Gebetsschule 6: Beten wie Jesus

Die Jünger haben Jesus gebeten, sie beten zu lehren. Das tun auch wir heute. Jesus schenkte den Jüngern damals und uns heute als erstes das „Vaterunser“. In diesem einfachen Gebet ist auch Jesu Art zu beten enthalten. Alle seine Anliegen sind darin ausgesprochen. Jesus hat oft gebetet. Er hat am Gebetsleben seines Volkes teilgenommen. Er hat täglich das Shema Israel, das „Höre Israel“ gebetet. Er hat die Psalmen gebetet. Er ist am Sabbat in die Synagoge gegangen und hat jährlich das Paschafest gefeiert. Aber die Evangelien berichten uns auch, dass Jesus öfter allein auf einen Berg gegangen ist, um zu beten: „und er blieb die ganze Nacht im Gebet zu Gott“ (Lk 6,12).

Jesus hat ganz und gar aus seiner Liebe zu Gott gelebt. Er hat Gott ganz und gar geliebt mit allen seinen Kräften. Er hat also am tiefsten von allen Menschen das Hauptgebot erfüllt, wie es im Shema Israel ausgesprochen ist. Darum nennt er Gott seinen lieben Vater: „Abba“. Das war so typisch für ihn, dass wir heute noch dieses Wort der aramäischen Muttersprache Jesu kennen, weil es uns die Evangelien überliefert haben. Wenn ich beten lernen will wie Jesus, dann muss auch ich Gott ganz und gar lieben, ihm glauben und vertrauen. Gott soll auch für mich der liebe Vater sein wie für Jesus (wichtig ist, dass die Begriffe Vater-Sohn-Geist nur menschliche Bilder und Vergleiche sind, die Beziehungen ausdrücken, und zwar gute, heile und intime. Wer schlimme Erfahrungen mit seinem Vater gemacht hat, dem kann es ein Hindernis sein, Gott als Vater anzureden. Andererseits kann ich gerade im Gebet zu Gott als dem liebenden und barmherzigen Vater eine heilende Beziehung auch zu meinem eigenen Vater finden).

Wir berühren hier das Geheimnis Jesu. Dieses Lieben Gottes über alles hinaus nämlich können wir gar nicht aus eigener Kraft und eigenem Entschluss. Es muss uns geschenkt werden im Gebet, und zwar von Jesus: Niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will (Mt 11,27). Und dass Jesus uns den Vater offenbart, dass er uns mit hinein nimmt in seine Liebe zum Vater das ist Gabe und Geschenk seines Geistes: Röm 8,26 Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern. 27 Der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist. Denn er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein.

Jesu Geist betet in uns. In der tiefsten Tiefe unserer Seele ist Gottes Tempel und Wohnstatt in uns. Es ist die Quelle des Lebens in uns, die Quelle der Freude und des Friedens, aber auch die Quelle, die dann für andere strömt und uns aus uns heraus und über uns hinaus führt. Diese Quelle ist schon da in mir. Aber wie oft ist diese innerste Quelle in uns teilweise oder ganz verschüttet. Jesu Geist hat viele Mühe mit uns, dass wir wirklich zur Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben fließt (Joh 4,14). Aber dieser Geist Jesu ist immer schon dabei, alle die Hindernisse beiseite zu räumen und unseren Lebensquell wieder frei und stark strömen zu lassen. Lassen wir ihn wirken und uns von ihm öffnen. Dann lernen wir zu beten im Geist und in der Wahrheit (Joh 4,23f). Wir sollen uns nur auftun für dieses Wirken und Freigraben der Quelle durch Jesu Geist.

Also der Geist Jesu lehrt uns beten wie Jesus. Und damit lehrt er uns, Gott den Vater und den Nächsten so zu lieben, wie Jesus es getan hat. Und uns noch weiter in dieser Liebe führen zu lassen, nämlich in die Liebe sogar zu den Feinden. Mt 5,44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? 48 Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist! 

Und damit sind wir beim letzten Punkt. Wenn wir beten lernen wollen wie Jesus, dann lassen wir uns auch immer mehr hineinziehen in seinen Weg der Erlösung, nämlich in die Hingabe unserer selbst an Gott und den Nächsten und sogar an den Feind. Das geht nur, wenn wir der Hilfe des Heiligen Geistes immer mehr beten lernen wie Jesus: Dein Wille geschehe.

Damit grüße ich Sie und wünsche Ihnen die Sehnsucht nach dem Werk des Heiligen Geistes in Ihnen
Thomas Gertler SJ

3. März 2021

Am schwersten war für Jesus das Gebet am Ölberg, in dem es um diesen Willen des Vaters geht. Das Bild mit dem betenden Jesus über diesem Impuls ist schon ein solches Bild des am Ölberg betenden Jesus. Und hier ist ein Relief vom Eingang meiner Heimatkirche in Heiligenstadt, das die volle Szene zeigt mit den schlafenden Aposteln im Hintergrund. Sie lassen ihn allein in seiner Not. Aber wir sehen auch die Hand des Vaters, die ihn auf den Kreuzweg weist und den Kelch der Stärkung, den der Engel ihm reicht.

 

Foto: NoRud - CC BY-SA 4.0

Lukas 22,39 - 46

22,39 Dann verließ Jesus die Stadt und ging, wie er es gewohnt war, zum Ölberg; seine Jünger folgten ihm. 40 Als er dort war, sagte er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Versuchung geratet! 41 Dann entfernte er sich von ihnen ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete: 42 Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. 43 Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. 44 Und er betete in seiner Angst noch inständiger und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte. 45 Nach dem Gebet stand er auf, ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend; denn sie waren vor Kummer erschöpft. 46 Da sagte er zu ihnen: Wie könnt ihr schlafen? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!