
Foto: Radosław Drożdżewski - CC BY-SA 3.0
Es muss natürlich heißen meditieren wie der Ozean, aber Meer meditieren hört sich besser an. Und das wollen wir ja: mehr meditieren im Sinne von besser meditieren, tiefer meditieren, tief wie das Meer. Wir setzen damit unsere Reihe über das Gebet fort. Nach dem Berg und der Mohnblume führt der Starez Seraphim vom Berge Athos den jungen Mann jetzt ans Ufer des Meeres, nämlich des Mittelmeeres, in dem die Halbinsel Athos liegt. Und dort sitzen wir nun mit ihm.
Und das Erste, was wir mit dem Meer zusammen tun, ist Atmen im Rhythmus des Wellenschlages, und zwar beginnen wir nach der Tradition und für das eigene Empfinden vielleicht ungewohnt mit dem Ausatmen. Beginnen ist für uns meist mit dem Einatmen verbunden. Aber bei der Meditation und beim Jesus Gebet beginnen wir mit dem Ausatmen, mit dem Loslassen und Leerwerden.
Die Welle rollt ans Ufer und geht wieder zurück. Und bei diesem Rückweg der Welle atme ich aus. Ich atme ein, wenn sie kommt. Das nehme ich wahr, ganz und gar. Ich versuche bei nichts anderem zu sein als bei meinem Atem. Er geht von selbst. Ich kann ihn beeinflussen, aber ich soll es möglichst nicht tun. Der Atem geht von selbst. Er kommt und geht. Wie die Wellen des Meeres. Ausatmen – Einatmen. Ich spüre wie die Luft die Nasenflügel durchstreift und die Oberlippe trifft beim Ausatmen. Umgekehrt wie sie die ganze Nase durchströmt beim Einatmen. Manche spüren es bis hinein in die Bronchien und tiefer. Die Welle geht. Die Welle kommt.
Ich schaue auf das Meer. Es ist so weit. Es ist so groß. Es ist so tief. Bis zum Horizont geht mein Blick, wo Meer und Himmel ununterscheidbar ineinander übergehen. Das Mittelmeer ist schon wirklich groß. Aber wie riesig und unermesslich sind erst die Ozeane. Der stille oder pazifische Ozean ist der größte und tiefste. Ich versuche so meditieren, wie dieser unvorstellbar große und tiefe Ozean meditiert. Meditiert der Stille Ozean? Ja, er meditiert! Und er lobt Gott durch seine ganze Existenz! Und wie ich so sitze und sitze und mit seinen Wellen eins werde, werde ich auch eins mit dem Meer. Mit dieser Unermesslichkeit und Tiefe. Sie sind auch da in mir. Und in der Tiefe spüre ich dann den Frieden, die Stille, die Ruhe. Die Wellen sind nur an der Oberfläche da. In der Tiefe sind Stille, Ruhe, Frieden. Ich spüre in meiner Tiefe diesen Frieden.
Und ich bemerke bei meinen Atemwellen, dass es zwischen dem Ausatmen und dem wieder Einatmen eine Pause gibt. Einen Moment der Stille. Einen Augenblick der Ruhe. Da berühre ich diesen Frieden. Da spüre ich die Ruhe. Die Wellen sind da. Aber sie sind nicht alles. Es geht tiefer. Und das Ziel des Meditierens ist es, in diese Tiefe zu kommen. In den Frieden einzutauchen. Auf den Grund zu sinken. Grund zu spüren und Grund zu finden. Und das auch im doppelten Sinn des Wortes. Den Grund des Lebens, das Fundament und den Sinn von allem. Und sich darauf stellen.
Und das ist es, wohin mich das Meditieren wie das Meer führt: zu Gott, dem Grund und Fundament von allem. Zum Frieden und zur Ruhe. Zu der Kraft, die alles trägt und hält. Alles erträgt und bewahrt. Und dieser Grund ist in mir selbst zu finden. Tiefer als ich selbst bin, ist dieser Friede und ist diese Kraft in mir. Nicht immer kann ich sie spüren und fühlen. Nicht immer kann ich mich mit diesem Grund von allem verbinden. Da geht es vielleicht eben gerade an der Oberfläche zu wild hoch und runter, auf und ab. Da werde ich von den Wellen hin und her getrieben. Aber ich weiß, er ist da. Er trägt das alles. Und er ist mein Friede, auch wenn ich denke, die Wellen werden mich überschwemmen und alles fortspülen.
Es gibt einen, der ist Herr über Wind und Wellen. Er kann ihnen gebieten. Zu ihm gehe ich.
Bleiben Sie behütet und seien Sie herzlich gegrüßt
Thomas Gertler SJ
10. Februar 2021
Was Frieden und Vertrauen sind und was das Verankert Sein in Gott bedeutet, können wir an Jesus ablesen, der mitten in den wildesten Wellen friedlich zu schlafen vermag. Er schläft auch wenn die Chaosmächte toben und der Untergang sicher scheint. So malt es uns der Hitda-Kodex in einem dramatischen Bild. Wir sehen die weckende Hand auf der Schulter des ruhenden Jesus. Der Evangelist Markus schildert uns die Szene in seinem 4. Kapitel. Und versuchen Sie einmal die „völlige Stille“ zu spüren, von der dann im Evangelium die Rede ist.
Markus 4,35 - 41
4, 35Am Abend dieses Tages sagte er zu ihnen: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren. 36 Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; einige andere Boote begleiteten ihn. 37 Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm, und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. 38 Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? 39 Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. 40 Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?
41 Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar der Wind und der See gehorchen?