
Gottes Hand weist Abraham vorwärts. Abraham empfängt Gottes Weisung mit ehrfürchtig verhüllten Händen. Aus der Wiener Genesis, vermutl. aus Syrien, 6. Jh.
Alle Schöpfung betet. Sie betet schon lange vor uns und wir können von ihr lernen und das haben wir getan. Wir haben gelernt zu meditieren wie Berg und Ozean also wie die unbelebte Natur, dann darüber hinaus, wie Mohnblume und Vogel, also wie die lebenden Wesen um uns herum. Alles das tragen wir in uns. Alles das sind wir auch. Mit all dem sind wir verbunden. Nun führt uns Vater Seraphim weiter, nämlich dahin, zu meditieren wie Abraham. Damit machen wir einen Sprung hinein in unser Menschengeschlecht und in unsere Menschengeschichte. Wir gehen hin zu einer ganz konkreten Gestalt. Zu Abraham und zu seiner Frau Sara.
Sie stehen am Beginn des Volkes Israel. Dabei ist „Israel“ schon der Name des Enkels von Abraham und Sara. Ihr Sohn heißt Isaak. Isaak war dann der Vater von Esau und Jakob. Und dieser Enkel Jakob bekommt dann den Namen Israel, das heißt Gotteskämpfer Er ist der Vater von zwölf Söhnen, die zu den Stammvätern des Volkes Israel werden. Auf diese zwölf Söhne führt sich bis heute das Volk Israel zurück. Soviel nur ein wenig zu Ihrer Orientierung.
Meditieren wie Abraham und Sara heißt also an diesen Anfang gehen. So etwa an die viertausend Jahre zurück. Hin zum Glauben von Abraham und Sara an ihren Gott JHWH. Das sind die vier Buchstaben des heiligen Gottesnamens Jahwe. JHWH hat Abraham weggerufen aus seinem bisherigen Leben: „Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.“ (Gen 12,1-2). Abraham glaubt und macht sich auf den Weg mit Sara und seinem Neffen Lot.
Meditieren wie Abraham heißt in den Glauben und das Vertrauen Abrahams eintreten. Das Wort an Abraham bedeutet einerseits eine Verheißung. Er soll mit Sara zusammen zu einem großen Volk werden und ein Segen sein. Aber das Wegziehen bedeutet zugleich ein großes Wagnis. Denn das ist nicht einfach eine schöne Reise ins Offene, wie wir es vielleicht mit heutigen Ohren hören. Nein, das Verlassen der (Groß-)Familie und des Landes heißt damals vor 4000 Jahren alle menschliche Sicherheit aufzugeben. Denn ohne die (Groß-)Familie und Sippe gab es keine Sicherheit. Und ins Ausland gehen hieß ins Elend gehen. Elend ist das alte Wort für Ausland. Es bedeutet Rechtlosigkeit und Ungesichertheit. Abraham und Sara können sich nicht mehr auf die bisherigen Sicherheiten verlassen. Sie müssen sich von nun ganz und gar auf JHWH verlassen. Das ist der Mut ihres Glaubens. Alles loslassen. Alle bisherigen Sicherheiten aufgeben. Ganz auf JHWH bauen. Etwas anderes haben sie nicht mehr. Und das ist das Erste, wenn wir meditieren lernen wollen wie Abraham. Ganz und gar auf Gott bauen. Sich selbst ganz und gar verlassen hin auf JHWH. In Gott haben Abraham und Sara nun das wichtigste Gegenüber ihres Lebens. Wie diese beiden lasse mich von Gott ansprechen und bei meinem Namen rufen. Und ich antworte ihm mit meinem ganzen Leben. Das heißt meditieren wie Abraham.
Und das geschieht ja bei Abraham und Sara nicht in der Stille und den umgrenzten Mauern eines Meditationsraums und auf einem Kissen oder Höckerchen, sondern das geschieht, indem sie ihren Kram zusammenpacken und losziehen, ohne zu wissen, wo das Ganze konkret endet und hingeht. Und es wird noch viele schwierige und beglückende Wegabschnitte geben.
Das ist es, was uns nun Starez Seraphim aufgibt zu meditieren und so innerlich zu verspüren, zu erwägen, zu verkosten. Was er uns aufgibt als Probe für uns. Auf Gott hören. Mich ganz auf Gott verlassen. Geht das? Kann ich glauben und vertrauen wie der alte Abraham, wie die alte Sara? Kann ich mich so selbst verlassen? Kann ich so vertrauen? Ein Wagnis, eine Herausforderung. Und das Neue ist nun: es geht um eine lebendige Beziehung zu diesem Gott JHWH. Es geht um Gefühle. Es geht um Erwartungen und Enttäuschungen, Überraschungen, Herausforderungen und auch Leiden. Alles mit diesem Gott JHWH.
Es hilft, einmal darauf zu schauen, wo ich in meinem Leben einmal auf Gott gehört habe und wo sich Vertrauen gelohnt hat. Wo ein Wagnis mich weiter geführt hat. Wo mich solche Probe tatsächlich aus mir selbst heraus und in eine größere Weite und ein „gelobtes Land“ geführt hat. Schauen Sie darauf. Und schauen Sie auf Abraham und Sara und ihre spannende Geschichte.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
24. Februar 2021
Und hier der Anfang der Abrahamsgeschichte wie sie uns das Buch Genesis im 12. Kapitel schildert. Abraham nimmt sehr viel mit auf seine Reise – nicht weil er nun doch nicht so ganz auf Gott vertraut, sondern weil wir auf unsere Glaubensreise immer alles mitnehmen – von uns selbst. Und Abraham heißt an dieser Stelle noch Abram (= Vater ist erhaben). Erst später in Gen 17,5 bekommt er den Namen Abraham (=Vater der Menge). Auch Sara heißt hier noch Sarai und nicht Sara (= Fürstin, vgl. Gen 17,15).
Genesis 12,1 - 8
12,1 Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. 2 Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. 3 Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. 4 Da zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte, und mit ihm ging auch Lot. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran fortzog. 5 Abram nahm seine Frau Sarai mit, seinen Neffen Lot und alle ihre Habe, die sie erworben hatten, und die Knechte und Mägde, die sie in Haran gewonnen hatten. Sie wanderten nach Kanaan aus und kamen dort an. 6 Abram zog durch das Land bis zur Stätte von Sichem, bis zur Orakeleiche. Die Kanaaniter waren damals im Land. 7 Der Herr erschien Abram und sprach: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land. Dort baute er dem Herrn, der ihm erschienen war, einen Altar. 8 Von da brach er auf zum Bergland östlich von Bet-El und schlug sein Zelt so auf, dass er Bet-El im Westen und Ai im Osten hatte. Dort baute er dem Herrn einen Altar und rief den Namen des Herrn an.