
Foto: Benoit Soubeyran - CC BY 2.0
Das Heilige Feuer in der Grabeskirche 2018
Ja, es wird sich wieder entzünden! Und zwar am Samstag vor dem orthodoxen Osterfest (dieses Jahr am 27. April) gegen 14.00 Uhr wird sich in der Grabeskirche oder besser der Auferstehungskirche in Jerusalem nicht durch ein Feuerzeug oder ein anderes menschliches Hilfsmittel, sondern durch eine Art himmlischen Blitz wird sich das Heilige Feuer entzünden. Dieses Wunder ist bezeugt seit mehr als tausend Jahren in der Grabes- oder besser Auferweckungskapelle (Aedikula) innerhalb der Auferstehungskirche. Davon habe ich jetzt erfahren durch jemanden, der mehrere Jahre in Jerusalem gelebt hat. Und dann habe ich es natürlich auch hier im Netz gefunden.
Wie jedes Wunder so ist auch dieses umstritten und es gibt Kritiker und Zweifler. Aber wenn man das folgende Video ansieht und das elektrische Gewitter in der Kirche wahrnimmt, dann ist das schon erstaunlich. Ich glaube, dass es wirklich so geschieht. Und das ist es ja, worauf es beim Wunder ankommt, nicht dass es eine Durchbrechung der Naturgesetze ist, nein, dass wir zum Staunen und zum Wundern und so zum Nachdenken kommen. Das ist das Entscheidende. So können auch ganz natürliche Ereignisse, wie ein Blitz, wie das Aufblühen einer Blume, wie eine Schneeflocke, wie das Lächeln der kleinen Tochter ein Wunder sein. Ein wunderbares Wunder.
Und das ist es, was uns dieses Wunder in Jerusalem ins Bewusstsein bringt, nämlich das eigentliche und alles entscheidende Wunder, dass Jesus durch Gottes Macht, durch des Vaters Liebe von den Toten erstanden ist, und zwar genau hier, an diesem Ort seines Grabes ist er auferstanden. Auferstanden als ein neuer Mensch, als der erste Mensch der neuen Schöpfung. Er ist derselbe Jesus von Nazareth, verwundet, gekreuzigt und begraben, aber er ist auch ein ganz anderer. Er ist da in dieser Welt, in der alten, von Tod und Bosheit missgestalteten, in unserer Welt, aber er ist da als der Anfang der neuen Welt Gottes, die hell und strahlend ist und nicht mehr von Tod und Bosheit verdunkelt, sondern als der Anfang der unvergänglichen, lebensvollen, geistvollen und liebevollen Welt Gottes. Das ist das Wunder, an das das Wunder des Heiligen Feuers erinnert und das es uns gegenwärtig hält.
Mitten in dieser alten, sterbensalten Welt ist das neue Leben da, ist die neue Welt Gottes da. Das glauben wir. Und wir erfahren es zuweilen. Es leuchtet uns manchmal auf. Es blitzt auf. Es strahlt auf. Es leuchtet uns ein. Hinein in unser Herz, das manches mal grabdunkel ist. So wie diese Blitze in der Aedikula, dem Ort des Grabes, die Kerzenbündel in den Händen des Patriarchen entzünden als Zeichen der Auferweckung Jesu. Und dieses Wunder macht uns das größere Wunder unseres Glaubens offenbar.
Denn dass wir inmitten dieser so furchtbar entstellten und von Verbrechen und Unrecht, von Gewalt und Krieg, von Missbrauch und Misshandlung gezeichneten Welt (und Kirche) das Neue, Schöne, Heile und Heilige wahrnehmen und glauben können, das ist auch ein Wunder. Das ist das Wunder von Ostern. Und das ist nicht menschengemacht. Es ist die Wirkung des Geistes Gottes. Das Wunder in der Aedikula mag vielleicht irgendwie erklärbar sein. Der Glaube an Gottes mächtige und heute in uns und um uns wirksame Liebe ist es nicht. Er ist von Gott geschenkt. Dieses Licht kommt von Gott, dem Vater der Lichter (Jak 1,17).
Wir neigen heute gern zu psychologischen Erklärungen: Der Glaube ist anerzogen und von den Eltern übernommen. Oder jemand braucht dringend diesen Glauben, um mit den Schwierigkeiten und Unerklärlichkeiten des Daseins fertig zu werden. Diese Erklärungen sind allerdings selbst wieder ein Glaube. Denn auch der Unglaube ist ein Glaube. Auch der Unglaube deutet das Ganzevon Welt und eigenem Dasein. Das Ganze kann gar jedoch keine (Natur-)Wissenschaft übergreifen. Sinn oder Unsinn des Ganzen von Welt und Leben kann nur geglaubt werden. Und ich fälle ein Urteil: z.B. mit dem, mit meinem Tod ist alles aus. Oder: alles kommt aus dem Nichts und geht ins Nichts. Oder im Gegenteil: es gibt ein Leben und einen Sinn über den Tod hinaus.
All das erklärt aber nicht das tiefste Wesen des Glaubens. Der besteht nämlich nicht in einer Weltanschauung, sondern der besteht in einer Beziehung. Glaube ist nicht zuerst ein Glaube an eine Sache wie eine Philosophie (es gibt das und das), sondern Glaube ist zuerst – nach unserer Erfahrung – eine Beziehung zu einem Du, nämlich dem Du Gottes. Das Tiefste der Welt ist das Du der Liebe, ist ein göttliches Du, das mich ruft und mich liebt. Und das ist auch das Erste, was der Mensch in dieser Welt erfährt in der Beziehung zu seiner Mutter und zu seinem Vater. Das ist eben nicht eine Sache, sondern ein Du. Und hinter dem liebenden Du der der Eltern leuchtet als tiefste Wirklichkeit von allem das liebende Du Gottes. Das glauben wir.
Und dieses Du entzündet in uns, in unseren Herzen das Heilige Feuer. Das Feuer der Liebe.
Das wünsche ich Ihnen in diesen österlichen Tagen
Thomas Gertler SJ
17. April 2019
PS: Als lustigste „natürliche“ Erklärung für die Entzündung des Heiligen Feuers fand ich: dieses Feuer entsteht aus den starken Reibungen zwischen dem orthodoxen und armenischen Patriarchen, die an dieser Zeremonie beteiligt sind. Natürlich kam diese Erklärung von einem Katholiken :).
Die Botschaft von der Auferstehung bei Matthäus im 28. Kapitel gleicht am meisten dem Blitz des Heiligen Feuers in der Grabkammer. Die Engelerscheinung ist wie ein Blitz, das Aufblitzen von Gottes Macht und Herrlichkeit in seinem Boten. Im folgenden, vielleicht etwas befremdlichen Bild hat Benjamin West (1838-1820) den Engel tatsächlich wie einen Blitz dargestellt.
Matthäus 28,1 - 8
28,1 Nach dem Sabbat, beim Anbruch des ersten Tages der Woche, kamen Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. 2 Und siehe, es geschah ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. 3 Sein Aussehen war wie ein Blitz und sein Gewand weiß wie Schnee. 4 Aus Furcht vor ihm erbebten die Wächter und waren wie tot. 5 Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. 6 Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch den Ort an, wo er lag! 7 Dann geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: Er ist von den Toten auferstanden und siehe, er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. 8 Sogleich verließen sie das Grab voll Furcht und großer Freude und sie eilten zu seinen Jüngern, um ihnen die Botschaft zu verkünden.