Immer dasselbe…

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Es ist immer dasselbe – mit mir, mit der Welt, mit den Problemen, mit den Beziehungen. Immer dasselbe. Das höre ich oft im geistlichen Gespräch oder in der Beichte. Es ist immer dasselbe. Es ist langweilig und öde und es gibt gar nichts Neues zu sagen. Sollte ich nicht aufhören mit dem Geistlichen Gespräch, mit der Beichte und so weiter…?

Da antworte ich in der Beichte gern: „Seien Sie doch froh, dass es zum Glück immer dasselbe ist und nicht jedes Mal andere und schlimmere Sünden.“ Das tröstet erst einmal, aber es bleibt trotzdem immer dasselbe und langweilt. Der Grund ist ganz einfach: wir sind immer dieselben, jedenfalls in unseren Grundeigenschaften und damit auch Grundproblemen. Darum immer die gleichen Fallen, in die wir tappen. Die gleichen Fehler, denen wir verfallen.

Es gibt beim großen Theologen Origenes (185-253) die Ansicht, dass manchen Engeln sogar im Himmel langweilig geworden sei, dass sie darum nachlässig in ihrem himmlischen Dienst wurden, weil es immer dasselbe war… Also keine Engelrevolte, sondern Engelträgheit, die sie heruntersinken ließ in die Unterwelt. Auch der heilige Augustinus (354-430) sieht dieses Problem der himmlischen Langeweile und des Überdrusses und er antwortet darauf: ja, vieles kann langweilig werden, aber zum Beispiel der Gesundheit wird man nie überdrüssig.

Aber wieder weg von den Engeln hin zu uns. Ja, es stimmt, vieles wiederholt sich. Vieles kennen wir schon. Viele Fehler machen wir immer wieder. Es gibt Langeweile und Überdruss an sich selbst, an den Verhältnissen, am Glauben. Aber das liegt auch daran, dass wir nicht genau hinschauen. Dass wir übertreiben und zu sehr verallgemeinern. Dann sehen wir nur die Struktur: jeden Tag morgens aufstehen, sich fertig machen, zur Arbeit gehen, müde nach Hause kommen, Hausarbeit erledigen und erschöpft ins Bett sinken. Total gleich jeden Tag. Gähn und nochmal gähn.

Ja, so kann ich es sehn, aber das ist - wie gesagt - sehr verallgemeinert und damit auch verkürzt, unvollständig und langweilig gemacht. Ich kann so auf meinen Tag und mein Leben schauen. Ich muss es aber nicht. Denn diese Sicht ist verfälschend. Denn es ist genauso wahr, dass jeder Tag meines Lebens einmalig ist, dass es nicht nur das immer Gleiche gibt, sondern dieses immer Gleiche jeden Tag anders und einmalig. Ich muss es nur sehen. Ich muss es nur sehen wollen. Ich muss nur erkennen, dass meine Verallgemeinerungen auch Vergröberungen und Verfälschungen sind und dem Leben den Geschmack und die Einmaligkeit nehmen und ich muss lernen, die Einzigkeit und Einmaligkeit jeden Tages wahrzunehmen und zu verkosten.

Das Bild vom Rad über dem Impuls kann das ein wenig deutlich machen. Es ist immer das gleiche Grundprinzip des Rades seit seiner Erfindung. Es dreht sich und ist auf diese Weise besonders beim Zifferblatt der Uhr Symbol der Wiederholung des immer Gleichen. Zugleich sehen wir oben, wie sich auch das Rad vom Holzrad bis zum Autorad weiterentwickelt hat. Wir selbst werden langsam aber sicher andere. Das merken wir körperlich und seelisch. Zwar bleiben wir dieselben, aber wir wandeln uns auch, und zwar ganz gewaltig vom Säuglings- bis zum Greisenalter. Und wie unterschiedlich jeder Tag ist, das können wir lernen, besser wahrzunehmen und zu erspüren.

Dazu gibt es speziell die Übung des Tagesrückblicks. Das ist eine Gebetsform, die mit Gott in der Mitte und am Ende jeden Tages zurückschaut und wahrnimmt, was geschehen ist. Einmal den reinen Ablauf, dann aber zuerst darauf schaut, wofür ich heute dankbar sein kann. Also zum Beispiel: Ich habe gut geschlafen und bin erfrischt aufgewacht. Die Begegnung mit den Kolleginnen bei der Arbeit war heute besonders erfreulich. Trotz großer Verspätung am Beginn ist mein Zug doch nur fünf Minuten später am Ziel angekommen… Darauf kann ich schauen und danken. Und dann sehe ich auch schon, dass eben der heutige Tag ganz anders war als der gestrige, obwohl er mehr oder weniger gleich war. Erst wenn ich auf das Gute geschaut habe, dann schaue ich auch auf das andere, das nicht so Gute…

Noch ein letzter Gedanke. Es ist ja auch sehr tröstlich, dass es das immer Gleiche gibt. Der schöne Blick aus meinem Fenster auf die Berge, die wunderbaren ewigen Berge (ist leider aktuell nicht der Fall :-)). Für Immanuel Kant und auch Ignatius von Loyola war es der „gestirnte Himmel“ über ihnen, der für sie so tröstlich war. Trostvoll ist für den Hebräerbrief: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (13,8). Was ist für Sie das immer Gleiche, das mich tröstet, weil es so verlässlich ist?

Darüber lohnt es sich, auch eine Betrachtung zu halten.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

17. Mai 2023

Ich erinnere mich an eine so genannte „ökumenische Trauung“. Mein evangelischer Kollege hatte die Predigt und sagte mit großem lutherischen Predigtpathos: „Mein liebes Brautpaar, als Trauspruch habe ich euch ein Wort aus dem Buch der Klagelieder mitgebracht…“ Ich saß daneben und dachte: „Ach, du lieber Gott, und das gleich am ersten Tag…“ Aber dann sagte er dieses folgende schöne Wort.

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Klagelieder 3,21 - 25

3,21 Das will ich mir zu Herzen nehmen, / darauf darf ich harren: 22 Die Güte des HERRN ist nicht erschöpft, / sein Erbarmen ist nicht zu Ende. 23 Neu ist es an jedem Morgen; / groß ist deine Treue. 24 Mein Anteil ist der HERR, sagt meine Seele, / darum harre ich auf ihn. 25 Gut ist der HERR zu dem, der auf ihn hofft, / zur Seele, die ihn sucht.

Man kann es auch als Kanon singen: „Die Güte des Herrn hat kein Ende, kein Ende. Sein Erbarmen höret niemals auf. Es ist neu jeden Morgen, neu jeden Morgen. Groß ist Deine Treue, o Herr! Groß ist deine Treue.“