„Ich halt es nicht mehr aus…“

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Ich halt es nicht mehr aus! Selten laut zu anderen gesagt. Oft innerlich gedacht und sich selbst gesagt. Ich halt es nicht mehr aus. Es wird mir alles zu viel. Ich kann nicht mehr. Ich will hier weg. Es kann die Arbeit sein. Es kann die Krankheit sein. Es kann die Ehe sein. Es kann die Partnerschaft sein. Es kann die Verwandtschaft sein oder die Nachbarschaft. Es kann sogar der Urlaub sein oder das Rentnerdasein. Es können auch die Mühen des Erwachsenwerdens in der Pubertät sein – von wegen die Zeit der süßen Siebzehn. Überall kann der Überdruss nach uns greifen und uns packen. Kennen Sie es auch?

Er kann verschiedene Grade von Heftigkeit haben, von mäßig und beherrschbar bis heftig und völlig überschießend. Da kann es dann wirklich lebensbedrohlich werden und braucht fachliche Hilfe. Und die gibt es auch – Gott sei Dank! Sei es in der Telefonseelsorge über die Ehe- und Lebensberatung bis hin zu Psychologen und Psychiatern. Wir bleiben hier bei dem, was noch im Rahmen ist. Schon stark und bedrängend, aber noch nicht über die Grenze.

Da gehört der Überdruss zu den Grunderfahrungen des Menschseins hinzu seit Jahrtausenden. Jede und Jeder hat es mal richtig satt und meint, es nicht mehr auszuhalten. Wir brauchen nur einmal in manche Psalmen der Bibel hineinzuschauen(zB. Ps 119,28). Und auch die Ratschläge, um damit umzugehen, sind sehr alt und bewährt. In der christlichen Tradition sind es die Mönche in der Einsamkeit und Hitze der Wüste, die diese Erfahrung des Überdrusses machen und damit kämpfen. Sie haben ihre Erfahrungen weitergegeben. Die Hitze in der Mitte des Tages ist unerträglich. Sie haben das Gefühl, dieses Leben nicht mehr aushalten zu können. Sie sprechen vom „Mittagsdämon“. Und dieses Gefühl, es so nicht mehr tragen zu können, wird später auch auf die Krise in der Mitte des Lebens hin ausgeweitet.

Der eine Antrieb ist, in einer solchen Situation zu fliehen, wegzulaufen aus der Zelle, aus dieser Form des Lebens, aus dem Leben überhaupt. Und da lautet dann der Ratschlag an die Mönche: Bleib in deiner Zelle! Also hau nicht ab, lauf nicht davon. Bleib einfach da. Halte einfach aus. Denn so wie der Impuls zum Weglaufen gekommen ist, so wird er auch wieder weggehen. Dieser Dämon wird auch wieder verschwinden, wenn er merkt, er kommt nicht zum Ziel.

Der andere Antrieb ist so ungefähr das Gegenteil, nämlich die innere Antriebslosigkeit. Das Gelähmtsein. Die alles erfassende Langeweile. Wir kennen sie schon als Kinder, oft gerade in den Ferien: Ich weiß nicht, was ich machen soll. Und bei jedem Vorschlag, den die Eltern machen, kommt als Antwort: Nein, ich habe keine Lust. Erinnern Sie sich? Bei sich selbst oder bei Ihren Kindern? Überdruss als Langeweile.

Beim Mönch in seiner Zelle oder beim erwachsenen Menschen ist es dann das Aufgeben des Kampfes. Die Resignation. Die Trägheit und Lustlosigkeit. Und damit verbunden, das Zurückfallen auf sich selbst. Das Kreisen nur um sich selbst und seine Leiden. Das Ende des Gebetes, meiner Suche um die Verbindung mit Gott. Diese Form des Mittagdämons nennt die Tradition die „Acedia“, die geistliche Unlust. Sie zählte zu den Hauptsünden.

Und es ist klar, welches das Gegenmittel und welches darum der Ratschlag ist: Sinke nicht tiefer, sondern richte dich auf – körperlich und seelisch und tu den nächsten Schritt gegen diese Trägheit. Folge nicht weiter der Unlust in ihrer Spirale nach unten! Oft hilft es schon, wenn ich einfach den Staubsauger nehme und sauber mache. Oder wenn ich in den Garten gehe und das Beet hacke. Einfache körperliche Arbeiten tun gut. Sie holen mich heraus aus dem Kreisen um mich selbst und bringen mich wieder in Berührung mit der Wirklichkeit. Und natürlich wieder den Kontakt suchen: zu Gott im Gebet und auch zu den Freunden im Gespräch. Sobald ich den nächsten Schritt heraus tue, wachsen in mir Hoffnung und Kraft wieder. Denn dann mache ich wieder von meiner Freiheit Gebrauch.

Fliehen Sie nicht und wehren Sie sich! Sie müssen sich auch von sich selbst nicht alles gefallen lassen, so sagt Viktor Frankl.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

27. März 2019

Der Psalm 91 war früher der biblische Beleg für den Mittagsdämon. Die Übersetzung des Psalms 91,6 lautete früher: „vor dem Dämon, der wütet am Mittag“, jetzt ist von der Seuche am Mittag die Rede. In jedem Falle beschirmt uns Gottes Flügel. Der Engel kämpft für uns und besiegt Drachen, Löwen und Schlangen. Darauf dürfen wir in allen Bedrängnissen vertrauen. Wir kämpfen nicht allein. Gott und seine Engel sind auf unserer Seite.

 

Psalm 91, 1 - 16

1 Wer im Schutz des Höchsten wohnt, der ruht im Schatten des Allmächtigen.
2 Ich sage zum HERRN: Du meine Zuflucht und meine Burg, mein Gott, auf den ich vertraue.
3 Denn er rettet dich aus der Schlinge des Jägers und aus der Pest des Verderbens.
4 Er beschirmt dich mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen findest du Zuflucht, Schild und Schutz ist seine Treue.
5 Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten, noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt,
6 nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die wütet am Mittag.
7 Fallen auch tausend an deiner Seite, dir zur Rechten zehnmal tausend, so wird es dich nicht treffen.
8 Mit deinen Augen wirst du es schauen, wirst sehen, wie den Frevlern vergolten wird.
9 Ja, du, HERR, bist meine Zuflucht. Den Höchsten hast du zu deinem Schutz gemacht.
10 Dir begegnet kein Unheil, deinem Zelt naht keine Plage.
11 Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen.
12 Sie tragen dich auf Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt;
13 du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf junge Löwen und Drachen.
14 Weil er an mir hängt, will ich ihn retten. Ich will ihn schützen, denn er kennt meinen Namen.
15 Ruft er zu mir, gebe ich ihm Antwort. In der Bedrängnis bin ich bei ihm, ich reiße ihn heraus und bring ihn zu Ehren.
16 Ich sättige ihn mit langem Leben, mein Heil lass ich ihn schauen.