Geduldsspiel Patience

 

In meiner Jugend habe ich meine Mutter ab und zu Patience spielen sehen. Sie legte die kleinen Karten auf dem Wohnzimmertisch aus und begann sie dann in die Reihenfolge zu legen. Langsam entfaltete sich das Spiel. Und es war immer die Frage, ob es aufgeht. Also ob sie alle 52 Karten am Ende unterbekam und alle am Ende wohl geordnet in vier Häufchen vom Ass bis hinunter zur Zwei vor ihr lagen. Das war selten der Fall. Aber immer wieder konnte sie ja von vorn beginnen.

Vor ein paar Wochen habe ich Patience auf meinem Handy entdeckt und spiele es nun zuweilen. Beim Warten auf die Bahn beispielsweise kann es einem sehr gut die Zeit vertreiben. Es fehlt natürlich das sinnliche Vergnügen die Karten zu mischen und auszulegen, obwohl man auf dem Handy auch die Kartengeräusche hören kann, wenn man will. Sie sind mit eingespeichert.

Dieses Spiel hat für mich - wie wohl die meisten Spiele - viel mit dem Leben zu tun. Es ist eine Einübung ins Leben. Wie im Leben gibt es Vorgegebenheiten, mit denen man zurecht kommen muss. Wie also die Karten kommen, das ist jedes Mal anders. Zum Beispiel können lauter Vierer kommen. Ach, wenn doch nur erst einmal eine Fünf kommen würde, dann könnte ich an die Sechs anlegen. Nein, die Fünf kommt aber nicht.

Aber wenn ich so ganz darauf fixiert bin, dass eine Fünf kommt, sehe ich gar nicht, dass ich doch da den Buben an die Dame anlegen kann. Und schon geht es weiter. Aufmerksamkeit ist es, was dieses Spiel beim Spieler sehr fördert. Das Ganze im Blick haben. Sich eben gerade nicht auf diesen einen Punkt mit der Fünf fixieren, wo es im Moment nicht weiter geht. Sondern auf das Ganze schauen. Wie im richtigen Leben: ein Wechselspiel von Vorgegebenheiten, strengen Gesetzen und Freiheit, von Zufall, Wachheit und Aufmerksamkeit.

Und es kommt auf die Geduld an, daher der Name Patience, was ja Geduld heißt. Die Geduld wird geübt. Nämlich nicht aufzugeben, wenn es erst einmal nicht gleich aufgeht, sondern stockt. Dann heißt es geduldig schauen und suchen und auch Ideen haben, wie ich weiter spielen kann. Bei solchen Online-Patience-Spielen gibt es manchmal eine Rubrik, die heißt „Tipp“. Da wird man dann aufmerksam gemacht auf das, was ich gerade die ganze Zeit übersehen habe: Leg doch die rote Sieben an die schwarze Acht. Sie schreit doch geradezu danach. Und ich habe es einfach nicht gesehen. Ich lege an und schon gibt es wieder eine weitere Chance. Wie im wirklichen Leben. Zurücktreten, Abstand nehmen, geduldig bleiben und wach, dann zeigt sich eine Gelegenheit. Und wie schön, wenn es klappt.

Ja, da fällt mir auf und ein, dass dieses Spiel auch gut zu unserer jetzigen Jahreszeit, nämlich dem Advent passt. Zeit der Geduld. Geduld ist die adventliche Tugend. Warten, Aufschauen, Ausschauen. Nicht gleich verzweifeln und hinschmeißen, sondern noch einmal schauen und Karte für Karte anlegen.

Und damit sind wir bei dem, was diesem Spiel dann fast so etwas Suchtcharakter (Vorsicht!!!) verleihen kann. Dass ist das Glücksgefühl, wenn es aufgeht. Wenn es gelingt. Wenn alle Karten wohl sortiert auf vier Haufen liegen. Das ist ja so etwas Befriedigendes und Beglückendes, wenn es sich ordnet, wenn es sich fügt, wenn es aufgeht. Das will ich immer wieder erleben.

Das ist die tiefe Sehnsucht bei jedem Menschen für jeden Tag und für das Leben im Ganzen: es möge alles gut gehen. Es möge aufgehen und alles sich ordnen und heil werden. Die große Verheißung des Adventes: Es kommt der, der alles gut werden lässt, der alles recht macht und gut werden und aufgehen lässt. Wie heißt es in einem meiner liebsten Lieder: „in die Hand hat Gott versprochen, er führt uns endlich heim.“

Aber das Spiel ist ein Spiel und es hat im Englischen den Namen „Solitaire“, übernommen ins Deutsche als Solitär. Ein Spiel, das man alleine spielt. Das darf auch sein. Aber es ist nicht gut für unser Lebensspiel. Das dürfen und sollen wir miteinander spielen und da soll dann wirklich die große Freude miteinander geteilt werden, dass es aufgeht und gut wird, nicht als Spiel sondern als reale Erfahrung.

Und das wünsche ich uns allen!

Thomas Gertler SJ

8. Dezember 2021

Es ist die Vision Baruchs, dass die zerstreuten Kinder Israels von Gott heimgeführt werden. Dass er selbst ihnen den Weg sicher und eben bereitet. Und Er selbst über ihnen leuchtet als strahlender Himmel. Das ist eine wunderbare Prozession und ein wunderbares Heimkommen, wie hier bei der Pilgergruppe in Santiago de Compostela.

Foto: P.Lameiro - CC BY-SA 3.0

Baruch 5,1 - 9

5,1 Leg ab, Jerusalem, das Kleid deiner Trauer und deines Elends und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit, die Gott dir für immer verleiht! 2 Leg den Mantel der göttlichen Gerechtigkeit an; setz dir die Krone der Herrlichkeit des Ewigen aufs Haupt! 3 Denn Gott will deinen Glanz dem ganzen Erdkreis unter dem Himmel zeigen. 4 Gott gibt dir für immer den Namen: Friede der Gerechtigkeit und Herrlichkeit der Gottesfurcht. 5 Steh auf, Jerusalem, und steig auf die Höhe! Schau nach Osten und sieh deine Kinder: Vom Untergang der Sonne bis zum Aufgang hat das Wort des Heiligen sie gesammelt. Sie freuen sich, dass Gott an sie gedacht hat. 6 Denn zu Fuß zogen sie fort von dir, / weggetrieben von Feinden; Gott aber bringt sie heim zu dir, / ehrenvoll getragen wie in einer königlichen Sänfte. 7 Denn Gott hat befohlen: Senken sollen sich alle hohen Berge und die ewigen Hügel und heben sollen sich die Täler zu ebenem Land, sodass Israel unter der Herrlichkeit Gottes sicher dahinziehen kann. 8 Wälder und duftende Bäume aller Art spenden Israel Schatten auf Gottes Geheiß. 9 Denn Gott führt Israel heim in Freude, im Licht seiner Herrlichkeit; Erbarmen und Gerechtigkeit kommen von ihm.