
Foto: John Kerstholt - CC BY-SA 3.0
Diesmal schicke ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen Brief, den ich vor kurzem geschrieben und verschickt habe. Der Name ist von mir natürlich geändert. Sie können den Ihren einsetzen.
Lieber Herr Lehmann,
vielen Dank für Ihre Zeilen! Sie sind mir richtig nahe gegangen. Ja, das ist die Frage: gibt es noch Hoffnung? Und zwar Hoffnung nicht nur auf das Jenseits, sondern auch für diese Erde und für die Menschheit. Für Ihre sechs Enkel!
Ich finde es großartig, dass diese Kinder- und Enkelgeneration wieder auf die Straße geht und stark engagiert ist. Das ist für mich schon mal ein starkes Hoffnungszeichen. Wie lange sah es so aus, dass die jungen Leute gar nicht mehr an politischen Fragen interessiert sind. Freilich ist es ganz offen, ob sie es schaffen. Ob nicht wie so oft die Gegenwart die Zukunft frisst oder die kurzfristige Politik die langfristige. Ja, das ist offen und macht Sorge.
Ich möchte aber etwas zur Hoffnung überhaupt und zur Hoffnung auf das Diesseits und das Jenseits schreiben. Es gibt eine Alltagshoffnung, die wir einfach leben, die uns aber meist gar nicht bewusst ist. Das ist die Kraft, die mich jeden Tag aufstehen und den Tag in Angriff nehmen lässt. Wenn Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit total werden, dann schafft man das nicht mehr. Dann ist der Mensch wirklich krank und braucht Hilfe.
Die alltägliche Hoffnung und die Überzeugung, dass durch den Schalter das Licht angeht und dass die Sonne aufgeht, dass das Wasser aus dem Hahn kommt und auch noch die Elbe oder die Leine oder den Rhein entlangfließt. Das ist die kaum bemerkte alltägliche Hoffnung und Zuversicht, dass es beim Bäcker Brot und Brötchen gibt und in Drogerie und Supermarkt Klo-Papier und etliches andere. Die Hoffnung und Zuversicht, dass die Straßenbahn pünktlich kommt und mich rechtzeitig zum Bahnhof bringt und mich den Zug erreichen lässt. Da muss dann die Hoffnung schon groß sein, aber trotz allem fahre ich noch oft mit der Bahn (:-)). Das ist diese alltägliche, gewöhnliche Hoffnung, die wir einfach so leben und ohne die wir gar nicht leben können.
Das Zweite: die große Frage, ob es Hoffnung gibt für die Erde und ob nicht alles zu spät ist. Da müssen wir nun auch noch genauer hinschauen. Es geht um die nächsten 50 Jahre, wenn ich richtig schätze. Nicht um die Erde oder gar den Kosmos überhaupt. Ja, es ist möglich, dass die Erde viel schwerer bewohnbar wird, dass die Katastrophen, die wir jetzt schon erleben, noch zunehmen, dass Küstenstreifen und Inseln überflutet werden. Ja, das muss ich gar nicht alles aufzählen: Dürrezeiten und Überschwemmungen, Stürme und Tornados. Das passiert jetzt schon immer wieder. Ob wir es beherrschen können oder nicht, das kann ich nicht beantworten. Es ist Sache von uns Menschen und von unserem Verhalten.
Aber ich kann vom Glauben her folgendes sagen, was wir bedenken und in unsere tägliche Besinnung nehmen sollten. Diese Erde ist schon gerettet und erlöst durch Christus! Und die Kräfte des Guten, der Liebe, der Hoffnung, des Glaubens sind am Wirken und verwandeln schon jetzt die Welt. Auch wenn das nicht laut geschieht wie bei den Katastrophen, sondern leise wächst. Das ist schon da. Und ich kann das auch sehen und erleben. Und das ist unsere tröstende Überzeugung: Christus ist bei uns alle Tage. Auch jetzt, auch in diesen Tagen. Und es ist gut, dass Sie, lieber Herr Lehmann sich an Ihre ganz persönlichen Erfahrungen der tröstenden Nähe Gottes erinnern. Das sind ganz wichtige Ereignisse! Bauen Sie darauf! Sie haben Seine Gegenwart erfahren! Und das hat Ihnen damals nicht nur Hoffnung für die Welt im Allgemeinen, sondern für Ihr tägliches Leben gegeben. Also glauben Sie Ihren eigenen Erfahrungen und bauen Sie darauf. ER ist wirklich da und kommt nicht nur irgendwann einmal auf uns zu. Das kann uns Kraft geben für unseren Einsatz hier und heute für diese Welt. Dafür, das zu tun, was ich kann, an der Stelle, wo ich stehe. Aber das auch in der Überzeugung, dass nicht ich die Welt retten muss und zwar jetzt und sofort. Nein, ich darf auch gelassen sein. Ich muss nicht verbissen, angstvoll, fanatisch oder gewalttätig sein, um sie zu retten.
Freilich muss die ganze Schöpfung – so wie Jesus selbst auch und zuerst – durch die enge Pforte des Todes, um endgültig verwandelt zu werden. Es ist wahr: Himmel und Erde werden vergehen. Aber sie bleiben auch, gewandelt und geheilt. Und das beginnt jetzt schon und wir dürfen bitten um Augen, die das sehen können. Himmel und Erde werden vergehen, aber Jesu Worte werden nicht vergehen. Und er bleibt bei uns alle Tage, bis zum Ende.
Ja es ist bedrohlich und gefährlich, aber es gibt auch Hoffnung – und das Gute und die Wahrheit sind stärker als das Böse und die Lüge, denn Gott ist der Gute und er ist die Wahrheit. Davon bin ich überzeugt, lieber Herr Lehmann!
Viele herzliche Grüße und bleiben Sie behütet!
Thomas Gertler SJ
24. November 2021
Paulus schreibt den Römern und auch uns von der Hoffnung, die wir nicht nur für uns, sondern auch für die ganze Schöpfung haben, also auch für unseren Dackel und Kanarienvogel. Für die Elefanten, für Giraffen und Zebras in der Serengeti haben. Alle sehnen sich nach der Erlösung, die schon unterwegs zu uns ist und von der wir schon den neuen Geist spüren, der alles umwandelt.

Foto: Thomas Fuhrmann - CC BY-SA 4.0
Brief an die Römer 8,18-24
8,18 Ich bin nämlich überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. 19 Denn die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne [und Töchter] Gottes. 20 Gewiss, die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin: 21 Denn auch sie, die Schöpfung, soll von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. 23 Aber nicht nur das, sondern auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, auch wir seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne [und Töchter] offenbar werden. 24 Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet.