Freude als Kompass zu Gott

Foto: Hannes Grobe – CC BY-SA 2.5

Ja, so unwahrscheinlich das klingt und so wenig es zum verbreiteten Bild der Wege zu Gott passt: Folge der Freude und Du findest Gott. Wirklich und wahrhaftig! Natürlich ist damit nicht alles gemeint, was wir auch noch so unter Freude zählen. Am offensichtlichsten die Schadenfreude. Die nicht! Und auch nicht einfach Comedy. Da lachen wir und das tut auch gut, mal wieder zu lachen, bis die Seiten krachen. Aber das ist nicht die Freude, die zu Gott führt. Nein, zu Gott führt die Freude, die nachhaltig ist, wie wir heute gern sagen. Also Freude, die bleibt und anhält, auch wenn der unmittelbare Anlass schon vergangen ist.

Wie finde ich solche Freude? Was macht mich nachhaltig froh? Was macht mich auf Dauer froh? Schauen Sie einmal selbst nach, wann Sie zuletzt so froh waren. Freude, die den Rest des Tages anhielt. Die Freude, wo das Herz weit wurde. Wann war das zuletzt bei Ihnen?

Es kann sein, nach dem letzten ausführlichen Gespräch mit einem lieben Menschen, wo ich nicht nur Informationen ausgetauscht habe, sondern wo ich mich selbst aussprechen konnte. Wo ich mich gehört und verstanden und angenommen fühlte. Aber auch wo ich hören und verstehen und den anderen einfach so annehmen konnte. Denn das macht froh.

Es kann sein, als ich die schwierige und unangenehme Sache endlich angepackt habe, die schon lange dran war, da war ich nachher richtig froh. Meist wenn ich mich selbst überwinde, meine Ängstlichkeit, meine Trägheit, meine Unlust, meinen rätselhaften inneren Widerstand gegen das Wichtige und Gute bezwinge. Meist, wenn ich mich so selbst besiege und über mich hinausgehe, macht mich das froh. Anhaltend froh.

Wenn ich endlich wieder einmal getan habe, was mir wirklich gut tut, nicht nur was mir angenehm ist, also zum Beispiel der Waldspaziergang von zwei Stunden. Das tat gut, auch wenn ich jetzt müde bin. Oder wenn ich einmal wieder die friedenstiftende japanische Naturlyrik gelesen und so genossen habe, dass der Friede, der Einklang, dass das Ja wieder in meinem Herzen Einzug hält. Oder wenn ich mal wieder ein paar Seiten im Tagebuch von Dag Hammarskjöld „Zeichen am Weg“ gelesen habe. Es könnte auch die Autobiografie von Teresa von Avila oder ein anderes gutes geistliches Buch sein. All das macht auf Dauer froh. Das muss nicht unbedingt jubelnde, laut singende Freude sein wie bei Verliebten, aber doch Frieden, Harmonie und Helle, ja, auch Hoffnung und Kraft stellen sich ein und bleiben wenigstens den Tag. Wenigstens so lange, bis ich blöderweise wieder etwas tue, was mir zwar vielleicht im Augenblick Ablenkung und Vergnügen, aber eben keine Freude bringt.

Haben ich Ihnen verständlich machen können, was gemeint ist mit der bleibenden Freude, der ich folgen soll? Kennen Sie diese Freude? Sie führt zu Gott. Wieso? Wieso führt sie zu Gott? Weil das Gute, das ich anderen und auch mir selbst tue und mir Freude macht, zu Gott führt. Denn er ist selbst DER Gute. Weil die Wahrheit, der ich folge und die mir Freude macht, zu Gott führt, denn er ist die Wahrheit. Weil die Schönheit, der ich folge und die mich froh macht, zu Gott führt, weil er selbst die herrliche, strahlende Schönheit ist. Weil die Liebe, die ich gebe und empfange und die mich so glücklich macht, zu Gott führt, der selbst Liebe ist.

Und wenn Sie konsequent dieser Freude folgen, dann wird das Ihr Leben verändern. Vielleicht ganz langsam, aber doch Schritt für Schritt. Das bedeutet nicht, dass ich von da an nur noch gute Laune habe, dass es nichts Schweres und Trauriges mehr gibt in meinem Leben, aber ich werde immer mehr spüren, dass das Leben einen Sinn hat, dass ich auch im Schweren, auch in den Kämpfen und Leiden meines Lebens, diese Verbundenheit mit Gott bewahre und so im Frieden bleibe.

Leider sind wir rätselhafterweise nicht so konsequent in unserem Leben, dass wir dieser nachhaltigen Freude immer folgen, sondern dass wir oft dem folgen, was uns traurig macht und was uns (und andere) zerstört. Aber das ist ein anderes Thema.

Heute und jetzt wünsche ich Ihnen und mir auch, dass wir der Freude folgen. Gott will uns mit Freude und Licht und Trost erfüllen. Und er will, dass wir sie weiterschenken.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

18. November 2020

 

Ich hänge Ihnen einen Text aus dem autobiografischen Bericht, dem so genannten Pilgerbericht des heiligen Ignatius von Loyola über seine Bekehrung an. Da schildert er in den Worten und der Denkweise des 16. Jahrhunderts die gleiche Erfahrung, dass Gottes Geist zur nachhaltigen Freude und zum bleibenden Trost führt. Diese Erfahrung machte er, als er dreißigjährig nach einer schweren Kriegsverletzung im Jahr1521 noch in der Langeweile der Rekonvaleszenz war. Er träumte in dieser Zeit davon, ein großer Ritter in dieser Welt zu werden und große Taten zu vollbringen und er stellte sich andererseits vor, ob er nicht leben sollte, wie die großen Heiligen, wie Franziskus oder Dominikus. Und dabei machte diese Erfahrung und Entdeckung, die er uns hier schildert.

Foto: Zarateman - CC0 1.0
Ignatius unterwegs zur Freude

Pilgerbericht Nr. 8, übers. von Peter Knauer

„Es gab jedoch diesen Unterschied: Wenn er an das von der Welt dachte, vergnügte er sich sehr. Doch wenn er danach aus Ermüdung davon abließ, fand er sich trocken und unzufrieden. Und wenn er daran dachte, barfuß nach Jerusalem zu gehen und nur Kräuter zu essen und alle übrigen Strengheiten auszuführen, von denen er las, dass die Heiligen sie ausgeführt hatten, war er nicht nur getröstet, während er bei diesen Gedanken war, sondern blieb auch, nachdem er davon abgelassen hatte, zufrieden und froh. Doch achtete er nicht darauf und verweilte nicht dabei, diesen Unterschied zu wägen, bis sich ihm einmal ein wenig die Augen öffneten und er begann, sich über diese Verschiedenheit zu wundern und über sie nachzudenken, da er durch Erfahrung erfasste, dass er von den einen Gedanken traurig blieb und von den anderen froh. Und allmählich begann er, die Verschiedenheit der Geister zu erkennen, die sich bewegten, der eine vom Bösen und der andere von Gott.

Dies war die erste Überlegung, die er in den Dingen Gottes anstellte. Und danach, als er die Übungen [die Exerzitien] verfasste, begann er von hieraus Licht für »die Verschiedenheit der Geister« zu gewinnen“.