
Foto: Rod Waddington - CC BY-SA 2.0
Jeder Mensch trägt im Durchschnitt dreizehn Geheimnisse mit sich herum. Fünf davon behält er ganz für sich. Anders als es die beiden Mädchen auf dem Bild oben tun. Sie teilen ein Geheimnis und das Teilen macht sie fröhlich. Die meisten Geheimnisse, die wir mit uns tragen, sind aber nicht so fröhlicher Natur. Sie belasten und sie beeinträchtigen uns, wenn es um negative Geheimnisse aus unserem persönlichen Lebensbereich geht. Sei es eine eigene Verfehlung, eine Lüge, ein Betrug, ein Diebstahl, ein Ehebruch. Auch, was ich von anderen weiß, kann so eine Belastung sein. Aber es gibt – wie gesagt – auch positive Geheimnisse. Wenn jemand zum Beispiel eine Liebeserklärung bekommt, kann das eine große Freude sein, die mein ganzes Leben beschwingt und hell macht.
Die negativen Geheimnisse beeinträchtigen die ganze Person. Michael Slepian, Professor an der Columbia Business School hat mit zwei Kollegen eine große Untersuchung angestellt und darüber ein Buch veröffentlicht: „The Secret Life Of Secrets“. Daher schöpfe ich dieses Wissen. Vieles davon aber wissen Sie, liebe Leserin und lieber Leser, längst aus eigener Erfahrung. Denn Sie tragen ja gerade diese dreizehn Geheimnisse mit sich und haben fünf davon noch niemandem erzählt… Daher wissen Sie, wie es Ihnen damit geht.
Ganz viele Menschen sind von Berufswegen Geheimnisträger. Rechtsanwälte, Geistliche, Journalisten, die ihre Quelle schützen, gehören dazu. In den meisten Arbeitsverträgen gibt Geheimhaltungsklauseln, die Betriebsgeheimnisse betreffen. Viele Lebens- und Arbeitsbereiche sind geschützt. Das geht beim Postgeheimnis los und reicht bis hin zu Staatsgeheimnissen, deren Verrat hohe Strafen nach sich zieht. Denken Sie beispielsweise an Edward Snowden. Er hat in seiner Autobiografie beschrieben, wie er die Geheimnisse der NSA gesammelt und herausgeschmuggelt hat. Manche Geheimnisse müssen durch Whistleblower offenbart werden. Und bei Snowden war es gerade die Sehnsucht des (jeden?) NSA-Geheimdienstes, alle Geheimnisse eines jeden auf der Welt zu kennen. Der DDR-Geheimdienst, die berühmte Stasi, hatte auch diese Sehnsucht. Aber sie ist gerade daran erstickt, dass sie zu viele Daten hatte und sie nicht mehr wirklich bewältigen konnte. Und auch innerhalb der Stasi hat man natürlich einander nie die volle Wahrheit erzählt und die Geheimnisse verraten. Ein guter Teil der Stasi war stets damit befasst, die eigenen Stasi-Leute zu überwachen.
Es ist gesundheitlich sehr unbekömmlich so ein Doppel- und Dreifachleben im Geheimdienst zu führen. Es macht sehr leicht krank oder verrückt. Da zeigt sich im Extrem, was negative Geheimnisse bedeuten. Als Studentenpfarrer in der DDR habe ich den neuen Leipziger Studenten gesagt: „Wenn Sie von der Stasi angesprochen werden, doch bitte mitzumachen und wenn Sie das nicht wollen, sagen Sie einfach beim nächsten Treffen, dass Sie sich in Ihrer Unsicherheit mit Ihrem Pfarrer besprochen haben – Sie müssen gar nicht wirklich zu mir kommen. Dann sind Sie die Stasi garantiert los. Denn die vereinbarte völlige Vertraulichkeit ist dahin. Die lassen Sie dann in Frieden!“
Und damit sind wir bei dem, was Prof. Slepian rät, wenn wir so ein belastendes Geheimnis mit uns herumtragen. Vertrauen Sie sich jemandem an! Aber tun Sie es klug! Gehen Sie damit dahin, wo Ihr Geheimnis auch geheim bleibt. Und wo Sie wirklich Entlastung erfahren und nicht noch zusätzliche Belastung bekommen. Das kann dann durchaus der Seelsorger oder die Seelsorgerin sein.
Damit stoßen wir auf die religiöse Seite des Themas. Damit meine ich nicht nur die bald eintretende Adventszeit: „So viel Heimlichkeit in der Weihnachtszeit…“. Lauter positive und Freude bereitende Geheimnisse! Nein, Glaube an Gott hat es ganz ursprünglich mit dem Geheimnis zu tun, weil Gott immer ein Geheimnis bleibt, auch wenn er sich uns offenbart. Wie gehen wir damit um? Seien Sie gespannt!
Herzlich grüßt Sie
Thomas Gertler SJ
22. November 2023
Das Buch der Sprüche befasst sich mit fast allem, was im Leben so vorkommt und so auch mit dem Thema „Geheimnis“.

Foto: Bodmer Lab, UNIGE - CC BY-SA 4.0
Sprüche 11,10 - 13
11,10 Wenn es den Gerechten gut geht, freut sich die Stadt; / sie jubelt beim Untergang der Frevler. 11 Eine Stadt kommt hoch durch den Segen der Redlichen, / durch den Mund der Frevler wird sie niedergerissen. 12 Wer den Nächsten verächtlich macht, ist ohne Verstand, / doch ein kluger Mensch schweigt. 13 Wer als Verleumder umhergeht, gibt Geheimnisse preis, / der Verlässliche behält eine Sache für sich.