
Foto: Thomas Gertler
Geduld ist nicht meine stärkste Seite. Und zur Geduld gemahnt werden, ist auch nichts, was mich erfreut. Wenn ich zur Geduld gemahnt werde, dann verstärkt sich eher meine Ungeduld. Dann werde ich dazu noch unwirsch, weil ich nicht gemahnt werden will. Und schon ist sie da, die schlechte Laune.
Aber dafür ist natürlich jetzt, wo Sie das Bild anschauen und den Spruch, gar kein Grund vorhanden. Der Spruch will ja nicht mahnen, sondern trösten und inneren Frieden für die Geduld schenken. Ich freue mich über den Spruch und das Bild. Ich schaue auf die Kuh und ihr Geschäft des Wiederkauens und Verdauens und schaue auf die grüne Wiese – keine ist so grün wie diese. Ich lass am Himmel Wolken ziehn. Das Gras, das ist noch immer grün. Abends kommt der Bauersmann, melkt die weiße Milch sodann. Und sieh, das Wunder ist getan.
Ja, das schenkt mir dann Frieden und Ruhe, wenn ich das anschaue und meditiere wie die Kuh selbst, die so ganz bei sich selbst eingekehrt ist. Und dann merke ich, wie wunderbar doch die Natur das Ihre tut. In der ihr eigenen Geschwindigkeit. Und wie gut es mir tut, auch in diese meine eigene Geschwindigkeit hineinzugehen. Leider schaffe ich das nur nicht immer. So oft werde ich getrieben und muss viel schneller machen, als ich kann und will. Oder andersherum, wenn dann der Druck nachlässt, lasse ich mich nur treiben und Stunden um Stunden vergehen mit gar nichts. Und das macht auch unzufrieden. Sehr unzufrieden. Also in die eigene Geschwindigkeit hineingehen. So wie die Kuh kaut und verdaut und ganz besinnlich Milch aufbaut.
Und zwar viel Milch. Kühe geben 25 Liter, manche mehr als 30 Liter Milch Tag für Tag, also ohne Ferien, also 365 Tage im Jahr. Nicht immer jeden Tag so viel, aber mit nur geringen Schwankungen. Unvorstellbar, was so eine Kuh leistet. Von uns könnte keine/r so viel Milch trinken, wie eine Kuh produziert, noch dazu mit sehr viel mehr Fett, als wir normalerweise in unserer Milch bekommen. Da ist ja der Rahm immer schon abgeschöpft.
Und gerade diese Tatsachen machen deutlich, dass mein Bild reichlich naiv ist und ein Wunschtraum. So meditativ und romantisch ist das Leben einer Kuh heute nicht. Sie leistet unglaublich viel und wird von uns heftig und hässlich ausgebeutet. Aber das weiß auch jede/r, dass das nicht in Ordnung ist und es da auch eine moralische Anfrage an uns als Milch-Kaffe-Trinker oder Café-Latte-Trinkerinnen gibt. Milch ist eigentlich viel teurer… Hier darf jede/r nun weiterdenken und entscheiden, welche Milch er/sie kauft.
Wir bleiben beim Spruch und beim Bild. Denn es geht uns ja nicht wirklich um die Kuh. Es geht darum, dass wir uns nicht zu leicht in eine innere Hetze und Ungeduld bringen lassen. Oder in dieses Sich-treiben-lassen. Es geht uns darum, dass wir dann am fruchtbarsten sind und die meiste Milch geben, wenn wir unser Werk in der uns eigenen Geschwindigkeit tun können. Wenn wir uns die Zeit nehmen, die wir brauchen. Das ist ja das Wunder, wenn ich geduldig bin, dann schaffe ich auch viel mehr und viel Besseres und bin zufriedener mit Gott und der Welt. Komisch.
Und am ehesten geht das, wenn ich mit dem absoluten Nichtstun beginne. Also egal, was nun zu tun ist, einen Text verfassen, einen Vortrag schreiben, sich auf ein Gespräch oder eine Fahrt vorbreiten, immer hilft es mir, mich erst einmal still hinzusetzen und bei mir selbst einzukehren, mich zu besinnen, mich auszurichten und aufzurichten und zu meditieren. Ich kann auch einfach sagen, erst mal zu beten. So komme ich in Einklang mit Gott, mit mir selbst und der Welt und dann fällt es mir oft einfach zu. Es ergibt sich. Es fügt sich. Aber eben erst dann, wenn ich mich auch füge. Ist das das Geheimnis?
Machs auch du wie die Kuh und stimm zu und stimm ein und es geht wie von allein.
Das scheint so simpel, ist es aber nicht. Denn in meiner Ungeduld stürze ich mich immer besinnungslos gleich in alles hinein und merke erst wieder auf dem Weg zum Bahnhof, dass ich die Fahrkarte samt Kalender zu Hause liegen gelassen habe. Na ja.
Also Geduld, Geduld, aus Gras wird Milch! Jeden Tag üben! Gott übt sie auch – mit uns. Ein schweres Geschäft.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
19.Juli 2023
In vielen Gleichnissen aus der Landwirtschaft macht Jesus das Geheimnis der Herrschaft Gottes klar. Markus erzählt uns im vierten Kapitel seines Evangeliums einige davon und auch dieses von der Saat, die von selbst wächst. „Automaté“ steht da im griechischen Text. Sie bringt von selbst ihre Frucht. Wir brauchen nur die Geduld des Bauern, der nicht vorher schon ernten will.
Markus 4,26 - 29
4,26 Er sagte: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; 27 dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie. 28 Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. 29 Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da.