Gesucht, gesucht, gesucht und gefunden

Foto: Vardhanjp - CC BY-SA 4.0

Genau das kann man von der folgenden Geschichte sagen: gesucht, gesucht, gesucht und gefunden. Der Sohn von Guo Gangtang wurde im Jahr 1997 im Alter von zwei Jahren in der chinesischen Provinz Shandong entführt.

Seit China seine rigorose Ein-Kind-Politik eingeführt hatte, kam es immer häufiger vor, dass kleine Jungen entführt und verkauft wurden an Eltern, die sich sehnlich einen kleinen Jungen wünschten. So geschah es offensichtlich auch mit Guo Gangtangs Sohn Guo Xinzhen. Der Vater machte sich auf den Weg, um seinen Sohn zu suchen, und zwar mit unglaublichem Durchhaltevermögen.

24 Jahre lang hat er auf dem Motorrad fast alle Provinzen Chinas durchstreift, um seinen Sohn zu suchen. An seinem Motorrad hatte er zwei Flaggen mit dem Bild seines Sohnes befestigt. Etwa 500 000 km hat er dabei zurückgelegt. Zehn Motorräder hat zerschlissen und mehrere Unfälle überlebt. Er hat unter Brücken geschlafen und gebettelt, wenn sein Geld alle war.

Als sich das Handy und mit ihm die sozialen Medien auf der Welt und auch in China verbreiteten, hat er eine Webseite aufgemacht und damit auch anderen Familien geholfen, ihnen entführten Sohn zu suchen und auch zu finden. Sein Fall und die vielen anderen haben schließlich und endlich zu einer landesweiten Kampagne geführt, um entführte Kinder wieder zu finden und diesen Missbrauch zu beenden.

Zuletzt kam ihm darum eine polizeiliche Datenbank zu Hilfe, die mit den gesammelten DNA-Daten ihrer Bürger arbeitete. So wurde auch sein Sohn endlich gefunden, und so konnte die Familie endlich nach 24 Jahren wieder zusammengeführt werden. Inzwischen ist auch die Ein-Kind-Politik zu Ende. Sie war auch für die demografische Entwicklung des Landes auf Dauer katastrophal und führte zu einer Überalterung der Bevölkerung. Das sehen wir ja ähnlich in unserem Land.

Guo Gangtang sagte über sein unermüdliches und so lange durchhaltendes Suchen: “Only by hitting the road looking for my son, did I feel I am a father (Nur wenn ich auf den Straßen fuhr und nach meinem Sohn suchte, fühlte ich, dass ich ein Vater bin).“ Das ist ein Satz, über den sich nachzudenken lohnt – für jeden Vater, aber auch für jede Mutter.

Wenn Sie weder Vater noch Mutter sind, so sind Sie in jedem Falle Tochter oder Sohn oder jedenfalls Kind. Meistens mit dem klaren Wissen um Mutter und Vater. Aber manchmal eben auch nicht. Und was ich erfahren habe in der Seelsorge: Für ein Kind ist es unbedingt wichtig zu wissen, wer seine Eltern sind. Auch da gibt es oft so langesSuchen, um das zu erfahren und zu wissen. Selbst wenn man den Pflegeeltern sehr dankbar ist und sich ihnen eng verbunden fühlt. Es ist etwas Notwendiges, die leiblichen Eltern zu kennen. Der Vater von Guo Xinzhen ist den Ersatzeltern heute nicht böse. Er ist sogar bereit, sie wie Verwandte zu sehen.

Diese ergreifende Geschichte ist übrigens verfilmt worden: Der Film heißt „Lost and Love“.

Mich erinnert diese Geschichte natürlich sofort an Jesu Worte über Gott, den barmherzigen Vater, als guten Hirten, der das verlorene Schaf sucht. Oder über Gott als Frau, die ihre verlorene Drachme sucht. Oder an den Vater, der den verlorenen Sohn in die Arme schließt. Auch diese Geschichte aus China hat so ein biblisches Ausmaß (hier gibt es auch ein Video dazu), und sie kann uns helfen, Gottes Liebe zu uns Menschen besser zu verstehen und zu glauben.

Das wünsche ich Ihnen auf jeden Fall und grüße Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

21. Juni 2023

Als Bild muss hier Rembrandts verlorener Sohn stehen, denn das Wiedersehen in China erinnert so sehr daran. Als Text nehme ich nur den Anfang der Geschichte aus dem 15. Kapitel des Lukas-Evangeliums. Und dazu muss ich sagen, Gott sucht nicht nur verlorene Sünder, sondern alle Menschen, die sich selbst oder andere verloren haben, und auch solche, die gar nichts vermissen, sucht Gott, gerade weil sie gar nichts vermissen und will mit ihnen Gemeinschaft haben. Gott ist immer auf dem Weg zu uns. He is hitting the road. Denn er ist ein guter Vater.

Lukas 15,1 - 10

15,1 Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm [Jesus], um ihn zu hören. 2 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen. 3 Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis und sagte: 4 Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? 5 Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, 6 und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war! 7 Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben. 8 Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das Haus und sucht sorgfältig, bis sie die Drachme findet? 9 Und wenn sie diese gefunden hat, ruft sie die Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir, denn ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte! 10 Ebenso, sage ich euch, herrscht bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.