Genezaret. Jesus hielt sich in einem Haus auf, das von Menschen umzingelt war. „Da brachte man einen Gelähmten zu ihm, von vier Männern getragen“ (Mk 2,3). Wegen der Menschenmenge konnten die Träger nur durch einen Durchbruch im Dach den Kranken samt seiner Liege in das Gebäude hinunterlassen. „Als Jesus ihren Glauben sah“ - den Glauben der Träger – sagte er schlussendlich zu dem Gelähmten: „Steh auf, nimm deine Liege und geh nach Hause.“ Der Bedürftige hatte sich der Muskel- und der Glaubenskraft seiner Träger überlassen. Von alleine wäre er in seiner „Lage“ niemals zu Jesus gelangt.

Fürsorge und Selbstsorge

Mal dürfen wir Trägerinnen und Träger sein, mal dürfen wir Getragene sein. Dieses Wechselspiel von Fürsorge und Selbstsorge drückt auch eine Geschichte von Janosch, dem berühmten Buchautor, der vor wenigen Tagen 90 Jahre alt geworden ist, anrührend aus. „Ich mach dich gesund, sagte der Bär“ - wer kennt das Büchlein nicht, das es auch als Zeichentrickfilm gibt. Warm und tröstlich in Sprache und Bildern, erzählt die Geschichte von Zusammenhalt und gegenseitiger Aufmerksamkeit, wenn es Einem in der Gemeinschaft schlecht geht.

Fürsorge und Selbstsorge, Tragen und Sich-tragen-lassen, sind ein Paar, das zusammengehört. Da darf jede/r einmal geben und ein anderes Mal empfangen, einmal sich mühen und ein anderes Mal sich umsorgen lassen. „Und nächstes Jahr“, sagte der kleine Bär, „da darf ich einmal krank sein und du machst mich gesund, ja?“ „Ganz klar“, sagte der kleine Tiger, „selbstverständlich ja.“

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete österliche Bußzeit, in der Jesus uns entgegen kommt - in seiner Schwachheit.

Herzlich grüßt Sie
Marlies Fricke (GCL)

Alle Für- und Selbstsorge fußt für den gläubigen Menschen auf der Sorge Gottes um seine Geschöpfe. Im Leiden und Sterben seines Sohnes - für uns - erweist sich die Höchstform unserer Gemeinschaft mit Gott und untereinander.

Christusantlitz im Meditationsbild des hl. Niklaus von Flüe (1417 – 1487)

 

Erster Brief an die Korinther 12, 12-18 und 26-27

12 Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. 13 Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. 14 Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. 15 Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. 16 Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. 17 Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? 18 Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. (…) 26 Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit. 27 Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm.