
„Ich-Denkmal“ in Frankfurt von Hans Traxler
Foto: via WikimediaCommons - CC BY-SA 3.0
Haben Sie schon einmal das Ich-Denkmal am Frankfurter Mainufer gesehen? Auch in anderen Städten gibt es mittlerweile eins, so in Kassel und Bielefeld. Der Satiriker Hans Traxler hatte 2005 die Idee, sozusagen dem „Ich“ ein Denkmal zu setzen. „Jeder Mensch ist einzigartig“, steht da auf einer Tafel, die die Spaziergänger animieren soll, sich selbst oder z.B. auch ihr Kind oder ihren Hund auf den leeren Sockel zu stellen und zu fotografieren. „Komische Kunst“, mag mancher denken, der vorübergeht oder stehenbleibt. Und genau zu diesem Genre gehört die unvollendete Skulptur, die jeder/r über drei Stufen besteigen und damit vollenden kann. – Mal ehrlich, würden Sie, lieber Leser, liebe Leserin, da hinaufsteigen und öffentlich posieren?
Kleine Kinder lassen sich beim Spazierengehen liebend gern von Erwachsenen auf Mauern heben, auf denen sie dann stolz entlang balancieren. Jeder Sockel und jeder dicke Stein, den das Kind am Weg entdeckt, wird erklommen. Kein Brunnenrand, kein Baumstumpf wird ausgelassen. Freitreppen sind zum Ersteigen besonders beliebt. Für einen Moment größer sein als Mama und Papa! Für einen Augenblick sich vom ebenen Boden erheben! Sich stolz vor den anderen zeigen: Seht her, das bin ich!
„Das Kind ist spontan“, so der Philosoph Heinrich Spaemann (Orientierung am Kinde). „So unmittelbar geht es aus seinem Schauen zum Tun hervor, wie aus einer Quelle das frische Wasser. Wäre es anders, wäre sein Aufblick gehemmt durch Rücksicht und Vorsicht, würde es nicht je neu seine größere Möglichkeit verwirklichen.“
Je neu seine größere Möglichkeit verwirklichen, wer möchte das nicht, statt sich oftmals selber klein zu halten. „Nun stell dein Licht mal nicht unter den Scheffel“, so sagen wir zum Beispiel, wenn eine Gastgeberin wieder einmal selbst an ihrem köstlichen Menü herummäkelt. Oder wenn ein Jugendlicher sich ziert, beim Familienfest sein Klarinettenspiel zu Gehör zu bringen.
Sein Licht, also sich selbst, auf einen Leuchter zu stellen, statt unter ein Gefäß, wie ein Bildwort im Evangelium es meint, fällt uns - zumal als Erwachsene - oft schwer. Dabei ist ja gar keine narzisstische Selbsterhöhung gemeint und auch kein Von-oben-Herabsehen auf andere, nicht einmal vom Sockel des Ich-Denkmals. Vielmehr geht es darum, zu sich selbst zu stehen mit seiner persönlichen Prägung und seinem individuellen Aussehen, mit den eigenen Stärken und Grenzen. Warum aber scheuen wir oft davor, zu uns selbst zu stehen, uns den Blicken und Urteilen anderer auszusetzen, sogar dann, wenn wir im Tiefsten ahnen, dass wir an einer Situation wachsen und reifen können?
In seiner Antrittsrede als erster schwarzer Präsident von Südafrika hat Nelson Mandela 1994 folgende Worte von Marianne Williamson zitiert:
Unsere tiefste Angst ist, dass wir unermesslich machtvoll sind.
Es ist unser Licht, das wir fürchten, nicht unsere Dunkelheit.
Wir fragen uns: Wer bin ich, dass ich leuchtend, hinreißend, talentiert und fantastisch sein darf?
Wer bist du denn, es nicht zu sein?
Du bist ein Kind Gottes.
Dich selbst klein zu halten, dient der Welt nicht. Es hat nichts mit Erleuchtung zu tun, wenn du dich kleiner machst, damit andere um dich herum sich nicht verunsichert fühlen.
Wir sollen strahlen wie die Kinder.
Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes zu verwirklichen, die in uns ist.
Sie ist nicht nur in einigen von uns; sie ist in jedem Einzelnen.
Und wenn wir unser eigenes Licht erstrahlen lassen, geben wir unbewusst anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun.
Wenn wir uns von unserer eigenen Angst befreit haben, befreit unsere Gegenwart andere ganz von selbst.
„Strahlen wie die Kinder …“ - Also, nichts wie rauf auf das Ich-Denkmal, spontan wie ein Kind! Auch im übertragenen Sinn im Alltag, wenn wir Angst vor unserer eigenen Courage oder Kraft haben. Wer jetzt noch Hemmungen hat, der möge es mit Petrus halten, dem ein einziges Wort des Meisters genügt hat, um aufs Wasser zu steigen: „Komm!“ (Mt 14,29)
Herzlich grüßt Sie
Marlies Fricke (GCL)
14. Juni 2017
Jesus bezeichnet sich selbst als das Licht der Welt (Joh 8,12), aber auch seine Verbündeten. Es ist SEIN Licht, das durch Menschen und für Menschen leuchten soll. – Was ist mein schönstes Licht für andere? – Wo erleuchten andere das Haus für mich?

Foto: Marlies Fricke
Mt 5,13-16
13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten. 14 Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. 15 Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. 16 So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.