„Wenn ich keinen Sinn für Humor hätte, hätte ich mich längst umgebracht (If I had no sense of humor, I would long ago have committed suicide).“ So hat er einmal gesagt. Ja, diesen Sinn hatte er und brauchte er. Auf ganz vielen Fotos sieht man ihn lachen, obwohl er schreckliche Zahnlücken hatte, wie auf dem Bild oben, das ihn 1931 in England bei einer Begegnung mit Charlie Chaplin zeigt. Wer von den beiden hatte wohl den größeren Humor?
Bei eben dieser Reise begegnete er auch dem englischen König. Und er ging zu ihm in der Kleidung der indischen Armen, in einer Art Lendenschurz , genannt Dhoti. Als er nachher gefragt wurde, ob denn das so in Ordnung gewesen sei, sagte er: „Der König trug Kleider genug für uns beide.“ Aber natürlich war es viel ernsthafter und wichtiger für Gandhi. Wenn ihm europäische Kleidung vorgeschrieben worden wäre, hätte er nicht an dem Treffen teilgenommen, denn es ging ihm gerade darum, in dieser Kleidung der Armen seines Volkes zu erscheinen.
England exportierte nämlich die gesamte indische Baumwolle, verarbeitete sie in England und verkaufte dann die Stoffe wieder an die Inder zurück. Die Textilproduktion Indiens lag am Boden. Gandhi fing mit einem einfachen Spinnrad selbst zu spinnen an und bewegte auch das Volk dazu, um von diesem Zwang des Rückkaufs der Baumwollstoffe von den Engländern wieder frei zu werden. Und sie haben die Engländer nieder gerungen. Aber er besuchte 1931 auch ganz bewusst die Arbeiter der englischen Textilindustrie. Nicht ihnen wollte er schaden.
Als er eines Tages gefragt wurde, was er von der westlichen Zivilisation halte, sagte er, nach all seinen schlimmen Erfahrungen. „Ja, (Zivilisation) das wäre eine gute Idee.“ Und ein vorletztes Beispiel für sein humorvolles und zugleich sehr ernsthaftes Denken. Er wurde gefragt, warum er immer bei der Bahn mit der untersten Klasse, der 3. Klasse, führe, erwiderte er: „Weil es keine 4. Klasse gibt.“
Über Gandhi schreibe ich aber nicht eigentlich seines Humors wegen, sondern wegen eines anderes Satzes, der mich sehr bewegt hat. Es handelt sich um einen Satz, nach dem er selbst sein Leben lang gehandelt hat und von dem ich mir sehr wünschte, die Politiker würden heute danach handeln. Er lautet: „Der sicherste Weg ist es, an eine moralische Weltlenkung (durch Gott) und darum an die Überlegenheit des Moralgesetzes in der Welt zu glauben, an das Gesetz der Wahrheit und der Liebe“ (the safest course is to believe in the moral government of the world and therefore in the supremacy of the moral law, the law of truth and love).
Dieser Satz steht nicht in einem Politischen Manifest von ihm, sondern in einem Text über den Glauben an Gott. Und Gandhi sagt darin, dass ich die Wahrheit Gottes erfahre, wenn ich nach diesem Satz lebe und handle. Der sicherste Weg zum Erweis Gottes ist also, daran zu glauben und danach zu leben, dass Wahrheit und Liebe die größten Mächte sind (und eben nicht fake news, alternative Fakten und Hass, Hass, Hass). Und er hat damals sein ganzes riesiges Land mit seinen Millionen Menschen mit seiner Überzeugung begeistert und mitgezogen und in die Freiheit geführt. Gandhis Autobiografie schildert genau seine Erfahrungen damit. Sie hat den Titel: „Die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit“.
Und genau hier ist auch der Zusammenhang mit seinem Humor. Weil er so ernsthaft und wahrhaft sein Leben geführt hat, darum war er ein zutiefst glücklicher und froher Mensch. Er war eins mit sich selbst. Er wusste aber auch, dass wir immer dahinter zurück bleiben, und darum konnte er über sich selbst lachen, auch im Unterschied zu vielen führenden Politikern heute.
So frage ihn einmal ein junger Mann, ob es stimme, dass er süchtig nach Milch sei. Er antwortete: „Junger Mann, gerade eben habe ich ein großes Glas Ziegenmilch getrunken und jetzt spüre ich an der Stirn so ein seltsames Jucken. Ich glaube das sind die Hörner, die mir gerade wachsen. Lieber junger Mann, Sie bringen sich also jetzt besser vor mir in Sicherheit…“
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
7. Februar 2018
Gandhi hat gelebt, wie es uns Jesus in der Bergpredigt sagt. Er hat die Wahrheit und die Liebe und die Gewaltlosigkeit gelebt. Es ist gut, sich diesen Text, wie ihn uns Matthäus überliefert hat, noch einmal zu Herzen zu nehmen.

Die Bergpredigt (von Cosimo Rosselli aus dem Jahr 1481)
Mt 5, 33 - 48
5,33 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast. 34 Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron, 35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs! 36 Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören; denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen. 37 Eure Rede sei: Ja ja, nein nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen. 38 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. 39 Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin! 40 Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel! 41 Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm! 42 Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab! 43 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.
44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? 48 Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!