
Thomas Gertler
Gut gemeint…
Schon mehrmals habe ich über den Holbeinplatz in Augsburg geschrieben. Heute über den Brunnen in seiner Mitte. Oben ist er abgebildet. Es ist wie an mehreren Stellen in Augsburg ein Brunnen, aus dem man trinken kann. Das ist eine alte Tradition in der Stadt. Eine gute Tradition.
Allerdings ärgere ich mich immer wieder über diesen Brunnen. Ärgern ist vielleicht zu stark. Oder doch nicht? Er gehört für mich unter die Kategorie: „Gut gemeint…“ Denn das ist er ohne Zweifel – gut gemeint. Auf dem Platz ein Brunnen und daraus kann man trinken. Angenehm für die Leute. Schön für die Kinder. Was ärgert dich denn, Thomas?
Gut gemeint ist ja oft das Gegenteil von gut. Gut gemeint, aber schlecht gemacht. Und das ist der Brunnen, so empfinde ich es. Er ist einfach primitiv. Er ist hässlich. Er ist ein Schmutzfänger und macht auch den Platz selber nicht schöner, im Gegenteil. Also das geht schon los mit diesem Rohr, aus dem das Wasser fließt. Da gibt es wirklich gelungenere Wasserzuläufe in Augsburgs vielen Brunnen. Aber das ist es noch nicht. Der Brunnen hat keinen Abfluss nach unten, sondern das Wasser läuft zu den Seiten heraus. Es bleibt aber immer Wasser drin stehen und da liegt es dann drin. Nicht nur Blätter, nein auch Papier, die wunderbaren Papp-Kaffeebecher, sogar ein aufgeweichtes Pausenbrötchen. Immer dreckig. Und da dieses Wasser auf den Platz hinausläuft, auch da immer nass, immer mit irgendwelchen Ansammlungen versehen. Eklig. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, aus diesem Brunnen zu trinken.
So das meine ich mit „gut gemeint“.
Sie kennen das sicherlich auch. Es gibt das ja hundertfach. So vieles ist gut gemeint und es kommt etwas Ärgerliches und/oder Hässliches dabei raus. Weil es nicht wirklich durchdacht ist. Weil es nicht in die konkrete Situation gestellt wurde. Weil man nicht gesehen hat, dass es zu so einer Sammelstelle von Ekligkeiten wird. Der Brunnen sollte einfach und schlicht und edel sein, aber es ist nur simpel und primitiv und eklig geworden.
Ich will nun nicht weiter über diesen Brunnen schimpfen, verstanden haben Sie ja, worum es geht und Sie können selbst genug Beispiele dafür nennen. Man kann sagen, dieses „gut gemeint“ ist auch etwas typisch Menschliches. Es gehört zu uns. Und es hat verschiedene Steigerungsstufen. Es reicht von diesem eher unbedeutenden Brunnen bis hin zu dem unsäglichen Wort des Stasichefs Erich Mielke: „Ich liebe euch doch alle…“ Was auch nur sagen wollte: „Ich hab’s doch nur gut gemeint.“ Das kann ganz schlimm und dann auch nicht mehr glaubwürdig sein. Es ist bloß noch Ausrede und Lüge. Es war böse und böse gemeint.
Aber wie oft ist es nicht so, sondern wirklich gut gemeint und es kommt Schlimmes oder Hässliches dabei raus. Ist das vermeidbar? Ja, es ist vermeidbar, wenn wir versuchen, weiter zu schauen, den Blick zu heben, nicht nur kurzfristig und kurzsichtig zu handeln. Nicht verschlafen, sondern wach zu sein. Nicht nur an sich selbst und seinen kleinen Umkreis zu denken. Und das ist Nachhaltigkeit. Und es ist mehr als Nachhaltigkeit. Denn das hat es mit der Wirklichkeit Gottes zu tun. Mit der Wirklichkeit, die alles mit umfasst und umfängt und die wir so oft nicht bedenken.
Die Adventszeit hat es sehr viel zu tun mit dem Wachsein und mit dem Weiterdenken, mit der Nachhaltigkeit, mit Klugheit und Torheit wie beim Gleichnis von den Jungfrauen und dem Öl. Oder wie beim Gleichnis vom reichen Kornbauern. Oder wie mit der Stelle, die unten angeführt ist, dem Hausbau, der entweder klug durchdacht ist oder eben bloß auf Sand gebaut.
Eines aber ist für uns, die wir vieles gut meinen, aber dann nicht so großartig hinbekommen, doch tröstlich. Gott ist barmherzig. Er nimmt auch unseren guten Willen an, so sehr er uns warnt und weckt, doch weiter zu denken, nicht auf Sand zu bauen, sondern auf Felsen. Das Lebenshaus mag und wird irgendwann zusammenbrechen, aber wenn wir es wirklich gut gemeint haben, wird es am Ende doch noch gut werden, wenn das Haus auch davonschwimmt.
Es wünscht Ihnen eine gesegnete Adventszeit und einen frohen Nikolaustag!
Thomas Gertler SJ
6. Dezmber 2017
Die folgenden Worte stehen am Ende der Bergpredigt Jesu, seiner wichtigsten und tiefgehendsten Weisung. Wer danach lebt, dessen Lebenshaus bleibt stehen. Wie dieses Haus auf dem Felsen, das ich in Werdenfels (passender Name!) fotografiert habe.

Thomas Gertler
Mt 7,24 – 27
7,24 Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. 25 Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut. 26 Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute. 27 Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört.